Rheinland-Pfalz Drohnen über der Air Base Ramstein - es war offenbar russische Spionage
Hinter den illegalen Drohnenflügen über der Air Base Ramstein steckt wohl Russland. Innenminister Ebling (SPD) sagt, die Ausspähversuche seien Teil der hybriden Kriegsführung.
Es war Anfang Dezember in der Abenddämmerung, als am Himmel über dem Militärflughafen Ramstein plötzlich Drohnen aufgetaucht und wieder verschwunden sind - wochenlang war unklar, wie viele es genau waren und wer sie gesteuert hat. Jetzt gibt es eine Vermutung: Laut rheinland-pfälzischem Innenministerium hat es sich dabei um russische Drohnen gehandelt.
Russische Drohnen als "Teil der hybriden Kriegsführung"
Innenminister Michael Ebling (SPD) vermutet, dass es sich dabei um Drohnen handelt, die militärische Liegenschaften und Flächen auskundschaften, die mit kritischer Infrastruktur zu tun haben. "Technik und Flughöhen und der damit verbundene Aufwand lässt den Rückschluss zu, dass es ein Teil hybrider Kriegsführung Russlands ist."
Rheinland-Pfalz sei wegen seiner strategisch bedeutenden militärischen Liegenschaften ein "Rückgrat für einen Verteidigungsfall der NATO" und daher für Russland interessant. Die Befliegungen hätten zugenommen, so Ebling. Auch über der BASF in Ludwigshafen soll es Spionageflüge gegeben haben. "Richtig ist auch, dass wir Drohnenüberflüge bei Industrieanlagen sehen." Mit den Ausspähversuchen würde Russland bewusst Nadelstiche setzen.
Terrorismusexperte: "Ausspähversuche nichts Neues"
SWR-Terrorismusexperte Holger Schmidt ist von der Aussage Eblings wenig überrascht. "Das Phänomen ist nicht neu", sagt er. "Schon seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 beobachten deutsche Sicherheitsbehörden - also Polizei, Verfassungsschutz und auch der Militärische Abschirmdienst der Bundeswehr - bundesweit verdächtige Aktivitäten."
Es gebe aber auch Ausspähversuche mit Fahrzeugen, so Schmidt. Auch ermittele die Bundesanwaltschaft in einem Fall, in dem zwei Männer in Bayern Anschläge auf Bahnstrecken vorbereitet haben sollen. Hintergrund ist offenbar die Kriegsunterstützung Deutschlands für die Ukraine.
Das Phänomen ist nicht neu. Schon seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 beobachten deutsche Sicherheitsbehörden (...) bundesweit verdächtige Aktivitäten rund um militärische Gelände und Rüstungsfabriken. Holger Schmidt, SWR-Terrorismusexperte
Drohnenbilder sollen Infos zu Truppenbewegungen geben
Was aber ist der genaue Zweck solcher Drohnenflüge? "Es geht vermutlich vor allem um Aufklärung", sagt Schmidt. "Werden dort Rüstungsgüter für die Ukraine bereitgestellt und wenn, in welchem Umfang?" Ein weiterer Aspekt sei die Frage, ob ukrainische Soldaten zur Ausbildung ankämen. Oder ob US- oder NATO-Truppen verlegt würden. "Wissen ist ein wichtiger Faktor in der Kriegsführung - insbesondere, wenn es um den Nachschub geht", so Schmidt.
Russische Spionageflüge "durchaus bedrohlich"
Das Landeskriminalamt (LKA) hat seit Bekanntwerden der Drohnenflüge betont, dass von ihnen keine Bedrohung ausgehe. Das sieht Holger Schmidt differenzierter. "Natürlich ist ein Drohnenpilot keine klassische polizeiliche Gefahr wie eine ungesicherte Unfallstelle oder ein Mann mit Waffe vor dem Bankschalter", erklärt er.
Aber: Die Drohnenflüge dienen nach Einschätzung des Experten nicht nur zur militärischen Aufklärung, sondern aus Sicht von Russland auch auch dazu, Schwachstellen der Infrastruktur aufzudecken. "Beides empfinde ich durchaus als bedrohlich - auch wenn keine unmittelbare Gefahr für die Menschen vor Ort besteht."
Holger Schmidt - ARD Terrorismusexperte und Leiter der Redaktion "Datenjournalismus und Reporter" im SWR © SWR/Stefanie Schweigert
Illegale Drohneneinsätze kaum aufzuklären
Die Chance, diese Fälle aufzuklären, gleiche der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. "Ein erfahrener Drohnenpilot, der sich zudem nicht an die Regeln hält, ist kaum zu entdecken und die Drohne ist nur schwer zu stoppen." Eigentlich müsse ein ziviler Drohnenpilot immer Sichtkontakt zur Drohne haben. Doch technisch gehe es auch anders, dann sei der Pilot kaum zu ermitteln.
Außerdem sei es technisch schwer, die Drohne zum Absturz zu bringen. Zumal das auch Risiken durch herabfallende Gegenstände berge. "Und es ist höchst unwahrscheinlich, dass auf diesen Drohnen eine Plakette angebracht ist, auf der der Eigentümer steht - wie es Vorschrift wäre", so der Terrorismusexperte.
Deutschland machtlos gegen Spionageflüge?
Es gebe wenige effektive Mittel gegen Drohnen. "Das sehen wir auch im Kriegsverlauf in der Ukraine", erklärt Schmidt. "Militärische Systeme, die größere Drohnen abschießen können, bergen große Risiken für die Menschen am Boden - ganz unabhängig von der Frage, ob sie in Friedenszeiten in Deutschland eingesetzt werden dürfen. Zumal ein einziger Schuss eines solchen Systems enorm teuer ist - wir reden von sechsstelligen Beträgen."
"Jammer" seien eine Möglichkeit - das sind technische Systeme, die als eine Art Störsender die Kommunikation zwischen Pilot und Drohne stören. Schmidt gibt allerdings zu bedenken: "Gerade an einem Flugplatz birgt das neue Risiken für den regulären Flugverkehr."
Innenminister Ebling: "Brauchen technische Antworten"
Bleibt die Frage, wie Rheinland-Pfalz auf die russischen Spionageflüge reagieren soll. "Die Antwort kann in erster Linie eine gelassene sein: Da ist nicht viel zu holen und zu informieren", so der rheinland-pfälzische Innenminister.
"Gleichzeitig finde ich, ist auf eine solche Herausforderung immer auch mit technischen Möglichkeiten zu antworten. Ich habe deshalb der Bundesregierung deutlich gemacht: Wir brauchen technische Antworten darauf." Die hätten mit Fragen zu tun, was ist im Luftraum möglich sei, um Drohnen zu entdecken und vom Himmel zu holen. "Das übersteigt die Fähigkeiten, die Länderpolizeien in Deutschland haben, deutlich."
Sendung am Mi., 8.1.2025 13:00 Uhr, Der Nachmittag, SWR1 Rheinland-Pfalz