Rheinland-Pfalz Wie Apotheken in Rheinland-Pfalz der Krise trotzen
In Rheinland-Pfalz sinkt die Zahl der Apotheken seit Jahren. Das Geschäft ist nicht mehr so lukrativ wie früher und Fachkräfte fehlen. Doch viele Apotheken trotzen dem Trend - mit neuen Konzepten und Ideen.
In Rheinland-Pfalz gab es laut Statistischem Landesamt Anfang des Jahres noch 851 Apotheken, das sind gut 200 weniger als vor zehn Jahren. Auch in diesem Jahr werden im Land mehr Apotheken schließen als neu eröffnen. Genau genommen gibt es bis jetzt nach Angaben der Landesapothekerkammer gerade mal zwei Neueröffnungen, in Bullay im Kreis Cochem-Zell und in Kaiserslautern.
Die Apothekendichte ist in fast allen Regionen in Rheinland-Pfalz immer noch ausreichend - besonders in den Städten ist die Abdeckung gut. In manchen Kreisen und Städten haben allerdings mehr als ein Viertel der Apothekenbesitzer aufgegeben, zum Beispiel im Donnersbergkreis sowie in Frankenthal, Neustadt, Koblenz und Trier. In Pirmasens hat sich der Trend am deutlichsten ausgewirkt. Dort hat mehr als jede zweite Apotheke in den vergangenen Jahren geschlossen, es gibt noch sieben. Im Schnitt ist in Pirmasens eine Apotheke für mehr als 5.800 Menschen zuständig. "Weiße Flecken" sind vor allem in sehr ländlichen Regionen zu finden: zum Beispiel in der Westeifel nördlichen von Prüm oder der Vulkaneifel rund um Kelberg. Dort müssen die Menschen teilweise 15 Kilometer bis zur nächsten Apotheke fahren.
Viele Apothekerinnen und Apotheker stemmen sich aber gegen den Trend und versuchen ihr Unternehmen neu aufzustellen. Wir fassen zusammen, mit welchen Problemen die Apotheken konfrontiert sind und wie sie versuchen, profitabel zu wirtschaften:
Problem: Hohe Kosten, wenig Gewinn
Während Kosten für Personal, Energie und Mieten steigen, ist die Vergütung für verschreibungspflichtige Medikamente seit mehr als zehn Jahren nahezu gleich geblieben. Viele Apothekeninhaber kritisieren, dass sie schon lange zu wenig Geld verdienen und sich das Geschäft nicht mehr lohnt.
Neue Geschäftsfelder: "Die Situation ist so schlimm wie noch nie", sagt Fabio Nobre, der vier Apotheken in Bad Kreuznach betreibt. Sein Rezept gegen die Krise: Der 34-Jährige versucht sich breit aufzustellen, um so viele Geschäftsfelder wie möglich zu bedienen. Mit seiner "Blister-Abteilung" versorgt er zum Beispiel Altenheime mit Medikamenten. Dabei sind die Arzneimittel für jeden Patienten individuell in kleinen Bechern verpackt. An seinen Standorten bietet er außerdem Videoberatungen an und hat sich auf onkologische Beratungsangebote für Krebspatienten spezialisiert. "Die Apotheke ist die niedrigschwelligste Ebene in der Gesundheitsversorgung", sagt Nobre. Sie sei immer da, um Kunden zu beraten.
Spezialisierung: "Apotheken müssen zu Kompetenzzentren werden, um Patienten einen Mehrwert zu bieten", sagt auch Apothekerin Annegret Fix. An ihren beiden Standorten in der Südwestpfalz spezialisiert sie sich auf Komplementärmedizin, berät zu Homöopathie und Nahrungsergänzungsmitteln. Außerdem will sie ihren Kunden demnächst einen speziellen Bluttest anbieten, die Ergebnisse dann gemeinsam besprechen und Nahrungsergänzungsmittel empfehlen. Es werde zu wenig Wert auf Vorsorge gelegt, diese Lücke wolle sie mit ihren Angeboten schließen, sagt Fix. Auch Sabine Weiland aus Speicher im Eifelkreis Bitburg-Prüm hat sich in ihrer Apotheke auf bestimmte Bereiche spezialisiert: Sie bietet etwa besondere Beratung und Produkte bei Inkontinenz an.
Übernahme der Konkurrenz: Der harte Wettbewerb macht vielen Apothekern zu schaffen. Annegret Fix ist daher einen ungewöhnlichen Schritt gegangen. In Thaleischweiler hat sie eine andere Apotheke gekauft, geschlossen und den Kundenstamm übernommen. "Das gleiche Prozedere habe ich in diesem Jahr in Rodalben gemacht", sagt die Apothekerin. In der Gemeinde wollten gleich zwei Apotheken-Inhaber aufgeben. Fix übernahm beide und betreibt eine davon weiter mit einem neu formierten Team. Die beiden Standorte schaffen nach Angaben der Geschäftsfrau auch Synergien: Eine Angestellte aus Thaleischweiler kümmere sich etwa um Rezepturen und fertige diese auch für den zweiten Standort in Rodalben an.
