Radfahrer auf dem Radschnellweg Ruhr (RS1)

Nordrhein-Westfalen Radschnellwege in NRW: Landesgelder in Millionenhöhe bleiben ungenutzt

Stand: 27.06.2024 06:00 Uhr

Jedes Jahr stellt die Landesregierung Millionen Euro zur Verfügung, um Radschnellwege zu bauen. Genutzt wird aber nur ein Bruchteil des Geldes, wie Recherchen des WDR jetzt zeigen.

Von Jörn Kießler

Zehn Jahre ist es mittlerweile her, als die Landesregierung sich als Ziel setzte, NRW zum Fahrradland Nummer 1 in Deutschland zu machen. Unter anderem sollte das mit der Hilfe von Radschnellverbindungen (RSV) gelingen. In mehreren Regionen sollten die "Autobahnen für Radfahrer" Wohngebiete mit Arbeitsplätzen, Universitäten und Schulen verbinden und damit tausende Menschen dazu bringen, vom Auto aufs Fahrrad umzusteigen.

Radschnellwege in NRW können kaum befahren werden

Allerdings stockt seit Jahren der Bau. Von den insgesamt sieben Radschnellwegen mit einer Gesamtlänge von 275 Kilometern, die Land und Kommunen gemeinsam bauen wollen, sind bislang lediglich 18 Kilometer befahrbar. Und das, obwohl das Land jedes Jahr Millionen Euro für den Bau des Prestigeprojekts zur Verfügung stellt.

Wo genau Radschnellwege in NRW geplant sind, wie wichtig diese für das Pendeln mit dem Fahrrad sind und wie das Problem des stockenden Ausbaus gelöst werden könnte, lesen Sie hier:

Nur 3,2 von 86 Millionen Euro verbaut

Genutzt wird dieses Geld allerdings nicht, wie Recherchen des WDR zeigen. Demnach stellte das Verkehrsministerium zwischen 2017 und 2023 insgesamt 86,75 Millionen Euro nur für den Bau von Radschnellwegen zur Verfügung. Tatsächlich gebaut wurde aber nur mit 3,16 Millionen Euro. Das entspricht nicht einmal vier Prozent.

"Nicht direkt für den Radschnellwegeausbau ausgegebene Mittel wurden entweder für andere Maßnahmen der Nahmobilität eingesetzt oder wurden aufgespart und können so für zukünftige Projekte eingesetzt werden", heißt es dazu aus dem NRW-Verkehrsministerium. Ergänzend teilt das Ministerum mit, dass fast 10,2 Millionen Euro aus demselben Topf für die Planung von Radschnellwegen genutzt wurden.

ADFC: "Die Menschen in NRW wollen Rad fahren"

Benedikt Glitz vom ADFC NRW

Benedikt Glitz vom ADFC NRW

Benedikt Glitz vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) NRW wundern diese Zahlen nicht. "Dass nur ein Bruchteil der Gelder wirklich verbaut wurde, spiegelt sich in den wenigen Kilometern wieder, die bislang befahrbar sind", sagt der Referent für Mobilität und Verkehr bei dem Verkehrsclub für Radfahrer. "Das ist ein Trauerspiel." Vor allem, weil die Ankündigung der Radschnellwege vor zehn Jahren auch Erwartungen geschürt hätten.

Die Menschen in NRW wollen gerne Radfahren. Ihnen fehlen aber sichere und komfortable Radwege.

Benedikt Glitz, ADFC NRW

Als Gründe für den geringen Abruf der Mittel führt das Ministerium Probleme bei der Koordination zwischen Land, Kommunen und anderen Akteuren an. Viel gravierender sei aber der Fachkräftemangel in Straßenbau und -planung.

Fachkräftemangel im Verkehrssektor

"Es ist oft so, dass ein Radweg finanziert ist", so Verkehrsminister Krischer im Gespräch mit dem WDR. "Er kann aber nicht geplant werden, weil es schlicht und ergreifend in der Behörde den Menschen nicht gibt oder auch in einem privaten Planungsbüro nicht, der das planen kann."

Gordan Dudas, SPD-Fraktion

Der verkehrspolitische Sprecher der SPD Gordan Dudas

Laut Gordan Dudas, dem verkehrspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, ist dieses Problem nicht neu. "Da hätte schon längst gehandelt werden müssen", sagt er. "Sowohl hinsichtlich der Fachkräfteausbildung als auch der Schaffung dringend benötigter Stellen."

Er geht sogar so weit, der Landesregierung eine Verweigerungshaltung vorzuwerfen. Schließlich habe die SPD vorgeschlagen, das Personal beim Landesbetrieb für Straßenbau, genannt "Straßen NRW", aufzustocken. Die Behörde ist unter anderem für die Planung, den Bau und der Unterhalt der Radschnellwege zuständig.

Bedarf an Radschnellwegen wird steigen

Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz der Länder und Verkehrsminister von Nordrhein-Westfalen

NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer

Im Verkehrsministerium gibt man sich dennoch optimistisch. Schließlich gebe es mittlerweile unter anderem "turnusmäßige Gespräche zwischen unserem Haus, Straßen.NRW und den beteiligten Kommunen sowie dem Netzwerk Radschnellverbindungen", heißt es auf Anfrage des WDR. "Vor diesem Hintergrund bin ich sehr optimistisch, dass das Tempo bei der Umsetzung von Radschnellwegen deutlich steigt", so Verkehrsminister Krischer.

Benedikt Glitz vom ADFC ist da skeptischer. "Es muss jetzt Bewegung in den Bau der Radschnellwege kommen", sagt er. "Und das geht nur, wenn die Pläne mit Personal hinterlegt werden."

Dafür müssten seiner Meinung nach gegebenenfalls Neubauprojekte für den Autoverkehr ausgesetzt werden, um die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Straßen NRW für die Planung und den Bau von Radschnellwegen einzusetzen.

"Das ist schon allein deshalb wichtig, weil wir jetzt schon wissen, dass wir künftig viel mehr als die bislang 275 Kilometer Radschnellwege brauchen werden", sagt Glitz und bezieht sich damit auf den ersten Vorschlag für den Bedarfsplan für Radschnellverbindungen.

Mit diesem Plan ermitteln Land und Kommunen gemeinsam, wie viele Radschnellwege in NRW zukünftig gebraucht werden. Am Ende des Prozesses soll feststehen, wie viele Radschnellverbindungen in NRW noch gebaut werden sollten. Stand jetzt soll der Bedarfsplan dem Landtag im Jahr 2026 oder 2027 zum Beschluss vorgelegt werden. Im ersten Entwurf ist von 1.000 Kilometern die Rede.

Unsere Quellen:

  • NRW-Verkehrsministerium
  • Interview mit Verkehrsminister Oliver Krischer
  • Interview mit Benedikt Glitz vom ADFC NRW
  • Statement Gordon Dudas, Verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag

Über dieses Thema berichten wir im WDR am 27.06.2024 unter anderem auch im Hörfunk: WDR 5 Morgenecho, ab 6 Uhr, und im Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.