Die Statue der Maus vor dem WDR, daneben ein Fernsehr und Logos von ARD und Deutschlandradio und einer Akte mit "Rundunkstaatsvertrag"

Nordrhein-Westfalen Was die Maus-"Entführung" mit dem ARD- und ZDF-Netzangebot zu tun hat

Stand: 17.10.2024 17:04 Uhr

Das Verschwinden der WDR-Maus hängt mit den Reformplänen für ARD und ZDF zusammen. Was diese für das digitale Angebot bedeuten würden.

Sie ist ein beliebtes Fotomotiv: Die Maus-Statue vor den WDR-Gebäuden in der Kölner Innenstadt. Doch seit Dienstagmorgen war sie verschwunden. Hinter der "Entführung" der Figur steckte die Organisation Campact, die damit gegen Kürzungen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk protestieren wollte. Am Freitag hat sie die Maus dem WDR in Köln zurückgegeben.

Der Hintergrund: Es geht dabei um die Reformpläne der Rundfunkkommission der Bundesländer. Der Rundfunkstaatsvertrag soll geändert werden - und damit das Angebot der öffentlich-rechtlichen Medienanstalten deutlich reduziert werden. Konkret könnten mindestens 16 ARD-Hörfunkkanäle und knapp die Hälfte der zehn Fernseh-Spartensender von ARD und ZDF wegfallen.

Online und Social Media: Was ist den Sendern erlaubt?

Darüber hinaus spielt beim Reformpaket auch das bereits bestehende Verbot der sogenannten Presseähnlichkeit von Online-Angeboten eine wichtige Rolle. Es besagt, dass öffentlich-rechtliche Sender keine "presseähnlichen Angebote" anbieten dürfen - also bestimmte Texte im Internet, die Zeitungen Konkurrenz machen.

An den Internet-Aktivitäten der Öffentlich-Rechtlichen gibt es schon seit längerem Kritik der Zeitungsverleger. Jetzt soll der schon bisher vorgeschriebene Sendungsbezug von Texten verschärft werden. Es geht dabei zum Beispiel darum, was die Tagesschau und Tickr auf Instagram machen oder was auf sportschau.de, auf WDR.de oder in der App WDR aktuell passiert.

Wann Texte künftig ins Netz dürfen sollen?

Der Vorschlag der Rundfunkkommission dazu: Künftig muss alles, was von ARD und ZDF im Netz als Text erscheint, zuvor in einer Sendung gelaufen sein. Erst danach dürfte dann - zum Beispiel von der Tagesschau - ein Instagram-Posting gemacht werden.

Alexander Schweitzer (SPD), Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz

Alexander Schweitzer (SPD)

Alexander Schweitzer (SPD), Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Vorsitzender der Rundfunkkommission, teilt diese Ansicht: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe in den letzten Jahren "sehr stark" das getan, was Tages- und Regionalzeitungen "eigentlich tun sollten: nämlich Text formulieren, online stellen, veröffentlichen". Das sei "nachvollziehbarerweise" für Zeitungsverleger ein "Störfaktor": "Es geht auch ein bisschen darum, dass man die Medienvielfalt in Deutschland schützt."

Buhrow: Breaking news per Text am schnellsten

Aus Sicht von WDR-Intendant Tom Buhrow wiederum ist es "grundsätzlich komplett legitim", dass Medienpolitiker den Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sender klar formulieren. "Die Gesellschaft darf sagen, was sie von uns will", erklärte Buhrow am Donnerstag im WDR5-Morgenecho. Dennoch sehe er unter anderem die geplanten Einschränkungen beim Internetangebot "sehr kritisch".

Tom Buhrow, WDR-Indendant

WDR-Intendant Tom Buhrow

Am Beispiel des vom WDR verantworteten Portals sportschau.de illustrierte Buhrow die Auswirkungen der geplanten Beschränkungen von Texten: "Wenn die Nachricht 'Klopp geht zu Red Bull' kommt, gibt es noch keine Sendung, auf die wir Bezug nehmen können. Aber die Leute wollen doch sofort wissen, was steckt dahinter." Die Meldung lasse sich dann am schnellsten in Textform verbreiten.

Wenn also wie geplant alle Social Media-Auftritte und Online-Seiten von ARD und ZDF künftig warten müssten, bis ein Thema in einer Fernseh- oder Radiosendung gelaufen ist, dann könnte es verhältnismäßig lange dauern, bis die Beitragszahlenden informiert werden könnten.

Gniffke: "Alle erreichen" als Auftrag

SWR-Intendant Kai Gniffke übernimmt ARD-Vorsitz

SWR-Intendant Kai Gniffke übernimmt ARD-Vorsitz

In der ARD gibt es zudem die Sorge, dass digitale Formate, mit denen man auch Menschen in Sozialen Medien erreicht, unter den von den Ländern geplanten Regeln beeinträchtigt werden könnten. "Die Tagesschau ist die erfolgreichste Medienmarke bei TikTok und bei Insta", so der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke. "Das würde ich ungern beschädigen, weil es unserem Auftrag entgegenlaufen würde, der Dominanz von polarisierenden und von emotionalisierenden Inhalten etwas entgegenzusetzen."

Einige Punkte der geplanten Reform stünden im Widerspruch zu dem klar formulierten Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, "eine ganze Gesellschaft mit Medieninhalten zu versorgen". Also auch junge Menschen, die sich besonders gern online und bei Sozialen Medien informieren.

Selbstverpflichtung als Ausweg?

Die Frage, wie öffentlich-rechtliche Sender im Internet berichten dürfen, ist also nicht leicht zu beantworten. Der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke hat deshalb am Mittwoch eine Selbstverpflichtung bei den Regeln für Online-Angebote ins Spiel gebracht. Damit will er Zeitungsverlegern entgegenkommen.

Rundfunkhäuser könnten zum Beispiel in ihren Beiträgen die Verlinkung auf Angebote von Presseverlagen zum Standard machen, wenn sie Zeitungsthemen aufgreifen. Auch könnten Fristen, innerhalb derer Textangebote unter Bezug auf eine ausgestrahlte Sendung veröffentlicht werden dürfen, verkürzt werden. Ähnlich hatte sich auch das ZDF schon geäußert.

So geht es weiter

Bis zum vergangenen Freitag konnte jede und jeder eine Stellungnahme zum Entwurf des Reformstaatsvertrages abgeben. Über diese Anmerkungen soll die Ministerpräsidenten-Konferenz Ende Oktober beraten und den Reformstaatsvertrag verabschieden.

Anschließend müssen die Landtage aller 16 Bundesländer zustimmen. Bis die Reformen in Kraft treten können, wird es wohl noch bis weit ins Jahr 2025 dauern. Der Reformstaatsvertrag könnte auch noch vor Gericht landen, wenn zum Beispiel eine Rundfunkanstalt klagen sollte.

Deutlich schneller Klarheit gibt es offenbar im Fall der verschwundenen Maus-Statue: Sie soll bereits am Freitag nach Köln an ihren Platz zurückkehren.

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