Die Apothekenreform soll vor allem Apotheken in ländlichen Regionen stärken, sagt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Folgende Punkte sollen sich ändern: Geld wird anders verteilt Pro verkauftes rezeptpflichtiges Medikament bekommt eine Apotheke aktuell 8,35 Euro. Dieser Festbetrag soll ansteigen, sieht die Reform vor. Den Zuschlag pro verkauftes rezeptpflichtiges Medikament von jetzt 3 Prozent soll durch die Reform auf 2 Prozent abgesenkt werden. Mehr Geld für Notdienste Da Apotheken auf dem Land häufiger Nacht- und Notdienste anbieten, steigt die Pauschale dafür durch die Reform auf rund 550 Euro, so das Bundesgesundheitsministerium. Nach der Reform sollen Notdienste für Apotheken nicht mehr zwingend vorgeschrieben sein. Mehr Zweigstellen pro Apotheke möglich Approbierte Apothekerinnen und Apotheker sollen nach der Reform nicht nur eine Apotheke mit drei Filialen gründen können, sondern zusätzlich auch Zweigstellen. Diese müssen nicht im gleichen oder im benachbarten Landkreis liegen. Die Zweigstellen können auch weiter entfernt liegen, sieht die Reform vor. Auch PTA kann Apotheke leiten Die Reform will Vorschriften abschaffen, die jetzt noch gelten. So soll eine Apotheke auch von pharmazeutisch-technischen Assistent*innen (PTA) geführt werden können. Öffnungszeiten je nach Personal Nur acht Stunden pro Woche muss eine approbierte Apothekerin oder Apotheker vor Ort sein. In Notfällen können Apotheker*innen des Verbunds aus Hauptapotheke, Filialen und Zweigstellen per Telepharmazie zugeschaltet werden. Mindestöffnungszeiten soll es nach der Apothekenreform nicht mehr geben.
Problem: Fachkräftemangel und teures Personal
In den Apotheken in Rheinland-Pfalz fehlt Personal. Junge Fachkräfte arbeiten lieber in der Pharmaindustrie, dort gibt es mehr Geld. Viele Apothekenbesitzer haben Probleme, Fachkräfte zu bekommen. Einige mussten Mitarbeiter entlassen, weil sie die Gehälter nicht mehr bezahlen konnten.
Leih-Apotheker: Viele Apotheken setzen Leih-Apotheker ein, um Engpässe zu überbrücken oder Nacht- und Notdienste zu besetzen. Christoph Becker-White profitiert zum Beispiel von dieser Möglichkeit. Er betreibt vier Apotheken in Mainz und muss pro Jahr 40 Notdienste abdecken. Wenn das Personal dafür nicht reicht, bezieht er Vertretungen über eine spezielle Personalvermittlung: "Über das Leihsystem können wir die Dienste besetzen. Es ist aber eine Notlösung." Der Mainzer Apotheker fordert, dass die Apotheken wieder gestärkt werden. Dann könnten sie zum Beispiel auch wieder konkurrenzfähige Gehälter zahlen.
Fortbildung: "Der Spruch 'Apotheker sind nur Schubladenzieher' hat einen wahren Kern", sagt Apothekerin Annegret Fix aus der Pfalz. Sie möchte das in ihren Apotheken ändern und setzt auf gezielte Fortbildungen. Ihre mehr als 20 Mitarbeiterinnen sollen sich spezialisieren, um besondere Beratung anbieten zu können. Mehr Verantwortung mache den Job attraktiver, sagt Fix: "Unsere Mitarbeiterinnen brennen auch für Neuerungen. Nur so können wir überleben."
E-Terminal: In einigen rheinland-pfälzischen Apotheken sind schon sogenannte E-Terminals im Einsatz, zum Beispiel in Gillenfeld in der Eifel. Dort können sich Kunden an einem Computerterminal mit großem Bildschirm beraten lassen und Medikamente bestellen. Dafür muss das Rezept von den Kunden selbst gescannt werden. Aus Sicht von Apotheker Andreas Radmacher ersetzt das Gerät zwar keine Fachkraft, ist aber eine Unterstützung, wenn im Laden viel los ist und Personal fehlt.
