Rheinland-Pfalz Interventionsstelle: Betroffene sind nicht Schuld an häuslicher Gewalt
Die Interventionsstelle Trier hilft Frauen, die körperliche und seelische Gewalt erfahren haben. Zwei Frauen erzählen anlässlich der Orange Days, wie ihnen dort geholfen wurde.
Die Räume strahlen Behaglichkeit und Ruhe aus. "Das soll auch so sein", sagt Psychologin Isabel Ahrweiler, eine von drei Frauen, die hier arbeiten. Die Interventionsstelle Trier ist offen für alle Menschen, die in ihrer Beziehung Gewalt ausgesetzt sind, meist sind es Frauen. Der erste Schritt ist oft ein Gespräch in einem geschützten Raum.
Die Interventionsstelle Trier bietet Frauen Hilfe an, die in ihrer Beziehung Gewalt ausgesetzt sind. Alles beginnt mit einem Gespräch. Dafür bietet die Stelle einen geschützten Raum.
Interventionsstelle entwickelt individuellen Plan
Kommt es wegen häuslicher Gewalt zu einem Polizeieinsatz oder wird bei der Polizei eine Anzeige gemacht, fragt die Opferhilfe der Polizei die Betroffene, ob sie ihre Kontaktdaten an die Interventionsstelle geben soll.
Man kann sich aber auch aus eigenem Antrieb an die Interventionsstelle wenden. Mit der Betroffenen entwickeln die Mitarbeiterinnen dann einen individuellen Schutzplan.
Opfer sollen wieder stark gemacht werden
Gewalt in Beziehungen habe viel mit Manipulation, Macht und Kontrolle zu tun. Oft brächten die Täter ihre Opfer dahin, sich selbst schuldig zu fühlen.
Von dieser Last wolle man Opfer von Gewalt befreien und ihnen dabei helfen, stark zu werden und unabhängig zu entscheiden, was sie wollen. "Was möchtest du und wo möchtest du hin", dabei wollen wir helfen, sagt Isabel Ahrweiler.
Ich habe mich das erste Mal verstanden gefühlt. Daniela Kurella, Künstlerin und Gewaltopfer
Die Künstlerin Daniela Kurella hat mehrmals in Beziehungen Gewalt erfahren. Über die Opferhilfe der Polizei erfuhr sie von der Interventionsstelle. "Ich habe mich das erste Mal verstanden gefühlt", sagt sie. Einmal im Monat nimmt sie an den Gesprächen der Selbsthilfegruppe teil.
Die Interventionsstelle Trier hilft Menschen, die in ihrer Beziehung Opfer von Gewalt geworden sind. Meist sind es Frauen. Einmal im Monat trifft sich hier eine Selbsthilfegruppe zum Gespräch.
Treffen der Selbsthilfegruppe als Erlösung
Daniela Kurella erzählt, dass sie bei den ersten Treffen mit der Selbsthilfegruppe nur geweint habe, sie sei verängstigt gewesen, aber es sei auch eine Erlösung für sie gewesen, mit ihrer Erfahrung nicht alleine dazustehen. "Ich habe zum ersten Mal Dinge auch von anderen Frauen gehört, die ich erlebt hatte", sagt sie.
Täter haben oft zwei Gesichter
Viele Frauen, die in ihrer Beziehung Opfer von Gewalt werden, machen die Erfahrung, dass ihnen selbst ihr näheres Umfeld nicht glaubt. Gemeinsamen Freunden, Verwandten, Kollegen gegenüber zeigten und verhielten sich die Täter ganz anders, schildern die Frauen.
In ihrem Fall sei der Täter nach außen fröhlich, zugewandt, sympathisch erschienen, erzählt Daniela Kurella. Aber zuhause sei er das Gegenteil gewesen: "Ein Psychopath, gewaltvoll, laut und einfach nur böse." Diese Erfahrung machten viele Frauen, die Opfer von Gewalt werden.
Diese Frauenfotos hängen in der Interventionsstelle Trier. Eine von Gewalt in ihrer Beziehung betroffene Frau hat sie den Beraterinnen geschenkt.
Gewalt kommt in allen sozialen Schichten vor
Gewalt in Beziehungen komme in allen gesellschaftlichen Schichten vor, beobachtet Isabel Ahrweiler von der Interventionsstelle Trier.
Oft folgten diese toxischen Beziehungen einem Muster: nach einem tollen Start komme es zu einem Kreislauf von Gewalt, unterbrochen von Phasen, in denen der Mann wieder liebevoll sei. Viele Frauen klammerten sich dann an diese harmonische Phasen, so die Psychologin.
Ich wollte es mir selbst lange nicht eingestehen. Daniela Müller, Fotografin und Gewaltopfer
So erging es auch Daniela Müller, die vor fünf Jahren erstmals in Kontakt mit der Interventionsstelle kam. "Ich wollte es mir selbst lange nicht eingestehen und habe immer noch Entschuldigungen gesucht, warum er so ist, wie er ist", erzählt sie. Man klammert sich an die Hoffnung, dass der Partner wieder so wird wie am Anfang der Beziehung.
Finanzielle Abhängigkeit vom Mann
Besonders für Frauen, die finanziell von einem gewalttätigen Mann abhängig sind und gemeinsame Kinder mit ihm haben, sei es schwer, sich aus der Gewaltspirale zu befreien, beobachtet auch die Interventionsstelle.
