Nordrhein-Westfalen Viele weitere Tote in überfluteten Tiefgaragen in Spanien befürchtet
Nach der Flutkatastrophe in Spanien suchen die Rettungskräfte weiter nach zahlreichen Vermissten. Gleichzeitig gibt es immer wieder neue Unwetter auch im Krisengebiet.
Mehr als 210 Menschen haben bei der wohl schlimmsten Flutkatastrophe in Spanien seit Jahrzehnten ihr Leben verloren, das sind die Zahlen bisher. Und die Behörden rechnen mit vielen weiteren Todesopfern. Verkehrsminister Oscar Puente erklärte am Montag, die Rettungskräfte hätten zuerst "die besser zugänglichen" Orte "an der Oberfläche" abgesucht. Es gebe aber noch viele überflutete Erdgeschosse, Keller und Tiefgaragen, die noch nicht abgesucht worden seien. Es sei davon auszugehen, "dass sich dort noch Tote befinden".
In den Straßen von Valencia türmen sich Autos
Dramatisch ist die Lage vor allem im Parkhaus des Einkaufszentrums Bonaire in Aldaia, einer Stadt mit 31.000 Einwohnern westlich der Küstenmetropole Valencia. Fast die Hälfte der 5.700 Parkplätze liegt im Tiefgeschoss, das sechs Tage nach der Flut immer noch komplett unter Wasser steht. "Wir wissen nicht, was wir finden werden", sagte Aldaias Bürgermeister Guillermo Luján im Sender TVE. Er befürchte aber "Schreckliches".
In den vergangenen Tagen hatten Rettungskräfte und Soldaten zahlreiche Pumpen installiert, um das Wasser aus der Tiefgarage zu pumpen. Auch Taucher waren bereits im Einsatz, Leichen haben sie bisher aber nicht entdeckt. Auch in anderen Städten, wie etwa in Alfafar im Großraum Valencia, stehen noch Tiefgaragen unter Wasser. Die genaue Zahl der Vermissten ist noch unklar.
Königspaar mit Schlamm beworfen
Spanischer König Felipe IV. wird bei seinem Besuch in SPanien mit Schlamm beworfen
Am Sonntag hatte sich die Wut und Verzweiflung der Menschen bei einem Besuch des spanischen Königspaares im Katastrophengebiet entladen. König Felipe VI. und seine Frau Letizia wurden in Paiporta von aufgebrachten Menschen mit Schlamm beworfen. Auch Regierungschef Pedro Sánchez und Valencias Regionalpräsident Carlos Mazón wurden niedergebrüllt. König Felipe erklärte später in einer Videobotschaft, er verstehe "den Ärger und die Frustration" der Flutopfer. Auch Sánchez betonte, er habe Verständnis für die "Angst und das Leid" der Betroffenen.
Die bemühen sich unterdessen, ihre Städte und Dörfer von den schlimmsten Schäden zu befreien. Nach der Flutkatastrophe sind außerdem Tausende Freiwillige in die verwüstete Region Valencia gekommen, um zu helfen. Zu tun gibt es viel: Zahlreiche Dörfer sind nach wie vor von einer Schlammdecke überzogen, in den Straßen liegen übereinander getürmte Autos, Möbel sowie sonstiger Hausrat. Das alles muss wieder weg. Außerdem versorgen Freiwillige im Katastrophengebiet Menschen mit Essen.
Neue Unwetter: Bahnverkehr im Großraum Barcelona eingestellt
Wegen neuer starker Regenfälle galt in Teilen der Region Valencia am Sonntagabend erneut Alarmstufe rot. Am Montag hob der spanische Wetterdienst die Unwetterwarnung für Valencia aber auf. Stattdessen wurde für Teile der Region Katalonien weiter nördlich wegen sintflutartiger Regenfälle zwischenzeitlich die höchste Alarmstufe ausgerufen. Der Bahnverkehr im Großraum Barcelona wurde eingestellt, am Flughafen El Prat wurden dutzende Flüge gestrichen oder umgeleitet. In Barcelona und umliegenden Städten standen auch etliche Straßen unter Wasser.
Nach Aussage der WDR-Wetterredaktion könnte es noch einige Zeit dauern, bis die Unwettergefahr für die betroffenen Gebiete gebannt ist. "Die spanische Mittelmeerküste ist weiterhin von Regenfällen betroffen", sagte WDR-Meteorologe Jürgen Vogt am Montag.
Auf den völlig durchnässten Böden könne das Wasser nicht mehr versickern. Deshalb drohten auch weiterhin lokale Überschwemmungen. "Die Entwicklung ist noch unsicher", meint Vogt, "aber ein Schwerpunkt könnte im Lauf der Woche wieder von den Balearen bis an die spanische Küste liegen - ein weiterer entlang der italienischen Westküste von der Toskana bis nach Sizilien." Dann könnte es auch wieder in Touristengebieten wie Mallorca kritisch werden.
Wetterphänomen "Dana"
Auslöser für die Unwetter war das Wetterphänomen "Dana" oder "Kalter Tropfen" (gota fría). Es tritt in der spanischen Mittelmeer-Region in den Monaten September und Oktober häufig auf und basiert auf stark schwankenden Temperaturen von Meer und Luft. Das Phänomen entsteht, wenn sich die ersten atlantischen Tiefausläufer mit feuchtkalter Luft über das warme Mittelmeer schieben.
Neben Valencia waren von Dana auch andere beliebte Urlaubsregionen am Mittelmeer wie Andalusien und Murcia betroffen. Ebenso wie Kastilien-La Mancha im Landesinneren. Am Freitag hatte das Tiefdruckgebiet auch Mallorca erreicht und die Insel mit ersten heftigen Schauern überzogen.
Kritik an Politik und Einsatzkräften
Auch in Massanassa waten Helfer durch die von Schlamm überspülten Straßen
In Spanien gibt es seit den Unwettern heftige Kritik an Politik und Einsatzkräften. In vielen Orten fühlten sich die Menschen alleingelassen, weil in den ersten Stunden und Tagen nach den Unwettern keine staatliche Hilfe vor Ort war. Zudem gibt es Kritik, dass die Regionalregierung Valencia die Warnungen des Wetterdienstes AEMET zu spät an die Bevölkerung weitergegeben habe.
Folgenschwerste Überschwemmungen seit Jahrzehnten
Bereits 1996 und 2007 hatte es in Spanien verheerende Überschwemmungen gegeben, die jetzige Unwetterkatastrophe ist jedoch die folgenschwerste in Europa seit Jahrzehnten. In Rumänien waren 1970 bei Überschwemmungen 209 Personen gestorben, drei Jahre zuvor forderten die Fluten in Portugal fast 500 Menschenleben.
Ruhiges Herbstwetter in NRW
Während in Spanien die Unwetter nicht nachlassen wollen, herrscht in NRW insgesamt ruhiges Herbstwetter. Laut Meteoroge Vogt gibt es einen Zusammenhang zwischen der Wetterlage bei uns und in Südeuropa. "In der Wetterlage über Europa ist aktuell sehr wenig Bewegung, das heißt Hoch- und Tiefdruckgebiete verlagern sich kaum. Das hat zur Folge, dass bei uns in NRW das ruhige Herbstwetter anhält - und sich über dem Mittelmeer weitere Unwetter bilden werden."
Unsere Quellen:
- Nachrichtenagenturen dpa, AP, AFP und Reuters
- Social-Media-Plattform "X"
- WDR-Wetterredaktion
- Agencia Estatal de Meteorología
- WDR-Wetterredaktion