Ausländische Apotheker: Apothekerinnen und Apotheker, die ihren Abschluss im Ausland gemacht haben, müssen in Deutschland zwei weitere Fachprüfungen ablegen. Um die ausländischen Fachkräfte auf die Prüfungen vorzubereiten hat die Landesapothekerkammer das Projekt "Apotheker*innen für die Zukunft" entwickelt. Dabei arbeiten die Apothekerinnen und Apotheker etwa ein Jahr in einer Apotheke mit. Seit 2017 haben mehr als 150 Menschen an dem Projekt teilgenommen, viele sind heute laut der Kammer in Apotheken in Rheinland-Pfalz beschäftigt.
Problem: Große Konkurrenz durch Online-Handel
Seit der Einführung des E-Rezepts Anfang des Jahres boomt der Onlinehandel mit Arzneimitteln. Online-Apotheken sind oft günstiger, weil sie weniger Kosten als niedergelassene Apotheken haben.
Viele Apothekeninhaber bestätigen, dass Online-Apotheken eine große Konkurrenz darstellen. Philipp Hanke aus Bullay sagt zum Beispiel, eine deutsche Vor-Ort-Apotheke habe etwa 200.000 Euro Kosten im Jahr, die könne sich eine Versandapotheke größtenteils sparen. Frust wegen der Online-Konkurrenz empfindet auch Sabine Weiland von der Schwanen Apotheke in Speicher: "Wenn sich die jüngere Generation einmal an die Bestellung mit dem Handy gewöhnt hat, kommt sie auch nicht wieder." Nur für Notdienste seien die stationären Apotheken dann noch gut genug.
Verkauf von Cannabis: Seit der Teil-Legalisierung von Cannabis im April 2024 entdecken immer mehr Apotheken in Rheinland-Pfalz den Onlinehandel als neues Geschäftsfeld. Sebastian Schmidt von der Markenbildchen Apotheke in der Koblenzer Vorstadt verkauft schon länger medizinisches Cannabis vor Ort. Jetzt, wo die Nachfrage steige, habe er auch einen Onlinevertrieb aufgebaut. Die Apotheke hat 25 Blütensorten auf Lager, sie können mit einem eRezept im Internet bestellt werden. "Das ist für uns schon lukrativ", sagt Schmidt.
Apotheker Roman Nagel betreibt neben der Ulmen-Apotheke im Mainzer Stadtteil Drais auch einen Online-Versandhandel für medizinisches Cannabis.
Auch Roman Nagel hat sich auf den Verkauf von Cannabis spezialisiert. Eigentlich hatte der 66-Jährige seine Apotheke schon aufgegeben, dann hatte er die Idee, einen Versandhandel zu eröffnen. "Ich sehe mich eher als Kaufmann und nicht als Heilberufler und da habe ich einfach die Chance gesehen, das profitabel zu betreiben." Also habe er eine Apotheke im Mainzer Stadtteil Drais übernommen und neben dem normalen Apotheken-Betrieb im Internet die Marke "Pharmablüte - ihre Cannabis-Apotheke" aufgebaut. Die Entscheidung habe er auch aus ökonomischen Gründen getroffen, sagt Nagel. Schließlich sei die Marktsituation in diesem Geschäft eine ganz andere: "Bei medizinischem Cannabis liefern wir deutschlandweit. Das macht uns zu einem von 150 Unternehmen."
In Rheinland-Pfalz arbeiten mittlerweile einige Apotheke mit einem vergleichbaren Konzept. Zum Beispiel verbergen sich hinter den Marken "Cannabis Apotheke Rheinland" oder "Eifel Cannabis" Apotheken in Bad Neuenahr-Ahrweiler und Mendig.
Apothekerin Annegret Fix lässt in der Rodalber Apotheke ein Förderband einbauen, das außen zu einem Abholfach führt. Patienten können so rund um die Uhr und auf Knopfdruck vorbestellte Medikamente abholen.
Automatisierte Abläufe: Mit Innovationen will auch Apothekerin Annegret Fix aus der Südwestpfalz ihre Kundschaft binden. Die Marien-Apotheke in Rodalben, die sie neu übernommen hat, wird dafür gerade technisch aufgerüstet. Medikamente kommen bald auf Knopfdruck aus dem Lager über ein Förderband bis zu einem Abholfach in der Hauswand. Aus diesem sollen Patienten dann vorbestellte Medikamente rund um die Uhr abholen können. Ein ähnlicher Arzneimittel-Abholautomat steht auch schon in Cochem an der Mosel. Die Abholung der Medikamente funktioniert dort wie bei einer Packstation. Kunden bekommen einen 6-stelligen Code aufs Smartphone, mit dem sie ihre Bestellung rund um die Uhr abholen können.
Sendung am Mo., 11.11.2024 6:00 Uhr, SWR4 RP am Morgen, SWR4 Rheinland-Pfalz