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Mecklenburg-Vorpommern Wahlrechtsreform: Das sind die wichtigsten Neuerungen bei der Bundestagswahl

Stand: 08.01.2025 17:30 Uhr

Statt der ursprünglich einmal geplanten 598 Abgeordneten sitzen mittlerweile 733 Parlamentarier im Bundestag. Das soll sich durch das neue Wahlrecht ändern. Danach könnten weniger Abgeordnete aus Mecklenburg-Vorpommern im neuen Bundestag vertreten sein.

Von Michaela May

Bislang hatten vor allem die Handwerker nach einer Bundestagswahl alle Hände voll zu tun: Mit jeder Wahl wurden neue Sitze im Plenarsaal nötig, weil die Zahl der Abgeordneten von Mal zu Mal anstieg. Durch das neue Wahlrecht soll Schluss sein mit dem XXL-Bundestag.

Wählerinnen und Wähler haben weiterhin zwei Stimmen

Für die Wählerinnen und Wähler wird sich zum Wahltag am 23. Februar nichts ändern. Der Stimmzettel sieht so aus wie immer: Es bleibt bei zwei Stimmen. Die Erststimme geht an den Abgeordneten des jeweiligen Wahlkreises, die Zweitstimme an eine Partei. Sie bestimmt, wie viel Prozent der Sitze im Bundestag die jeweiligen Parteien erhalten.

Am Beispiel der CDU/CSU, die derzeit in den Umfragen je nach Institut bei etwa 31 Prozent liegt, hieße das: Etwa 31 Prozent der Wähler würden mit der Zweitstimme die Union wählen und ihr damit 31 Prozent der Sitze im Bundestag sichern. Dieses Prinzip bleibt auch künftig erhalten.

Immer mehr Abgeordnete nach altem Wahlrecht

Während in der Wahlkabine und bei der Auszählung alles beim Alten bleibt, ändert sich bei der konkreten Vergabe der Sitze im Bundestag einiges. Bislang war es so: Jeder Kandidierende, der einen Wahlkreis und damit ein sogenanntes Direktmandat gewonnen hatte, war automatisch im Bundestag. Das konnte zu der Situation führen, dass eine Partei in einem Bundesland mehr Abgeordnete nach Berlin schickte als sie nach Anzahl der Zweitstimmen überhaupt Sitze gehabt hätte.

Das war zum Beispiel bei der SPD in Mecklenburg-Vorpommern bei der letzten Bundestagswahl 2021 der Fall: Nach der Anzahl der Zweitstimmen hätten den Sozialdemokraten im Nordosten vier Bundestagssitze zugestanden. Aber die Partei gewann alle sechs Wahlkreise im Land. Damit zogen nach dem früheren Wahlrecht sechs direkt gewählt Abgeordnete nach Berlin. Das waren die sogenannten Überhangmandate.

Bislang 138 Abgeordnete mehr durch Ausgleichsmandate

Um das prozentuale Verhältnis der Parteien nach dem Ergebnis der Zweitstimmen wieder herzustellen, wurden dafür bislang Ausgleichsmandate gewährt. Im letzten Bundestag kamen 138 Abgeordnete allein aufgrund dieser Regeln ins Parlament. Je mehr Parteien mit der Zeit in den Bundestag einzogen, desto mehr Überhang- und Ausgleichsmandate kamen so zustande. Die Abgeordnetenzahl wuchs in den letzten zwanzig Jahren von 603 auf 736 Abgeordnete an. Kritiker bemängelten, das Parlament werde so immer schwerfälliger, teurer und unübersichtlicher.

Neu: Überhang- und Ausgleichsmandate fallen weg

Mit dem neuen Wahlrecht wird die Zahl der Sitze auf 630 begrenzt. Ausgleichs- und Überhangmandate gibt es dann nicht mehr. Am Beispiel des SPD-Wahlergebnisses in Mecklenburg-Vorpommern 2021 hieße das: Die Sozialdemokraten könnten statt sechs nur vier Abgeordnete nach Berlin schicken. Wer zum Zug kommt, entscheidet dann das Ergebnis im Wahlkreis.

