Niedersachsen Streichpläne des Bundes bringen Jobcenter unter Druck
Nach dem Ampel-Aus ist ungewiss, ob der Bundeshaushalt noch 2024 verabschiedet wird. Allerdings birgt der Entwurf eine Menge Zündstoff. Er sieht massive Kürzungen bei der Finanzausstattung von Jobcentern vor.
Die geplanten Einschnitte bei Hilfen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt sind empfindlich. Bei der Integration von Geflüchteten oder der Unterstützung von Langzeitarbeitslosen fehlt künftig das Geld - auch in der Region Hannover. Eingliederung in den Arbeitsmarkt - was so sperrig klingt, entscheidet nicht selten über Lebenswege von Menschen und ihren Familien. Es geht um Praktika für Umsteiger bis hin zum Familien-Coaching und Psychotherapie für schwer Vermittelbare und Langzeitarbeitslose. Es geht darum, Geflüchtete in Arbeit zu bringen und dem Arbeitsmarkt die dringend benötigten Fachkräfte zuzuführen.
Kein Geld für Integration von Geflüchteten
Das Jobcenter der Region Hannover ist nach eigenen Angaben das zweitgrößte der Republik. Hier sind rund 110.000 Menschen registriert, die Bürgergeld empfangen. Ein Großteil sind Ausländer ohne deutsche Staatsangehörigkeit, darunter viele Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Sie können vielfach kaum Deutsch und haben einen hohen Beratungsbedarf. Eigentlich wollte die Bundesregierung diese Menschen mit einem "Jobturbo" schnell in den Arbeitsmarkt integrieren. Als Bürgergeldempfänger haben sie seit April 2022 Anspruch auf Sprach- und Integrationskurse. Doch dafür ist mit dem Haushaltsentwurf des Bundesfinanzministers im kommenden Jahr so gut wie kein Geld mehr vorhanden. Ob nach dem Aus der Ampel ein neuer Finanzminister mehr Geld bewilligt, ist unsicher.
Ein Viertel weniger Geld in 2025?
Die Einsparpläne betreffen alle Jobcenter in Deutschland. Allein dem Jobcenter der Region Hannover würden demnach rund 28 Millionen Euro weniger für Integrationshilfen auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Das ist fast ein Viertel weniger an Geld und ginge zu Lasten von einem Drittel der bisher geförderten Maßnahmen.
Weniger Menschen könnten aus Langzeitarbeitslosigkeit finden
Geschäftsführerin Ana Paula Büsse macht sich darauf gefasst, einen Großteil an Hilfen einstampfen zum müssen: "Das heißt konkret, dass wir im nächsten Jahr bis zu 30 Prozent weniger Unterstützungsmöglichkeiten haben für die Menschen, mit denen wir hier arbeiten in der Region Hannover." Dabei gehe es nicht um Geld für den Lebensunterhalt. Aber alle Hilfen, mit denen Menschen kleinschrittig an eine Tagesstruktur und Arbeit herangeführt würden, fielen weg. Damit blieben mehr Menschen in der Langzeitarbeitslosigkeit. In der Region Hannover zählt das Jobcenter etwa 35.000 Menschen, die schwer vermittelbar sind und intensive Unterstützung benötigen.
Geschäftsführerin Ana Paula Büsse fürchtet, dass durch die Sparmaßnahmen mehr Menschen in der Langzeitarbeitslosigkeit bleiben.
Erfolgreiches Familien-Coaching vor dem Aus
Angesichts der zu erwartenden Einschnitte warnt Büsse vor den sozialen Folgen. Die Jobcenter hätten es immer mehr mit komplexen Problemlagen ihrer Klientel zu tun, mit Menschen, die gebrochene Lebensläufe hätten und intensiv begleitet werden müssten. Dabei, betont Büsse, engagierten sich ihre Mitarbeiter mit Herzblut und viel Kompetenz. Nun sieht sie sich gezwungen, das erfolgreiche Familien-Coaching einzustellen, ein intensives Betreuungsprogramm, das bisher ganze Familien bei Sucht, Schulden und Schulproblemen gefördert hat. Das Ziel des Projekts: der "Vererbung von Bedürftigkeit" von Eltern an ihre Kinder entgegenzuwirken. Das Modell war ein Pilotprojekt des Jobcenters der Region Hannover und hatte bundesweit Schule gemacht.
Die Beratung des "Familien-Coaching-Center" beim Jobcenter steht vor dem Aus.
"Jobcenter sichern sozialen Frieden" in Deutschland
Ana Paula Büsse erkennt in der Politik wenig Anerkennung für die Arbeit der Jobcenter. Dabei übernähmen diese inzwischen vielfach Aufgaben der Sozialarbeit, weit über die Jobvermittlung hinaus: "Ich wünsche mir, dass die Arbeit der Jobcenter endlich als das gewertschätzt wird, das sie ist: nämlich ein Beitrag zu Sicherung des sozialen Friedens in der Bundesrepublik."
Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften befürchten sozialen Kollaps
Unterdessen hat ein breites Bündnis aus niedersächsischen Gewerkschaften, Arbeitsloseninitiativen und Wohlfahrtsverbänden eine Resolution für eine angemessene Finanzierung der Jobcenter verfasst. Das Bündnis warnt: "Die Funktionsfähigkeit des Sozialstaats und der soziale Friede stehen kurz vor dem Kollaps." Und das Bundesnetzwerk für Arbeit und soziale Teilhabe mahnt: "Jeder Euro, der in Eingliederungshilfen investiert wird, spart dem Staat in der Folge höhere Kosten."