Rheinland-Pfalz Notfallseelsorger aus Pfalz berichtet: "Wir leisten Erste Hilfe für die Seele"
Im vergangenen Jahr haben in der Pfalz 500 Mal Notfallseelsorger die Polizei und Rettungsdienste bei Einsätzen unterstützt. Über 100 Ehrenamtliche stehen Angehörigen von Verunglückten in akuten Situationen zur Seite. SWR Aktuell stellt zwei Notfallseelsorger vor.
Horst Stauder aus Ludwigshafen ist von Beruf Prozessleittechniker. Doch seine Berufung ist es, Menschen in Not beizustehen, sagt er. Bevor er sich vom Bistum Speyer zum Notfallseelsorger hat ausbilden lassen, war er bereits als Krankenhausseelsorger an der BG Klinik in Ludwigshafen tätig. "Ich kann sehr gut zuhören. Das sagen auch immer Familienmitglieder und Freunde", erzählt der ehrenamtliche Notfallseelsorger. Seine fünfzehn Monate lange Ausbildung hat er im Sommer diesen Jahres beendet. Seitdem war er schon sehr oft im Einsatz.
Notfallseelsorger trösten Angehörige von plötzlich Verstorbenen
Notfallseelsorger Stauder: oft bei den Menschen zu Hause
"Am häufigsten wird man zu Menschen nach Hause gerufen, die den plötzlichen Tod eines lieben Angehörigen miterleben mussten, etwa weil er einen Herzinfarkt erlitten hat. Die Reanimation durch die Rettungskräfte ist nicht gelungen und die Angehörigen stehen unter Schock", berichtet Horst Stauder. Die Angehörigen aus dieser Schockstarre wieder herauszuholen, das ist die Aufgabe der Notfallseelsorger, weiß er. "Wir sind da, wenn die Rettungskräfte, wie Sanitäter, Notärzte und Polizei gegangen sind und leisten sozusagen erste Hilfe für die Seele", so Stauder.
Wir sind da, wenn die Rettungskräfte, wie Sanitäter, Notärzte und Polizei gegangen sind und leisten sozusagen erste Hilfe für die Seele. Horst Stauder, Notfallseelsorger aus Ludwigshafen
Notfallseelsorger holen Menschen aus der Schockstarre
Die Angehörigen von Todesopfern wieder handlungsfähig zu machen, sie bei den ersten organisatorischen Aufgaben, wie etwa beim Suchen eines Bestatters, zu unterstützen, gehört auch zu den Aufgaben der Notfallseelsorger. Aber vor allem sind sie da, um den Angehörigen zuzuhören und Trost zu spenden. "Solange, bis wir das soziale Netzwerk der Angehörigen kontaktiert haben, etwa andere Familienmitglieder, Freunde. Wir lassen niemanden alleine, bis nicht klar ist, wer jetzt für die Angehörigen des Verstorbenen da ist", bekräftigt Horst Stauder.
"Die Einsätze sind hart und gehen nah"
Manchmal reicht aber die Hilfe von anderen Familienmitgliedern nicht aus. Dann vermitteln die Notfallseelsorger auch professionelle psychologische Unterstützung. Die Einsätze sind hart, bestätigt Stauder. Notfallseelsorger werden gerufen, wenn Menschen einen Suizid begangen haben, bei schweren Unfällen, ob auf der Straße oder auf der Schiene. "Ich habe einen Lokführer betreut, der einen Menschen überfahren hat, weil sich dieser vor den Zug geworfen hat. Dieser Einsatz ging mir schon ein paar Tage noch nah", berichtet Horst Stauder.
Notfallseelsorgerin: darüber sprechen ist wichtig
"Wir haben aber jederzeit die Möglichkeit, mit jemandem über unsere Einsätze zu sprechen", betont Silke Steigner aus Pirmasens. Die ausgebildete Altenpflegerin hat ebenfalls in diesem Jahr den Ausbildungskurs zur Notfallseelsorgerin abgeschlossen. "Sehr viele Familienmitglieder, auch mein Mann, sind bei der Freiwilligen Feuerwehr. Da habe ich erlebt, wie wichtig es ist, nach schwierigen Einsätzen mit jemandem sprechen zu können. Daher habe ich die Ausbildung gemacht", erzählt Steigner.
Leisten bei Unglücken Erste Hilfe für die Seele: Notfallseelsorger
Mitgefühl ist erlaubt, Mitleiden nicht
"Es ist nicht so, dass wir mit einem fertigen Gesprächsbaukasten in diese Situationen hineingehen. Jede Situation ist anders, jeder Mensch ist anders. Wichtig ist es, ruhig zu bleiben und zu schauen: Was benötigen die Betroffenen jetzt in dieser Situation?", erklärt die Notfallseelsorgerin. "Ich darf mitfühlen, aber nicht mitleiden, sonst helfe ich den Betroffenen nicht", weiß Silke Steigner. "Manche Familienangehörige oder Freunde fragen, warum tust du dir das an? Ich antworte dann immer: ich tu mir nichts an, ich bin einfach für die Menschen da".
Immer mehr Ehrenamtliche arbeiten als Notfallseelsorger bei Unglücksfällen
Abschiedsrituale anbieten
Horst Stauder erzählt, dass er als gläubiger Christ auch gerne Abschiedsrituale anbietet. Er hat auch schon mit Betroffenen gemeinsam gebetet. In Ludwigshafen war er auch schon häufig bei Bürgern muslimischen Glaubens zu Hause. "Das kommt natürlich in einer Stadt wie Ludwigshafen recht oft vor. Bei meinem letzten Einsatz war auch ein Imam da. Doch trotz aller Aufregung und obwohl viele Menschen beim Verstorbenen waren, haben sich Frauen hinterher bei mir bedankt. Ich hätte so schöne Worte gefunden. Das bestärkt einen natürlich in der persönlichen Arbeit", lautet das Fazit von Horst Stauder.
Sendung am Do., 14.11.2024 14:00 Uhr, SWR4 am Nachmittag, SWR4