Damit sind die Zeiten vorbei, in denen sich Gewinnerinnen und Gewinner von Direktmandanten noch am Wahlabend freuen konnten. Nun müssen sie abwarten, ob die Zahl der Sitze in einem Bundesland für ihre jeweilige Partei ausreicht, um selbst auch tatsächlich zum Zug zu kommen. Für Parteien, die keinen Wahlkreis direkt gewinnen oder weniger Direktmandate als ihnen nach Wahlergebnis an Sitzen zustünden, gilt weiterhin: Zum Zuge kommen Kandidatenlisten, die die Parteien vor der Wahl aufgestellt haben. Auf diesem Weg kamen 2021 aus Mecklenburg-Vorpommern neben den SPD-Direktkandidaten noch zehn weitere Abgeordnete ins Parlament. Das waren jeweils drei von der CDU und der AfD, zwei Abgeordnete der Linken und je einer von den Bündnisgrünen und der FDP.

Vielleicht zum letzten Mal: Die Grundmandatsklausel

Grundsätzlich gilt: Um in den Bundestag einzuziehen, muss eine Partei bundesweit auf mindestens fünf Prozent der Stimmen kommen. Es gibt allerdings eine Ausnahme: Gewinnt eine Partei drei Direktmandate bei der Bundestagswahl, dann zieht sie als Fraktion in den Bundestag - auch wenn sie die Fünf-Prozent-Hürde nicht schafft. Davon profitierte 2021 die Linke. Mit 4,9 Prozent wäre sie knapp gescheitert, wenn es nicht Gregor Gysi und zwei weiteren Kandidierenden gelungen wäre, ihre Wahlkreise direkt zu gewinnen.

Nur aus diesem Grund kamen auch zwei Abgeordnete der MV-Linken nach Berlin. Diese sogenannte Grundmandatsklausel wird es in der alten Form auch 2025 noch geben. Eine Neuregelung, die die Wahlrechtsreform vorsah, hat das Bundesverfassungsgericht im Sommer verworfen.

Rechenspiele: Weniger Abgeordnete aus MV?

Nach dem neuen Wahlrecht könnten weniger Abgeordnete aus Mecklenburg-Vorpommern im neuen Bundestag vertreten sein. Würden die Ergebnisse der Bundestagswahl 2021 zugrunde gelegt, gingen die Mandate für zwei Wahlkreise verloren. Einige Institute berechnen schon jetzt aufgrund von Wahlumfragen Szenarien für die Direktmandate bei der kommenden Bundestagswahl. Nach der Prognose der Internetplattform election.de vom 3. Januar 2025 könnte die AfD im Februar sechs Wahlkreise in Mecklenburg-Vorpommern direkt gewinnen. Der Berechnung zufolge stünden ihr aber nach Zweitstimmen nur vier Abgeordnete zu. Zwei Direktmandate würden also nicht vergeben.

Das Umfrage-Institut Insa hatte am 16. Dezember 2024 einen anderen Stand. Demnach würde die AfD vier Wahlkreise gewinnen - und damit kämen alle ihre Direktkandidaten zum Zug. Zwei Wahlkreise könnte die CDU erobern. Damit wären auch diese Kandidaten im neuen Deutschen Bundestag.

Bündnis Sarah Wagenknecht tritt erstmals an

Alle anderen Abgeordneten der Parteien aus Mecklenburg-Vorpommern würden über die Listen nach Berlin kommen. Neben der Wahlrechtsreform werden auch neue politische Kräfte eine wesentliche Rolle bei der kommenden Bundestagswahl spielen: Das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) tritt erstmals an und hat gute Chancen in Mecklenburg-Vorpommern. Andere Frage: Wird der Linken der Wiedereinzug gelingen?

Mit wie vielen Abgeordneten der Nordosten dann also tatsächlich in Berlin vertreten sein wird, hängt davon ab, wie am 23. Februar gewählt wird - dann werden die Karten komplett neu gemischt.

Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Nordmagazin | 08.01.2025 | 19:30 Uhr