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Nordrhein-Westfalen Gruppenvergewaltigungen: Was bringen die Vornamen der Tatverdächtigen?

Stand: 06.09.2024 11:43 Uhr

Etwa sechs Prozent der Vergewaltigungen in NRW geschahen 2023 in Gruppen. Die AfD erfragte die Vornamen der deutschen Verdächtigen.

3.383 Vergewaltigungen registrierte die Polizei in NRW im vergangenen Jahr. 209 Fälle davon könnten "Gruppenvergewaltigungen" gewesen sein. "Könnten" deshalb, weil Gruppenvergewaltigung eigentlich kein feststehender juristischer Begriff ist. Für eine Sonderauswertung auf Anfrage der AfD hatte die Landesregierung daher die Fälle zusammengezählt, an denen mehr als ein Tatverdächtiger beteiligt waren.

Gruppenvergewaltigung: Debatte über Zahl und Herkunft der Tatverdächtigen

Im Vergleich zum Jahr 2022, als noch 246 Fälle registriert wurden, sank diese Quote um mehr als 17 Prozent.

Im Jahr 2023 gab es 209 Fälle einer Gruppenvergewaltigung und 155 Tatverdächtige. 84 der ermittelten Tatverdächtigen haben keinen deutschen Pass. Darunter elf Syrer, acht Kosovaren und sieben Afghanen. 71 Tatverdächtige - darunter auch einige Frauen - sind deutsche Staatsbürger. Aufgelistet hat das Ministerium auf Anfrage der AfD auch die Vornamen dieser deutschen Tatverdächtigen. 25 davon können als türkische oder arabische Namen gelesen werden.

AfD: "Erschreckende Entwicklung"

Die AfD im NRW-Landtag sprach in der Anfrage von "dramatischen Zahlen" und einer "erschreckenden Entwicklung".

Im Januar hatte die AfD bereits auf Bundesebene in einer Kleinen Anfrage nach der Zahl der Gruppenvergewaltigungen und der ausländischer Tatverdächtiger gefragt. Die Statistik des Bundeskriminalamts für 2022 zeigten damals auf, dass die Zahl der Sexualverbrechen insgesamt stark zugenommen hat, am deutlichsten bei deutschen Tatverdächtigen.

Wo die meisten Taten geschehen und wer die Opfer sind - darüber geben all diese Zahlen keine Auskunft.

"Über echte Faktoren für Kriminalität reden"

Für Dirk Baier, den Soziologen und Leiter des Instituts für Delinquenz und Kriminalprävention in Zürich, ist die Liste der Vornamen wenig aussagekräftig. Aus den Namen der Tatverdächtigen Schlüsse zum Thema Migration abzuleiten, wie es die AfD tut, finde er schwierig, sagte er im WDR-Interview. "Wir reden hier ja nicht über Flüchtlinge." Viele dieser Personen seien höchstwahrscheinlich in Deutschland geboren, hier aufgewachsen, hätten ihre Sozialisation also in Deutschland erlebt. "Von daher sind sie auch als Deutsche zu werten."

Niemand leugne, "dass es Probleme mit bestimmten Migrantengruppen gibt", sagt Baier. "Wir müssen aber davon wegkommen, über Staatsangehörigkeit und Migrationshintergrund zu reden. Wir müssen über die echten Faktoren von Kriminalität reden: Bestimmte Werthaltungen, bestimmte Männlichkeitsnormen zum Beispiel."

"Wir haben ein Problem mit Männlichkeit"

Ähnlich sieht das auch Cihan Sinanoğlu, der Leiter des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung. "Wenn ich so eine Aufschlüsselung sehe, würde ich sagen, wir haben ein Problem mit Männlichkeit", sagt er im Interview mit dem WDR. "Mit falsch verstandener Männlichkeit, mit Dominanz und Machtverhältnissen in Ehen, Beziehungen, aber auch darüber hinaus."

Seiner Meinung nach versuche die AfD mit ihrer Anfrage im Landtag Deutsche von Nicht-Deutschen zu trennen und das mit Kriminalität und mit bestimmten Verhaltensweisen zu begründen. "Und diese Verbindung zwischen Eigenschaften und Herkunft bezeichnen wir als Rassismus", sagt Sinanoğlu.

"Männlichkeitsbilder in Frage stellen"

So werde eine Fremdheit konstruiert, "die eigentlich gar nicht da ist", sagt Soziologe Dirk Baier. Statt potentiellen Opfern gute Ratschläge zu geben, wie sie sich vor einer Vergewaltigung schützen, sei es wichtiger, die wahren Ursachen kriminellen Verhaltens zu ergründen, "Täterschaft zu verhindern", so der Soziologe: Dass manche junge Männer der Meinung seien, "sich nehmen zu können, was sie wollen, dass sie über Frauen stehen". Man müsse bestimmte Männlichkeitsbilder in Frage stellen, Erfahrungen auf der Flucht mit einbeziehen und wie die Personen als Kind erzogen wurden. "Wenn wir das angehen, könne wir in den Köpfen etwas ändern - statt nur auf Vornamen und Staatsangehörigkeiten zu schauen."

In einer früheren Fassung dieses Beitrags war die Rede von 209 Tatverdächtigen, von denen 138 keinen deutschen Pass haben. Diese Zahlen sind falsch. Richtig ist: Es waren im Jahr 2023 insgesamt 209 Fälle von Gruppenvergewaltigung mit 155 ermittelten Tatverdächtigen. Von denen haben 84 keinen deutschen Pass. Wir haben das entsprechend korrigiert.