Nordrhein-Westfalen OVG-Besetzungsverfahren wird neu aufgerollt
NRW-Justizminister Limbach kündigte ein neues Besetzungsverfahren für den seit vier Jahren vakanten Posten der OVG-Leitung an.
Seit vier Jahren ist die Leitung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in NRW nicht besetzt, seit Jahren gibt es juristischen und politischen Streit um die Nachbesetzung. Nun wird das Besetzungsverfahren neu aufgerollt. Das kündigte am Freitag NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) an. Am Vortag war bekannt geworden, dass das NRW-Innenministerium eine für das Verfahren zentrale Beurteilung der Kandidatin, die am Ende den Zuschlag vom Kabinett erhalten hatte, zurückgezogen hatte.
Limbach spricht von "beachtlichem Fehler"
In Düsseldorf sagte der Justizminister: "Bei der Beurteilung einer Bewerberin hat es einen beachtlichen Fehler gegeben, der wirft uns zeitlich zurück. Das ist ärgerlich." Am Vortag hatte die Staatssekretärin im Innenministerium, Daniela Lesmeister, die Rückziehung der umstrittenen Beurteilung noch mit einem möglichen "Formfehler" begründet. Lesmeister hatte nach nur zwei Monaten im Amt eine Beurteilung mit Bestnoten für die Kandidatin, eine Abteilungsleiterin im Innenministerium, ausgestellt.
Ein von der SPD und FDP beauftragtes Gutachten, das dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss "OVG-Besetzung" vorlag, war zu dem Schluss gekommen, dass Lesmeister auch ihren Vorgänger im Amt für die Beurteilung hätte einbeziehen müssen.
Erklärung für die Wende der Landesregierung
Limbach erklärte, wie es zu der für die Öffentlichkeit überraschenden Wende im Besetzungsverfahren gekommen ist: Das OVG hatte die Landesregierung darauf hingewiesen, dass die Beurteilung der Kandidatin aus dem November 2022 nicht auf eine hinreichende Tatsachengrundlage gestützt worden sein dürfte - ein erforderlicher Beurteilungsbeitrag sei nicht eingeholt worden. Das Gericht ist wegen der Klage eines unterlegenen Bewerbers auch juristisch mit der Causa befasst.
Die Landesregierung sei vom Gericht zu einer Stellungnahme aufgefordert worden mit der Fristsetzung Freitag (15.11.2024). Daraufhin habe das Innenministerium am Montag die Beurteilung zurückgezogen.
Formale Aufhebung folgt bald
Das Kabinett werde auf seiner nächsten Sitzung am Dienstag die Ernennung der Kandidatin förmlich aufheben, kündigte Limbach an. Er gehe davon aus, dass das anhängige Verfahren vor dem OVG, das sich mit der Klage eines unterlegenen Bewerbers befasst, hinfällig ist.
Limbach: "Der nächste Anlauf muss sitzen"
Für das Besetzungsverfahren würden nun "neue Beurteilungen angefordert", beziehungsweise vom Justizministerium selbst erstellt und dann werde man eine Auswahl vornehmen. Allen Beteiligten sei nun klar, "der nächste Anlauf muss sitzen, damit diese Position jetzt schnell besetzt werden kann".
Auf die Frage, ob er davon ausgehe, dass die vom Kabinett ernannte Kandidatin erneut antrete, sagte der Minister: "Ich bin mir sicher, dass jede und jeder Bewerber jetzt für sich prüft, was er macht."
Limbach benennt eigenen Fehler
Im Gespräch mit dem WDR dementierte Benjamin Limbach erneut, dass es eine "Beurteilung auf Bestellung" gegeben habe: "Die Opposition wirft hier eine Nebelkerze." Bei sich selbst sieht er hingegen das Versäumnis, bei einem privaten Abendessen mit der von der Landesregierung ausgewählten Kandidatin über die Bewerbung gesprochen zu haben. Stattdessen hätte er einen offiziellen Termin in seinem Ministerium vorschlagen müssen.
Limbach kennt die Kandidatin schon länger, sie waren früher Kollegen, als Limbach noch als Richter tätig war. SPD und FDP bezeichnen die Kandidatin deshalb als "Duz-Freundin" Limbachs. Dieser hatte jedoch stets ein "Näheverhältnis" zu ihr bestritten.
SPD mit Rücktrittsforderungen
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Jochen Ott sagte , der schwere Schaden, den die Landesregierung der "Justiz in unserem Land zugeführt hat, ist kaum zu bemessen". Ott sieht die Hauptverantwortung beim Justizminister: "Es wäre seine Aufgabe gewesen, die Rechtmäßigkeit der erstellten Beurteilung zu prüfen." Darum forderte er Ministerpräsident Wüst auf, Limbach zu entlassen, "um weiteren Schaden von der Justiz abzuwenden".
Nadja Lüders, SPD-Obfrau im Untersuchungsausschuss "OVG-Besetzung" im NRW-Landtag, forderte den Rücktritt von Innen-Staatssekretärin Daniela Lesmeister: Es sei "blanker Hohn, dass die mitverantwortliche Staatssekretärin Dr. Lesmeister jetzt den Eindruck zu erwecken versucht, ihr sei möglicherweise ein 'Formfehler' unterlaufen." Das Gegenteil sei der Fall: "Hier sind ständige Rechtsprechung und das kleine Einmaleins des Beurteilungsverfahrens missachtet worden." Es sei noch zu klären, ob dies "bewusst oder aufgrund mangelnder Kenntnis" erfolgt sei. "Beides ist für die Leiterin einer solch bedeutenden Behörde wie dem Ministerium des Innern inakzeptabel, ihre Entlassung durch Minister Reul unvermeidlich."
Über dieses Thema berichten wir am 15.11.2024 auch in den WDR-Hörfunk-Nachrichten.
Unsere Quellen:
- Pressegespräch mit NRW-Justizminister Benjamin Limbach