Auch Daniela Müller hatte Angst, durch eine Trennung ihren sozialen Status zu verlieren. Immer wieder habe sie folgenden Satz zu Hause zu hören bekommen: "Ohne mich bist du nichts!" - "Wenn dir das jemand 100 mal sagt, glaubst du es am Ende", sagt sie
Interventionsstelle will Mut machen
Nach einem Schlag auf die Nase beendete Daniela Müller endgültig die Beziehung, zog erst einmal mit ihren Kindern zu ihren Eltern. Sie konnte ihr Leben neu aufstellen.
Die Gespräche mit den Frauen in der Interventionsstelle hätten sie darin bestärkt, dass sie auf dem richtigen Weg sei. Seit einiger Zeit macht sie andere Frauen auf das Hilfsangebot aufmerksam. Unter anderem hat sie von Gewalt betroffene Frauen für einen Kalender fotografiert. Mittlerweile ist daraus auch ein Kunstprojekt entstanden. Die Bilder sind seit Mitte November im Kloster Hermeskeil ausgestellt.
Immer mehr häusliche Gewalt auch in der Region Trier
Die Fälle häuslicher Gewalt steigen auch in der Region Trier. 2023 registrierte das Polizeipräsidium nach eigenen Angaben fast 1.800 Fälle. Im ersten Halbjahr dieses Jahres waren es schon fast 1.000.
Isabel Ahrweiler von der Interventionsstelle Trier wünscht sich zum Orange Day eine sichere Finanzierung von Frauenhäusern, aber vor allem auch viel mehr Präventionsarbeit.
Zum Internationalen Aktionstag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen, dem Orange Day, beteiligen sich auch viele Trierer Geschäftsleute und dekorieren ihre Schaufenster in Orange. Dieser orangefarbene Koffer steht im Schaufenster eines Taschengeschäfts am Trierer Hauptmarkt.
Die UN-Kampagne "Orange the world" macht seit 1991 auf Gewalt gegen Frauen und Mädchen aufmerksam. Schon vor dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, dem 25. November, bis zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember gibt es auch in der Region Trier viele Aktionen. Am 22. November in Daun - die Flagge gegen Gewalt wird vor der Kreisverwaltung des Vulkaneifelkreises gehisst. Menschen gehen gemeinsam mit orangenen Schirmen zum Forum Daun. Schülerinnen geben Frauen eine Stimme. Am 22. November in Birkenfeld - Vor dem Schloss Birkenfeld wird die orangefarbene Flagge gehisst und Menschen eröffnen mit orangefarbenen Schirmen symbolisch die orange days. Am 23. November in Trier - die Künstlerin Daniela Kurella macht eine Aktion in Orange vor der Porta Nigra. Die Band Alpina weiß bescheid hat einen Song zum Orange day komponiert, das Katztheater und das Satiricon Theater machen bewegtes Theater und ziehen in Orange durch die Trierer Innenstadt. Vom 30. Oktober bis zum 5. Dezember hat Daniela Kurella mit weiteren Künstlerinnen und Künstlern auch eine Ausstellung in der Trierer Kioskbühne zu den orange days. 25. November bis 10. Dezember in Wittlich - Der Verein "Kunst an Hecken und Zäunen e.V." hat verschiedene Aktionen zu den Orange days organisiert. Im Kinopalast Wittlich wird der Film "Der Zopf" gespielt, es gibt eine Maskenperformance im offenen Treff des WILavie, einen Workshop für Mädchen und Frauen im Karate-Club Wittlich, einen Workshop "Die Kunst, sich selbst zu sehen" in der Stadtbücherei Wittlich und ein Abschlusskonzert in der Synagoge Wittlich der Musikerin Tanja Silcher. Am 25. November gibt es um 19 Uhr im Haus Beda in Bitburg einen Vortrag zur "Istanbul-Konvention". Veranstalter sind die Soroptimisten Bitburg-Prüm und Trier in Kooperation mit den Gleichstellungsbeauftragten der Landkreise Bitburg-Prüm und Trier-Saarburg Am 25. November in Trier - Um 18 Uhr startet von der Porta Nigra aus eine Demonstration zum Orange Day. Das Klinikum Mutterhaus Trier lässt das von ihm gekaufte Gebäude am Viehmarkt in leuchtendem Orange erstrahlen, um ein Zeichen zu setzen. Auch das Trierer Rathaus wird orange angestrahlt und die Flagge von UN Frauenorganisation wird gehisst. Es gibt einen Infostand in der Fleischstraße des Fördervereins des Frauenhauses. 155 Paar orangene Frauenschuhe machen auf die 155 Frauenmorde hin, die es im letzten Jahr in Deutschland gab.
Interventionsstellen helfen allen Menschen, die unter Gewalt in ihrer Beziehung leiden. Solche Interventionsstellen gibt es in der Region Trier in Trier, Daun und Idar-Oberstein. Hilfe finden Gewaltopfer auch beim Frauennotruf Trier und dem Opferschutz der Polizei. Es gibt in der Interventionsstelle Trier seit diesem Jahr auch eine Sprechstunde für queere Menschen.
Sendung am Mo., 25.11.2024 6:30 Uhr, SWR1 RP Nachrichten