Ein ICE der Deutschen Bahn

Niedersachsen Baustelle Bahn: Was bedeutet die Generalsanierung für Fahrgäste?

Stand: 16.07.2024 17:30 Uhr

Verspätungen und Zugausfälle sorgen bei der Deutschen Bahn täglich für Frust. Der Konzern will das ändern - mit einer neuen Strategie. Ob marode Gleise, Oberleitungen oder Bahnhöfe - auf den Hauptstrecken soll alles auf einmal modernisiert werden.

Der erste Teil der Generalsanierung der Deutschen Bahn hat begonnen. Derzeit ist die Strecke zwischen Frankfurt am Main und Mannheim gesperrt. Auch der Norden ist betroffen: Ab dem 16. August wird beispielsweise die Strecke zwischen Hamburg und Berlin erneuert. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Die Deutsche Bahn hat viele Baustellen: Ob Taktverdichtung, Personalmangel, marode Bahnhöfe oder zu wenig Züge im Regionalverkehr. Auch die Fußball-EM habe gezeigt, dass die Bahn an ihre Grenzen gekommen sei, so Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) im Gespräch mit NDR Info. Auch bei Starkregen und ähnlichen Wetterextremen gibt es schnell Schwierigkeiten auf der Schiene. "Wir haben eine Infrastruktur, die in die Jahre gekommen ist und die nicht ausreichend widerstandsfähig ist", so Wissing. Es sei das "mutigste und größte Sanierungskonzept in der Geschichte der Deutschen Bahn".

Notwendige Baumaßnahmen wurden bislang auf mehrere Monate und Jahre verteilt. Das führte zu immer neuen Einschränkungen auf der gleichen Strecke. Bei Kundinnen und Kunden sorgte das für Unverständnis. Es könne nicht so weitergehen, dass defekte Dinge immer nur geflickt oder ersetzt würden, so Wissing. "Wir müssen die Infrastruktur einmal runderneuern auf den Hauptkorridoren, weil sie schlicht und einfach bröselt und marode ist."

Einige Strecken wurden viele Jahre lang vernachlässigt. Die Bahn will die Bauarbeiten künftig neu organisieren. Größere Bauarbeiten sollen in einem feststehenden Zeitfenster erfolgen. Auch sollen sich die einzelnen Gewerke besser abstimmen und ihre Maßnahmen bündeln, heißt es. Die sogenannte "Generalsanierung" gehört zur neuen Strategie der Deutschen Bahn. Anstatt einzelne Schäden nach und nach zu reparieren, sollen die nötigen Bauarbeiten am Schienennetz auf bestimmten Abschnitten künftig gebündelt erfolgen, um die Pünktlichkeit der Züge zu verbessern.

Bis zum Jahr 2030 sollen insgesamt 4.000 Kilometer Gleise auf rund 40 Strecken in Deutschland für insgesamt 87 Milliarden Euro kernsaniert werden. Ebensoviele Kilometer sollen durch "kleinere und mittlere Maßnahmen" verbessert werden. Allein in diesem Jahr sind es 14 Strecken, 2.000 Kilometer Gleise, 2.000 Weichen, 1.000 Bahnhöfe und 150 Brücken, die für insgesamt 16 Milliarden Euro saniert werden sollen. Der erste Teil der Arbeiten begann Mitte Juli auf der Hauptstrecke zwischen Frankfurt am Main und Mannheim. Bis Mitte Dezember ist die 70 Kilometer lange Riedbahn voll gesperrt. Modernisiert werden sollen hier unter anderem Gleise, Oberleitungen, Brücken und Bahnhöfe.

  • Ab dem 16. August wird die Strecke zwischen Hamburg und Berlin rund vier Monate lang saniert. Fernverkehrszüge verkehren dann stündlich, die Fahrzeit verlängert sich um 45 Minuten.
  • Ab dem 17. August bis 22. November wird die Strecke zwischen Hamburg und Schwerin erneuert. Bis zum 29. September soll zwischen den beiden Städten ein Ersatzverkehr mit Bussen fahren. Ab dem 30. September bis 22. November entfällt dann der Halt am Hamburger Hauptbahnhof. Züge werden stattdessen zwischen Hamburg-Harburg und Schwerin Hbf umgeleitet.
  • Vom 16. August bis 6. September wird die Bahnstrecke zwischen Hamm und Hannover vollständig gesperrt.
  • Die nächste Generalsanierung auf der Strecke zwischen Hamburg und Berlin steht bereits ab Juni 2025 an. Bis April 2026 soll die 280 Kilometer lange Schnellstrecke gesperrt und zu einem "Hochleistungskorridor" ausgebaut werden.
  • Auf der Strecke Lübeck-Hamburg erfolgt ab 2027 die Sanierung von Weichen, Gleisen und der Leit- und Sicherungstechnik. Zudem werden mehrere Bahnhöfen aufgewertet.
  • Auf der Schnellfahrstrecke zwischen Berlin und Lehrte bei Hannover sollen 2027 Gleise und Weichen erneuert sowie mehrere Bahnhöfe modernisiert werden. Auch zwischen Bremerhaven und Bremen soll dann gebaut werden.
  • Ab 2028 werden auf der Strecke Bremen-Hamburg unter anderem umfangreiche Arbeiten an der Leit- und Sicherungstechnik umgesetzt.
  • Im selben Jahr soll auf der Strecke Nordstemmen-Göttingen unter anderem der Untergrund verbessert werden.
  • Auch im "Ostkorridor Nord" sollen 2028 auf den Strecken Uelzen-Stendal und Stendal-Magdeburg Baumaßnahmen umgesetzt werden.
  • Ab 2029 steht auf der Strecke Hamburg-Hannover die Modernisierung von Bahnhöfen, Gleisen, Weichen und Technik an. Auch zwischen Bremen und Wunstorf sowie zwischen Lehrte und Groß-Gleidingen stehen Arbeiten an.
  • 2030 sollen die Strecken Bremen-Osnabrück, Osnabrück-Münster, Münster-Recklinghausen, Minden-Wunstorf und Weddel-Magdeburg modernisiert werden.

Die Bauwirtschaft vermisst langfristige finanzielle Zusagen aus der Politik und kritisiert, dass der Zeitplan zu kurz ist. Die Unternehmen könnten bis heute keine realistische Zeitplanung machen, so Tim-Oliver Möller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie. Auch wenn die jetzt gesperrte Strecke Frankfurt-Mannheim gut geplant sei: Anderen Projekten fehle die Finanzsicherheit, sagt Christian Böttger von der HTW Berlin. Der Fahrgastverband Pro Bahn begrüßt die Initiative. Die Sanierung gehe "am schnellsten, wenn an allen Gleisen der Strecke gearbeitet wird und die Arbeiten nicht durch am parallelen Gleis vorbeifahrende Züge eingeschränkt werden müssen", so Karl-Peter Naumann von Pro Bahn gegenüber tagesschau.de.

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NDR Info | NDR Info Hintergrund | 15.07.2024 | 17:30 Uhr