Ein Mann sitzt am Steuer eines VW E-Autos.

Niedersachsen E-Autos von VW unter der Lupe: Das sind Stärken und Schwächen

Stand: 06.12.2024 14:14 Uhr

Zu spät, zu teuer, zu wenig innovativ: Volkswagen muss beim Thema Elektromobilität viel Kritik einstecken - und der Absatz der E-Autos stockt. In Tests zeigt sich, wo sich die Wolfsburger besonders schwertun.

Es ist ein grauer Novembertag, als Paul Englert den ebenfalls grauen ID.3 GTX Performance durch die Stuttgarter Innenstadt steuert. Hunderte Autos hat der Chef-Testfahrer von "Auto Motor und Sport" in seinem Berufsleben schon unter die Lupe genommen. Zuletzt immer häufiger Elektroautos. "Wir behandeln jedes Fahrzeug gleich, egal, ob Verbrenner oder Elektroauto", erklärt er. "Es geht bei uns um die Themen Karosserie, Komfort, Fahrsicherheit, aber auch um die Kosten- und Umweltbilanz, all diese Dinge spielen in den Test mit rein." Mehr als 200 Kriterien gebe es insgesamt, mit sieben weiteren Kollegen hat er den ID.3 getestet.

Stärken von Volkswagen: Sicherheit, Lenkung, Bremsen

Der ID.3 ist nach den etwas größeren ID.4 und ID.5 das meistverkaufte VW-Elektroauto. Insgesamt hat der Volkswagen-Konzern in diesem Jahr bis Ende September gut 506.500 Elektro-Autos verkauft - knapp fünf Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Paul Englert weiß das. An der E-Mobilität scheiden sich die Geister. Und wie ist sein Fahrgefühl im ID.3? "Typisch für ein E-Auto, man ist flott unterwegs. Was das Fahren angeht, hat VW nie Probleme gehabt", sagt er, "das beherrscht VW. Sicherheit, Lenkung, Bremsen, da sind sie eine der Messlatten im Autobau." In anderen Bereichen musste VW allerdings dazulernen, schmerzhaft dazulernen. "Das betrifft vor allem die Software", so Englert.

Paul Englert sitzt am Steuer eines VW E-Autos.

Paul Englert hat den ID.3 für die Zeitschrift "Auto Motor und Sport" getestet.

Problemkind Software: VW musste dazulernen

Als die Redaktion von "Auto Motor und Sport" vor rund vier Jahren den ersten ID.3 für Testfahrten bekam, war die Enttäuschung groß. Es gab Software-Ausfälle, auch die Verarbeitungsqualität entsprach nicht dem gewohnten Standard. Die Kritik fiel entsprechend hart aus. Und heute? Paul Englert tippt auf den 15 Zoll großen Touchscreen. "Wir haben hier eine neue Hardware und eine neue Software dahinter. Wir haben keine Software-Ausfälle mehr erlebt. Im Großen und Ganzen funktioniert es jetzt so, wie es vom ersten Moment an hätte funktionieren können."

"Tanzende" Elektroautos in China

Volkswagen habe eine steile Lernkurve hingelegt. Das Problem: Die Wettbewerber haben in der Zeit auch nicht geschlafen, vor allem die chinesischen nicht. Auf der Automesse in Shanghai zeigten einige von ihnen zuletzt Fahrzeuge, die zum Rhythmus der Musik "tanzen" und sich auf der Stelle drehen konnten. Keine zwingenden Eigenschaften für ein alltagstaugliches Elektroauto - aber innovativ allemal. Für VW ist die neue, vom chinesischen Staat subventionierte Konkurrenz ein riesiges Problem: Der deutsche Autobauer verliert drastisch an Marktanteil. Lag er bei den Verbrennern nach Konzernangaben noch bei 20 Prozent, sind es bei den E-Autos nur fünf Prozent.

Europäische Hersteller bei Themen wie Sicherheit weit vorn

Und in etwa zwei Jahren wird die chinesische Konkurrenz verstärkt nach Europa drängen. In Stuttgart lässt sich das jetzt schon beobachten: In bester Lage befindet sich ein Autohaus des chinesischen Herstellers BYD. Paul Englert lenkt den ID.3 an der großen gläsernen Fassade vorbei. "Ich höre immer wieder, dass die chinesischen Autobauer so innovativ seien. Aber bei unseren Tests kann ich das nicht feststellen", erklärt der 40-Jährige. "Auch die Software ist nicht immer top. Aber vor allem bei den Themen Sicherheit, Fahrwerk, Komfort, Lenken, Bremsen, all diesen Tugenden, die ja zu einem Auto gehören, da sind sie noch weit entfernt von Volkswagen und anderen deutschen und europäischen Herstellern."

Birgit Priemer ist die Chefredakteurin von Auto Motor und Sport

Der neue ID.3 GTX Performance von Volkswagen.

Chinesische Hersteller dominieren Batteriemarkt

Einen deutlichen Vorsprung haben die Chinesen allerdings in einem anderen Bereich: bei der Batterie. Die Mehrheit der Elektroautos auf den Straßen ist weltweit mit chinesischen Batterien unterwegs. Als einziger deutscher Hersteller plant Volkswagen aktuell eine große Batteriefabrik hierzulande. In Salzgitter sollen ab Ende kommenden Jahres Batteriezellen produziert werden. Expertinnen und Experten aus China helfen beim Aufbau der Produktionslinien - in der alten Verbrenner-Welt war es genau umgekehrt. Die Herausforderung ist jedenfalls riesig. Wie gut Volkswagen aktuell voran kommt, lässt sich nur schwer beurteilen, ein Medientermin im Herbst etwa wurde abgesagt.

Wie schnell lässt sich die Batterie laden?

Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist vor allem interessant, wie schnell sich die Batterien aufladen lassen. "Wir haben bei diesem ID.3 gemessen, dass er innerhalb von acht Minuten 100 Kilometer aufladen kann", sagt Paul Englert, während er in die Tiefgarage unter der Redaktion in eine Parklücke fährt. Und haltbarer als gedacht seien die Batterien auch, das zeigten Langzeit-Auswertungen. Sein Fazit: Er ist zufrieden mit dem ID.3. Nur beim Design könne sich VW mehr trauen.

Forderung nach günstigem Elektroauto

Birgit Priemer ist die Chefredakteurin von Auto Motor und Sport

Birgit Priemer sieht als größte Herausforderung für VW, ein günstiges Modell für die breite Masse auf den Markt zu bringen.

Noch etwas sei wichtig, ergänzt Birgit Priemer, Chefredakteurin von "Auto Motor und Sport": "Die größte Herausforderung ist, Autos zu fertigen, die bezahlbar sind. Für eine Marke wie VW, die die breite Masse ansprechen will, ist es wichtig, ein Angebot zu konkurrenzfähigen Preisen im Portfolio zu haben." Der ID.3 GTX Performance aus dem Test etwa koste rund 55.000 Euro. Aber: VW habe gerade erst die Preise gesenkt, den ID.3 gebe es mit weniger PS und weniger Extras jetzt bereits ab 30.000 Euro. Viele Menschen erwarten allerdings ein noch deutlich günstigeres Modell. VW will nachlegen - zunächst mit dem ID.2, der Anfang 2026 auf den Markt kommen soll.