Niedersachsen Verkalkuliert? Das Millionen-Problem der Meyer Werft
Die staatlich gerettete Meyer Werft muss bei wichtigen Projekten offenbar mit deutlich höheren Kosten fertig werden als ursprünglich geplant. Unter anderem gestiegene Transport- und Materialkosten schmälern den Gewinn bei einigen Projekten der Werft.
An der "Sanierungsfähigkeit" ändere das aber nichts, so das Land. Nach NDR Informationen geht es um 185 Millionen Euro, die an zusätzlichen ungeplanten Kosten auf die Meyer Werft zukommen. Das Land Niedersachsen hat im Oktober von dem Problem erfahren - wenige Wochen, nachdem es die Werft gemeinsam mit dem Bund vor der Pleite gerettet hatte. Darüber hatte zuerst die "Neue Osnabrücker Zeitung" berichtet. Rund 400 Millionen Euro Steuergeld sind in die Werft geflossen, hinzu kamen Bürgschaften in Milliardenhöhe. Die Werft gilt mittlerweile als teilverstaatlicht, das Land Niedersachsen sitzt mit im neu gegründeten Aufsichtsrat.
Zusätzliche Kosten wurden kurz nach Staatseinstieg bekannt
Wenn das Aufsichtsgremium demnächst zum ersten Mal tagt, wird es sich sicher auch mit dieser Frage befassen: Wie kann es sein, dass ein 185-Millionen-Euro-Kostenblock im Oktober bekannt wird - bis September aber offenbar noch nichts davon in den Büchern der Werft zu finden war? Die maßgeblichen Verträge für den Einstieg des Landes wurden am 13. September 2024 unterzeichnet. Grundlage für diesen Schritt war ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte, demzufolge die Werft "sanierungsfähig" sei.
Land: Werft weiterhin "sanierungsfähig und -würdig"
Aus dem Wirtschaftsministerium heißt es, dass sich an dieser Einschätzung bis heute nichts geändert habe. "In seiner Kernaussage trifft das Ergebnis des Sanierungsgutachtens weiter zu: Die Werft ist sanierungsfähig und -würdig", so ein Sprecher. Klar ist allerdings, dass die bis Oktober unbekannten Kosten in Millionenhöhe eine schlechte Nachricht für das Land sind. Gemeinsam mit der neuen Geschäftsführung der Werft will die Landesregierung in der nächsten Zeit aufarbeiten, warum die 185 Millionen Euro erst so spät auftauchten. Fragen werden sich in dem Zusammenhang sicher sowohl an die alte Werft-Spitze, als auch an die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte richten.
"Fall für die Prüfung von Schadenersatz"
Christoph Schalast, Professor für Unternehmensübernahmen an der Frankfurt School of Finance and Management, hat die Rettung der Werft mit Steuergeld von Anfang an kritisch gesehen. In seiner Analyse der jetzigen Lage ist er eindeutig: "Bei einer normalen Unternehmens-Übernahme in der Wirtschaft wäre das ein Fall für die Prüfung von Schadenersatz", stellt er klar. Denn: "Die Meyer Werft hätte alle ihr bekannten Zahlen offenlegen und Risiken benennen müssen - insbesondere vor dem Einstieg von Bund Land." Jetzt gibt es viele offene Fragen.
Werft als Verkäufer muss alle relevanten Umstände offenlegen
Wem ist jetzt in erster Linie ein Vorwurf zu machen? Der Werft, weil sie möglicherweise nicht alle Zahlen offengelegt hat? Den Wirtschaftsprüfern, weil sie vielleicht nicht gründlich genug geprüft haben? Dem Land, weil es gegebenenfalls gar nicht alles so genau wissen wollte, da die Rettung von vornherein feststand? Oder sind die 185 Millionen Euro in Wahrheit gar kein Problem? "Beratern kann immer ein Vorwurf gemacht werden, wenn Sie etwas übersehen beziehungsweise unrichtig eingeschätzt haben", sagt Schalast. "Aber vorliegend geschah alles unter enormem Zeitdruck. Der Verkäufer ist nach der Rechtsprechung aber immer verpflichtet, alle relevanten Umstände offenzulegen."
Werft: Finanzieller Sicherheitspuffer wurde eingebaut
Ein Sprecher der Meyer Werft wehrt sich gegen den Eindruck, Produktionsplanungen seien finanziell aus dem Ruder gelaufen. Im Schiffbau könne es immer zu Kostenanpassungen kommen, das sei berücksichtigt worden. "Vor diesem Hintergrund wurde in der Planung ein umfangreicher finanzieller Sicherheitspuffer eingebaut, um von vornherein mögliche Planabweichungen aufzufangen." Mit Blick in die Zukunft sagt Übernahme-Experte Schalast: "Wenn die Werft erfolgreich sein will, muss sie auf jeden Fall Risiken realistisch, nachvollziehbar und transparent bewerten und einpreisen."
Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Hallo Niedersachsen | 07.01.2025 | 19:30 Uhr