Gisèle Pelicot, die von ihrem Ex-Mann für Massenvergewaltigungen missbraucht wurde. Nun wurde er verurteilt.

Rheinland-Pfalz Fall Gisèle Pelicot - Weißer Ring hofft auf Lerneffekt durch Prozess

Stand: 19.12.2024 13:16 Uhr

Ein Gericht in Avignon hat 51 Männer wegen Vergewaltigung einer Frau schuldig gesprochen. Die in Mainz sitzende Opferschutzorganisation "Weißer Ring" hofft durch das Urteil auf ein Umdenken in Deutschland.

50 Männer sowie der frühere Partner des Vergewaltigungsopfers Gisèle Pelicot waren im Missbrauchsverfahren in Avignon angeklagt. Über Jahre, so das Gericht in seiner Urteilsbegründung, hätten die Männer die Französin Pelicot missbraucht. Pelicot selbst schätzte zuletzt, dass sie etwa 200 Mal vergewaltigt wurde.

Die Scham muss die Seite wechseln. Gisèle Pelicot, Vergewaltigungsopfer

Gisèle Pelicot sei nicht nur eine bewundernswert tapfere Frau, sagt Bianca Biwer, die Bundesgeschäftsführerin des Weißen Ring. Ihr sei vielmehr ohne jede Einschränkung zuzustimmen, wenn sie fordere: "Die Scham muss die Seite wechseln". Niemand müsse sich schämen, Opfer einer Straftat geworden zu sein, so Biwer. Und: "Für Taten sind Täter verantwortlich, niemals die Opfer". Dass "diese Erkenntnis endlich auch in Deutschland die letzten Zweifler erreicht, die immer noch meinen, die Kleidung eines Vergewaltigungsopfers oder der Trennungswunsch eines Femizidopfers hätten etwas mit dem Verbrechen zu tun", sei ihr Wunsch, so die Sprecherin der Mainzer Opferschutzorganisation. 

Was ist ein Femizid?
Als Femizid bezeichnet man die Tötung einer Frau oder eines Mädchens aufgrund ihres bzw. seines Geschlechts. Wird in Deutschland jemand von seinem (Ex-)Partner oder Ehepartner getötet, ist in über 90 Prozent der Fälle das Opfer weiblich. 2021 wurde rechnerisch alle drei Tage eine Frau von ihrem (Ex-)Partner oder Ehepartner getötet. Das geht aus der polizeilichen Kriminalstatistik des Bundeskriminalamts hervor. Ein versuchtes Tötungsdelikt gegen eine Frau durch (Ex-)Partner oder Ehemann gab es rechnerisch sogar fast jeden Tag. In Notfällen könne sich betroffene Frauen auch an das Hilfetelefon unter der Nummer 0800 0116 016 wenden. Woher stammt der Begriff? Der Begriff Femizid wird inzwischen von vielen Frauenorganisationen und Aktivistinnen und Aktivisten, aber auch in der Wissenschaft verwendet. Auch Journalistinnen und Journalisten sprechen verstärkt von Femizid, um beschönigende und irreführende Begriffe wie "Familiendrama", "Ehrenmord" oder "häusliche Gewalt" zu vermeiden und auf das Ausmaß der Gewalt aufmerksam zu machen. Der Begriff geht auf die Soziologin und Feministin Diane E. H. Russell zurück. Er soll verdeutlichen, dass es sich dabei um Hassverbrechen handelt. Diese geschehen laut Russell entweder aus Frauenhass, oder weil Frauen aus traditionellen Rollenvorstellungen ausbrechen. 2011 hat der Europarat die Istanbul-Konvention beschlossen, die seit 2018 auch in Deutschland verbindlich ist. Darin wird geschlechtsspezifische Gewalt als "strukturelles Problem" anerkannt. Die 46 Mitgliedsstaaten des Europarats verpflichten sich durch die Konvention, unter anderem "Gewalt gegen Frauen zu verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen". (Europarat und Rat der EU sind leicht zu verwechseln, aber nicht dasselbe - hier wird der Unterschied erklärt.)

Vielleicht trage das "furchtlose Auftreten" Pelicots in der Öffentlichkeit dazu bei, sagt Biwer. Allerdings sollte jedem Opfer eines Verbrechens, das seine Privatsphäre schützen möchte und auf Anonymität bestehe, dies auch zugestanden werden.

Bundesweite Hilfe für Frauen, die Gewalt erfahren
Das bundesweite Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" berät rund um die Uhr zu allen Formen von Gewalt gegen Frauen. Denn es ist wichtig, dass die Betroffenen jederzeit jemanden erreichen können und Hilfe erhalten. Zum Beispiel dann, wenn der Täter gerade nicht zu Hause ist. Unter der Telefonnummer 08000-116 016 und per Online-Beratung auf www.hilfetelefon.de berät das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" rund um die Uhr, anonym und kostenfrei. Auch Angehörige oder Freunde können dort anrufen, wenn sie Rat brauchen, wie sie einer Betroffenen helfen können.
Auf dieser Website www.frauennotruf-mainz.de/frauennotrufe-in-rheinland-pfalz findet man die Kontakte zu sämtlichen Frauen-Notrufangeboten in Rheinland-Pfalz.

Hauptangeklagter legte im Prozess Geständnis ab - 20 Jahre Haft

Das Verfahren von Avignon ging am Donnerstag nach knapp vier Monaten zu Ende. Der Hauptangeklagte und Ex-Mann des Opfers, der 72 Jahre alte Dominique Pelicot, hatte im Prozess gestanden, seine damalige Partnerin über fast zehn Jahre hinweg immer wieder mit Medikamenten betäubt, missbraucht und Fremden zur Vergewaltigung angeboten zu haben. Er wurde der schweren Vergewaltigung für schuldig befunden und zu einer Gefängnisstrafe von 20 Jahren verurteilt.

50 weitere Männer standen ebenfalls vor Gericht, die meisten wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung. Bis auf drei von ihnen wurden alle wegen schwerer Vergewaltigung schuldig gesprochen. Die übrigen drei wurden wegen versuchter Vergewaltigung beziehungsweise wegen sexueller Gewalt schuldig gesprochen.

Sendung am Do., 19.12.2024 11:00 Uhr, SWR1 RP Nachrichten