Niedersachsen Schäden durch Biber-Boom: Bauern beißen (noch) die Zähne zusammen
Die Biber im Landkreis Göttingen breiten sich weiter aus. Während sie für die Artenvielfalt wertvoll sind, stellen sie die Landwirtschaft vor erste Herausforderungen.
Im Landkreis Göttingen hinterlassen Biber immer deutlicher ihre Spuren. Seit sieben Jahren breiten sich die geschickten Baumeister kontinuierlich aus. "Die Biber haben im Landkreis bereits 30 Weiden gefällt, und durch ihre Dämme entstehen teilweise Stauhöhen von bis zu zwei Metern", erklärt Biologe Bertram Preuschhof. Was im östlichen Landkreis begann, hat mittlerweile auch den Raum Hann. Münden erreicht. Entlang der Leine, des Leinekanals und der Grone zeigen zahlreiche Fraßspuren und umgestürzte Bäume die Präsenz der Tiere. Besonders auffällig: Mit der sogenannten Sanduhrtechnik nagen die Tiere rund um den Baumstamm, bis der Baum fällt.
Die Rückkehr des Bibers: Ein Sieg für den Naturschutz
Der Europäische Biber (Castor fiber) ist ein Paradebeispiel für erfolgreichen Naturschutz. Einst in weiten Teilen Europas nahezu ausgerottet, hat er sich durch Schutzmaßnahmen und gezielte Auswilderungen erholt. Heute leben in Niedersachsen etwa 1.000 Biber - Tendenz steigend. Die bis zu 31 Kilogramm schweren Tiere spielen eine entscheidende Rolle im ökologischen Kreislauf. "Ihre Dämme schaffen neue Lebensräume für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten", erklärt Preuschhof. Sie fördern die Artenvielfalt, indem sie Feuchtgebiete und Rückzugsräume für Amphibien, Vögel und Insekten schaffen. Gleichzeitig wirken die Biber positiv auf die Wasserqualität, indem sie Ablagerungen zurückhalten und den Wasserfluss regulieren.
Der Biologe Bertram Preuschhof begutachtet Fraßspuren und umgestürzte Bäume.
Naturschutz vs. Nutzflächen: Wenn Biber für Probleme sorgen
Doch nicht alle freuen sich über die Rückkehr der Biber. Denn die Dämme können Siedlungen und landwirtschaftliche Flächen beeinträchtigen. "Meine Wiese stand wochenlang unter Wasser", berichtet Markus Ditges, Landwirt aus Landolfshausen. Etwa 15 Prozent seiner Nutzfläche seien durch die Aktivitäten der Biber gefährdet. "Wenn meine Felder überflutet sind, verkümmert das Getreide. Das bedeutet erhebliche Ernteverluste", so Ditges.
Vom Fluss ins Stadtgebiet: Verkehrssicherheit in Gefahr
Mit der wachsenden Population bewegen sich die Biber immer näher an die Innenstädte. In der Stadt Göttingen sind seit 2022 zunehmend Fraßspuren an diversen Sträuchern und Bäumen entlang der Leine und ihrer Nebenflüsse zu finden. Laut Niklas Rehm von der Stadt Göttingen birgt dies Risiken für die Verkehrssicherheit: "Stark angenagte Bäume können bei Wind umstürzen und auch teilweise benagte Bäume verlieren langfristig an Stabilität." Mit der wachsenden Population wird erwartet, dass sich diese Herausforderungen verschärfen.
Mit der "Sanduhrtechnik" nagen Biber rund um den Baumstamm, bis der Baum fällt.
Maßnahmen zum Schutz von Mensch und Tier
Um die Gefahren durch die Biber zu minimieren, ergreifen Stadt und Landkreis eigenen Angaben zufolge umfassende Maßnahmen. Angefressene Bäume werden regelmäßig auf ihre Sicherheit überprüft. Wenn nötig, werden sie entfernt oder mit Drahtgittern gesichert. Bäume, die nicht im städtischen Besitz sind, werden den Eigentümern gemeldet. "Wir überwachen die betroffenen Gebiete kontinuierlich, um potenzielle Gefahren frühzeitig zu identifizieren und gezielt zu reagieren", erklärt Niklas Rehm. Zudem bietet die Stadt den Tieren alternative Nahrungsquellen - etwa Äste, die bei Baumpflegearbeiten anfallen. So soll verhindert werden, dass die Biber schützenswerte Bäume weiter beschädigen.