Kokain Line auf einem Tisch

Nordrhein-Westfalen Skrupellos und gefährlich: Was ist die "Mocro-Mafia"?

Stand: 09.07.2024 18:07 Uhr

Rauschgifthandel, Entführungen, Auftragsmorde: Die sogenannte "Mocro-Mafia" aus den Niederlanden ist auch in NRW aktiv. Was ist über sie bekannt?

Beamte eines Spezialeinsatzkommandos hatten vergangenen Freitag ein Haus im Kölner Stadtteil Rodenkirchen gestürmt. Ein Mann und eine Frau aus Bochum wurden dabei aus der Gewalt von Entführern befreit. Mehrere Personen wurden festgenommen. Drei mutmaßliche Drahtzieher konnten entkommen.

Nach WDR-Informationen war der Hintergrund der Entführung ein Streit um eine Lieferung von mehreren hundert Kilo Cannabis. Auch mehrere Explosionen in Wohnhäusern in Köln, Engelskirchen und Duisburg sollen mit dem Konflikt zusammenhängen.

Wie die Polizei dem WDR am Dienstag mitteilte, steht auch der Tod eines 17 Jahre alten Niederländers vor einer Woche in Solingen mit dem Fall in Verbindung. Dieser hatte offenbar den Auftrag, einen Sprengsatz vor einer Shisha-Bar zu zünden. Dieser explodierte aber zu früh und tötete den 17-Jährigen. Mehrere Menschen wurden verletzt.

"Diese neue Qualität macht uns unruhig", sagte NRW-Innenminister Herbert Reul am Dienstag dem WDR. Auch die Kripo Köln sprach von einer neuen Dimension der Gewalt.

Informationen aus Ermittlerkreisen zufolge führt die Spur ins Milieu der sogenannten "Mocro-Mafia". Was hat es mit dem kriminellen Netzwerk auf sich? Fragen und Antworten.

Der von niederländischen Medien geprägte Begriff bezieht sich auf verschiedene kriminelle Banden, die seit Jahrzehnten vor allem in den Niederlanden und Belgien aktiv sind. "Mocro" ist zwar ein geläufiger niederländischer Slang-Begriff für Menschen marokkanischer Herkunft, in dem Netzwerk sind aber auch gebürtige Niederländer und andere Nationalitäten aktiv.

Unter anderem deshalb ist der Begriff umstritten. Kritisiert wird auch, dass der Begriff Mafia dieser Organisation größere Bedeutung beimessen könnte, als sie tatsächlich hat. In unserer Berichterstattung setzen wir "Mocro-Mafia" daher in Anführungszeichen.

Die ersten Banden wurden in den 1990er-Jahren auffällig, als sie nach und nach den niederländischen Handel mit Cannabis unter ihre Kontrolle brachten. Inzwischen engagiert sich das Netzwerk vor allem im internationalen Drogenhandel, insbesondere dem Schmuggel und Verkauf von Kokain. Aber auch andere kriminelle Aktivitäten werden dem Netzwerk zugerechnet: zum Beispiel Geldwäsche, Raub, Entführungen und Auftragsmorde.

Dabei arbeiten die einzelnen Organisationen teilweise zusammen, haben sich in der Vergangenheit aber auch schon gegenseitig in blutigen Bandenkriegen bekämpft.

International bekannt wurde die "Mocro-Mafia" im Jahr 2021, als der prominente niederländische Journalist Peter de Vries in Amsterdam auf offener Straße erschossen wurde. Der Mord stand offenbar in Zusammenhang mit einem Prozess gegen Ridouan Taghi, den Kopf einer berüchtigten Drogenbande.

Peter R. de Vries

Ermordet: Peter de Vries

De Vries war Vertrauensperson des Kronzeugen, der gegen Taghi und seine Komplizen ausgesagt hatte. Zuvor waren bereits der Bruder und der Verteidiger des Kronzeugen ermordet worden. 

Die Auftragsmörder wurden im Juni zu langen Haftstrafen verurteilt. Taghi selbst konnte keine Beteiligung an dem Mord nachgewiesen werden. Er wurde aber wegen der Verwicklung in andere Auftragsmorde zu lebenslanger Haft verurteilt.

Sind die Banden auch in NRW aktiv?

Davon sei auszugehen, sagte Oliver Huth vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) dem WDR am Dienstag. "Wer glaubt, dass die Mocro-Mafia nicht die Grenze passiert, der ist naiv." Der aktuelle Entführungsfall in Köln zeige, dass sich die Mitglieder bei ihren Geschäften längst nicht mehr auf die Niederlande beschränken.

"Wenn Rauschgiftgeschäfte hier schiefgehen, werden sie auch hier Präsenz zeigen. Das lassen sie sich nicht gefallen." Neben Drogengeschäften werden den Banden auch eine Verwicklung in zahlreiche Sprengungen von Geldautomaten im Land nachgesagt.

Im Jahr 2022 hatte das NRW-Innenministerium auf eine Kleine Anfrage der AfD im Landtag allerdings noch mitgeteilt, dass derzeit "keine belastbaren Indikatoren für kriminelle Aktivitäten dieser Zielgruppe" vorliegen. Die Polizei in NRW arbeite aber eng mit den niederländischen Kollegen zusammen und der Informationsaustausch sei gewährleistet.

Unsere Quellen:

  • WDR-Informationen
  • WDR-Reporter vor Ort
  • Innenministerium NRW
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Interview mit Oliver Huth (BDK)

Über dieses Thema berichten wir im WDR am 09.07.2024 auch im Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.