In Rheinland-Pfalz steigen die Straftaten gegenüber queeren Menschen in den letzten Jahren an. Unterstützer fordern mehr Anlaufstellen und Ansprechpersonen für Opfer.

Rheinland-Pfalz Gewalt gegen queere Menschen in RLP nimmt zu

Stand: 18.09.2024 08:00 Uhr

Die Gewalttaten gegen queere Menschen in Rheinland-Pfalz nehmen zu. Im vergangenen Jahr gab es insgesamt 51 angezeigte Taten, 2019 waren es noch zwölf Straftaten.

Beim Christopher-Street-Day sind queere Menschen und Unterstützende bunt und zahlreich auf den deutschen Straßen zu sehen. Aber Vereine und Initiativen, die sich für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transidente sowie intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen im Land stark machen, befürchten eine weiter wachsende Polarisierung, die sich in Hassrede und Straftaten gegenüber queeren Menschen äußert.

In Rheinland-Pfalz steigen die Zahlen an Straftaten gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transidenten sowie intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität in den letzten Jahren kontinuierlich an. Mit wachsender Aufmerksamkeit für Queere steigt auch der Hass, dem sie ausgesetzt sind.

Großteil der Straftaten werden nicht angezeigt

Aber nur etwa zehn Prozent der Menschen, die Opfer von queerfeindlicher Kriminalität werden, zeigen diese auch an. Die Dunkelziffer liege bei 90 Prozent. Das Anzeigeverhalten verbessere sich allerdings, so Diana Gläßer, Ansprechperson für queere Menschen bei der rheinland-pfälzischen Polizei. Bundesweit seien im vergangenen Jahr über 2.300 queerfeindliche Straftaten erfasst worden.

Hass und Desinformationen im Netz

Ein großes Problem für die Stimmung in der Gesellschaft sei der Einfluss von Personen im Netz mit einer großen Zahl von Followern, betont Diana Gläßer.

Wir sehen in der Gesellschaft gerade ein großes Maß an Desinformation Diana Gläßer, Ansprechperson der Polizei des Landes für lesbische, schwule, bisexuelle, transidente und intergeschlechtliche Menschen

Gerade bei jungen Menschen in der Findungsphase hätten diese Botschaften, bei denen es oft um Anfeindungen, Beleidigungen und Hass gehe, einen viel größeren Effekt als Argumente, ergänzt Joachim Schulte vom Verein QueerNet Rheinland-Pfalz.

Mehr Täter oder mehr Anzeigen?

Die Ursache für den Anstieg zu benennen, ist schwierig. Auf Anfrage der Freien Wähler erklärte RLP-Innenminister Michael Ebling (SPD), dass die Zahlen entweder aufgrund gestiegenen Bewusstseins für homo-, bi-, trans- und interphobe Tatmotivationen gestiegen sein könnten oder aber aufgrund verbesserten Zugangs für Opfer zur Polizei.

Wofür steht "LGBTQIA+", und was bedeutet "queer"?

"LGBTQIA+" ist eine Abkürzung für Lesbian, Gay, Bi, Trans, Queer, Intersexual und für Asexual. Auf Deutsch steht das also für lesbisch, schwul, bisexuell, trans, queer, intersexuell und asexuell. Damit werden sexuelle und geschlechtliche Identitäten beschrieben. Das + soll alle Menschen mit einbeziehen. Oft werden auch die Abkürzungen "LSBTI" oder "LSBTIAQ" verwendet. Sie stehen jeweils für die deutschen Übersetzungen. Der englische Begriff "queer" bedeutet "seltsam" oder "sonderbar" und stand damals für "schwul". Entsprechend wurde "queer" lange Zeit als Schimpfwort verwendet, hauptsächlich für schwule Männer. Seit Mitte der 1990er-Jahre wird der Begriff zunehmend als Selbstbeschreibung genutzt und damit positiv besetzt. Queere Menschen sind Menschen, deren sexuelle und/oder geschlechtliche Identität nicht in die gesellschaftliche Vorstellung passt. Sie sind zum Beispiel homosexuell, trans* oder inter*. "Queer" kann demnach als Sammelbegriff für alle Identitäten gebraucht werden, die irgendwie gefühlt "außerhalb der gesellschaftlichen Norm" liegen.

Forderung nach mehr Anlaufstellen und Zuständigen

Die Arbeit von Diana Gläßer habe bereits Früchte getragen, so sei das Netzwerk bis in die ländlichen Regionen von Rheinland-Pfalz gewachsen und das Misstrauen gegenüber Polizei und Justiz verringert worden, wie QueerNet-Sprecher Schulte sagt.

Der Verein fordert aber weitere Maßnahmen, um Queeren besseren Schutz und mehr Sichtbarkeit zu gewähren. In jeder Polizeidienststelle solle ein Ausdruck des ersten Grundgesetzartikels vor einem Hintergrund, der das vielfältige Deutschland zeigt, hängen. Außerdem solle es in jedem Polizeipräsididum eine offizielle Ansprechperson für Queere geben.

Rheinland-Pfalz hat sich zwar bereits auf den Weg gemacht, um queeren Menschen mehr Unterstützung zu geben. Aber es ist noch nicht genug passiert. Joachim Schulte, Sprecher des Vereins QueerNet

Sexuelle Identität in Artikel 3 des Grundgesetzes aufnehmen?

Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), hatte zuletzt gefordert, die sexuelle Identität in Artikel 3 des Grundgesetzes aufzunehmen. Bisher steht dort, dass niemand "wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden" darf.

Sendung am Di., 17.9.2024 5:00 Uhr, Guten Morgen RLP, SWR1 Rheinland-Pfalz

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