
Rheinland-Pfalz Pfalz: Psychiater über mentale Gesundheit - So kommen wir durch Krisenzeiten
Wie bleibt man angesichts der aktuellen Weltlage mental stabil? Wir haben mit dem Psychiater Markus Steffens von der Resilienz-Initiative "Die Pfalz macht sich/dich stark" gesprochen.
Markus Steffens: Diese Dinge können deutliche Stressoren sein, also Ereignisse, die uns entweder akut belasten oder gar über einen längeren Zeitraum. Manche fühlen sich wegen solcher Ereignisse hoffnungslos oder hilflos, bei anderen verschärft sich eine negative Sicht auf unsere Zukunft.
SWR Aktuell: Warum fühlen wir überhaupt mit bei Welt-Ereignissen, die uns erstmal gar nicht selbst betreffen?
Steffens: So unbetroffen sind wir von der Weltlage ja nicht. Oft kennt man vielleicht doch jemanden aus der Ukraine oder hat Verwandte, die zum Beispiel in den USA leben. Und wir Menschen haben die Fähigkeit, zu antizipieren, was sich weiterentwickeln könnte. Wie es zum Beispiel indirekt auch uns bald treffen kann, wenn Trump mit Selenskyj streitet.
SWR Aktuell: Wie wirken sich dann diese Stressoren auf unsere mentale Gesundheit aus?
Steffens: Sie können zu einer psychischen Belastung führen, sodass zum Beispiel das Anspannungslevel steigt. Es ist völlig normal, dass das mal höher und mal niedriger ist. Aber wenn man andauernd Stressoren erlebt, dann steigt das Spannungslevel langfristig, das grundsätzliche Stresslevel ist deutlich erhöht. Das lässt sich dann etwa auch daran erkennen, dass zum Beispiel die eigene Kortisol-Produktion im Körper erhöht ist.
So etwas heißt nicht, dass es dann automatisch zu einer psychischen Erkrankung oder Störung kommt. Aber wenn das Stresslevel ganz stark ansteigt, dann kann eine Schwelle zum Beispiel zu einer Depression durchbrochen werden.
SWR Aktuell: Bei der Initiative "Die Pfalz macht sich/dich stark" kümmern Sie und Ihr Team sich um Resilienz, also psychische Widerstandsfähigkeit. Wie bleibt man mental stabil, wenn die Welt um uns herum auseinanderfällt?
Steffens: Resilienz ist etwas, das man trainieren kann. Auch unabhängig von Krisen sollte man daran arbeiten. Wir unterscheiden dabei zwischen drei Resilienz-Säulen: Die persönliche Säule, die familiäre Säule und die soziale Säule. In jeder dieser drei Säulen können wir trainieren, um resilient gegen Krisen zu sein.
SWR Aktuell: Wie funktioniert das ganz praktisch?
Steffens: Man kann sich zum Beispiel fragen: Was sind Aktivitäten, die mir guttun? Also auf der persönlichen Ebene ansetzen. Manche gehen gerne eine Runde joggen oder spazieren, anderen tut es gut, in Ruhe ein Buch zu lesen. Unser Körper und die Psyche hängen eng zusammen, wir sollten deshalb auch auf unseren Körper achten. Bewegung, ausreichend Schlaf, gute Ernährung, raus in die Natur – all das ist wichtig.
Man sollte auch darüber nachdenken: Wo kann ich meine Fähigkeiten, die ich gerne an mir mag, einsetzen? Das geschieht dann auch auf der sozialen Ebene. So, dass ich Sinnhaftes tue, und eine positivere Lebenseinstellung und Selbstwahrnehmung bekomme.
SWR Aktuell: Sinnhaftes tun, das heißt: Meiner Nachbarin beim Einkauf helfen, mich vor Ort politisch engagieren?
Steffens: Das ist bei jedem unterschiedlich. Aber schon kleine Dinge können das Selbstbewusstsein stärken und helfen, das Gefühl der Hilflosigkeit zu reduzieren. Es ist nicht hilfreich, sich noch mehr Arbeit aufzuladen, wenn man ohnehin schon erschöpft ist. Aber wenn man es macht, um Lösungen zu finden und sich wirksam einsetzen möchte, dann können das solche Dinge sein, die Sie nannten.
Manchen hilft es auch, Dankbarkeit zu üben, zum Beispiel mit einem Dankbarkeitstagebuch. Da schreibt man abends drei Dinge rein, die am Tag gut liefen, die schön waren. So bekommt man eine positive Lebenseinstellung und Hoffnung zurück. Man kann sich auch Fähigkeiten aneignen, um in eine Selbstregulation von Stresserfahrungen reinzukommen, zum Beispiel Atemübungen. Auch positiv gelebte Religiosität kann sehr hilfreich sein.
SWR Aktuell: Resilienz und mentale Gesundheit sind in den letzten Jahren ein immer größeres Thema geworden - sind wir als Gesellschaft verweichlicht?
Steffens: Nein, wir sind nicht verweichlicht, da gibt es keine Studien, die das belegen würden, das sicher nicht. Zum einen leben wir in einer Zeit, in der die Stressoren von außen zugenommen haben, über die wir vorhin gesprochen haben. Und auch die Pandemie hat im persönlichen Umfeld dafür gesorgt, dass viele Stressfaktoren dazu kamen. Außerdem ist mentale Gesundheit dankenswerterweise nicht mehr so tabuisiert. Lange Zeit gab es da viele Stigmata und Vorurteile.
Und auch in der Wissenschaft liegt der Fokus nicht mehr nur auf der pathogenen Seite, dem Krankheitskonzept. Sondern wir fragen präventiv: Was hält uns gesund, was stärkt uns? Denn dass das Stresslevel ansteigt, dass es uns mental mal nicht gut geht - das kann absolut jedem Menschen passieren.
Mehr Informationen zum Thema Resilienz finden Sie auf der Website der Initiative
Sendung am Fr., 14.3.2025 10:00 Uhr, SWR4 am Vormittag, SWR4