Nordrhein-Westfalen Prozessauftakt um Ex-Infineon-Manager verschiebt sich erneut
Wegen millionenschwerer Veruntreuung muss sich ein früherer Geschäftsführer von Infineon Bipolar in Warstein vor dem Landgericht Arnsberg verantworten. Der Prozessstart ist zum wiederholten Mal geplatzt.
Es war bereits der vierte Versuch, den Prozess zu eröffnen. Am Dienstag (19.11.) sind zwei Mitangeklagte aber nicht gekommen, weil sie angeblich krank sind. Einer der beiden soll sich psychisch stark belastet fühlen und deshalb nicht verhandlungsfähig sein.
Gericht akzeptiert Krankmeldung nicht
Dass sich einer der Mitangeklagten jetzt psychisch belastet fühlt, hat vermutlich etwas mit einem parallel zum Strafprozess laufenden Zivilprozess zutun. Infineon versucht in diesem Verfahren, sich die veruntreuten Millionen zurückzuholen. Für den Mitangeklagten sieht es da aber gerade schlecht aus. Er müsse seinen wirtschaftlichen Ruin fürchten, sagte sein Anwalt heute.
Das Gericht will die Krankmeldungen nicht akzeptieren. Nächste Woche müssen die Angeklagten kommen, notfalls soll die Polizei sie in den Gerichtssaal bringen.
Erster Verhandlungstermin im Mai geplatzt
Ein erster Verhandlungstermin am Landgericht Arnsberg im Mai war wegen Krankheit geplatzt. Der nächste Termin war auf den 29. Oktober verlegt worden, musste dann aber wegen Befangenheit eines Schöffen wieder verschoben werden.
Denn einem Anwalt des Angeklagten war aufgefallen, dass ein Schöffe eine Mailadresse mit der Endung "@infineon.com" hat. Offenbar arbeite der Schöffe bei dem Unternehmen, bei dessen Tochterunternehmen der Angeklagte Geschäftsführer war. Das könne zu einer Befangenheit führen, argumentierte der Anwalt.
Es geht um rund 14 Millionen Euro
Der Angeklagte (Mitte) im Prozess vor dem Landgericht Arnsberg
Der frühere Manager von Infineon soll die insgesamt rund 14 Millionen Euro genutzt haben, um eigene prestigeträchtige Immobilienprojekte und seinen gehobenen Lebensstil zu finanzieren. Das wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor.
In der Wirtschaftsdelegation von Minister Sigmar Gabriel
Mehr als zehn Jahre führte er mit Infineon Bipolar eines der IT-Vorzeigefirmen in Westfalen - und war ein angesehener Manager. Mit dem damaligen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel flog er in einer Wirtschaftsdelegation nach Vietnam. Bei Unternehmer-Treffen hielt er Vorträge und ließ sich als Unternehmenslenker fotografieren.
Und ein Museum in Werl, das wirtschaftliche Probleme hatte, wollte er öffentlichkeitswirksam retten bis er wegen privater Probleme den Rückzug antrat. Welche privaten Probleme das waren, das könnte in dem Prozess am Landgericht Arnsberg an der Großen Wirtschaftsstrafkammer klar werden.
Der Prozess soll vor dem Landgericht Arnsberg stattfinden
Dem heute in Dortmund lebenden Manager werden millionenschwere Veruntreuungen von Geldern der Infineon Bipolar Technologies vorgeworfen. Das Warsteiner Unternehmen ist ein Gemeinschaftsunternehmen der DAX-Konzerne Infineon und Siemens.
Auf Treuhandkonto 7,5 Millionen Euro überwiesen
Ende 2020 flog auf, dass der damalige Chef offenbar Gelder des Unternehmens für eigene Zwecke genommen hatte. Nach WDR-Informationen hatte der Angeklagte bei einem Anwalt ein Treuhandkonto eingerichtet. Darauf flossen insgesamt 7,5 Millionen Euro von Infineon.
Angeblich sollte das Konto dazu dienen, Eigenkapital von Infineon Bipolar für Unternehmens-Erweiterungen nachzuweisen. Weil das für ein expandierendes Unternehmen nichts Außergewöhnliches ist, ging der Millionen-Abfluss über mehrere Jahre unbeanstandet durch die internen Prüfungen.
Floss Geld in Eventhalle in Dortmund?
Offenbar auch deshalb, weil der Angeklagte Mitteilungen des Anwalts gefälscht haben soll, sagen mit den Vorgängen vertraute Personen. Darin habe gestanden, dass 7,5 Millionen Euro in zwei Immobilienunternehmen abgeflossen waren. An diesen Unternehmen soll der Angeklagte persönlich maßgeblich beteiligt gewesen sein.
Ein Projekt beispielsweise war eine damals prominent vermarktete Event-Location in Dortmund, die Warsteiner Music Hall. In der Corona-Zeit ließ er sie zu einem großen Impfzentrum umbauen.
Notarielles Schuldanerkenntnis abgegeben
Ende 2020 offenbarte sich der Angeklagte dem Unternehmen. Mittlerweile liegt auch ein notarielles Schuldanerkenntnis dem Gericht vor, in dem der Angeklagte einräumt, die Gelder nicht zweckgemäß verwendet zu haben.
Nach WDR-Informationen waren Prüfer zuvor jedoch schon auf Ungereimtheiten gestoßen, so dass der Angeklagte unter massivem Druck gestanden habe, sich zu offenbaren, sagen Insider.
Infineon unterstellt ihrem Ex-Manager "hohe kriminelle Energie"
Infineon setzte interne Juristen und eine externe Kanzlei ein, um das Ausmaß der Veruntreuung zu recherchieren. Deren Fazit: "Der Angeklagte ist mit hoher krimineller Energie vorgegangen. Nur so konnten die Vorgänge so lange unentdeckt bleiben", teilt Infineon dem WDR mit. Deshalb tritt das Unternehmen auch als Nebenkläger in dem Prozess auf.
Neben den 7,5 Millionen, die über das Treuhandkonto abgezweigt worden sein sollen, geht es in einem zweiten Komplex um 6,7 Millionen Euro. Dieses Geld soll der Angeklagte verwendet haben, um zwei Zulieferfirmen von Infineon Bipolar zu kaufen.
Unternehmen im Alleingang gekauft
Zum einen habe er das im Alleingang gegen den Beschluss von Infineon-Gremien getan, heißt es aus Insider-Kreisen. Zum anderen habe er direkt wieder fast zwei Millionen für sich abgezweigt. Die Anwälte des Angeklagten äußerten sich auf mehrfache Anfragen des WDR nicht.
Mitangeklagt ist ein Ehepaar aus Düsseldorf, das den früheren Infineon-Manager bei den Taten unterstützt haben soll. Deren Anwalt hatte beim ersten Prozess im Mai die Vorwürfe zurückgewiesen.
Unsere Quellen:
- Landgericht Arnsberg
- Infineon Pressestelle
- Northdata
- WDR-Reporter