Rheinland-Pfalz Tafeln in der Pfalz haben zu wenig Lebensmittel
Die Situation bei den Tafeln in Deutschland ist ernst: Rund 60 Prozent von ihnen müssen ihre Ausgabe an Lebensmitteln reduzieren, weil es immer mehr Bedürftige gibt. Auch in Rheinland-Pfalz greifen die Tafeln teilweise zu solchen Mitteln.
In der vergangenen Woche sorgte ein Interview mit dem Chef des Tafel-Dachverbandes, Andreas Steppuhn, für Aufsehen. 60 Prozent der Tafeln in Deutschland könnten nicht so viele Lebensmittel an Bedürftige ausgeben, wie sie wollten, sagte Steppuhn der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die anderen Tafeln versuchten, sich mit Aufnahmestopps und Wartelisten zu helfen. Hintergrund sei, dass es deutlich mehr Bedürftige gebe. Ihre Zahl sei seit 2022 - dem Beginn des Kriegs in der Ukraine - um 50 Prozent gestiegen.
Diese Entwicklung ist auch in Rheinland-Pfalz zu spüren. Vor allem Tafeln im Süden des Landes fällt es zunehmend schwer, alle Bedürftigen mit Lebensmitteln zu versorgen. Das hat eine SWR-Recherche ergeben. Deutlich entspannter ist die Lage dagegen im Norden. Ein Überblick:
Kaiserslautern
Die Tafel in Kaiserslautern rationiert zwar keine Lebensmittel. Dafür hat sie aber einen Aufnahmestopp bis Anfang Februar verhängt - wieder einmal, wie der Erste Vorsitzende Stefan Opitz sagt. Den ersten Stopp habe es nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs gegeben. Nun sei die Lage wieder so angespannt, dass man nicht jeden Interessenten bedienen könne.
Ukrainer machen laut Opitz ungefähr 30 Prozent der Kunden aus. Zehn Prozent kämen aus dem Nahen Osten, die restlichen seien Deutsche - viele von ihnen mit Migrationshintergrund. Insgesamt versorge die Tafel 530 Haushalte mit Lebensmitteln - in diesen lebten 240 Kinder.
Ludwigshafen
"Bei uns ist die Lage absolut angespannt", sagt Jürgen Hundemer von der Tafel Ludwigshafen. Zwar müsse man Lebensmittel nicht rationieren, aber Neukunden müssten drei bis vier Monate warten. Verschärft habe sich die Situation auch in Ludwigshafen mit Ausbruch des Ukraine-Kriegs. Derzeit gebe es wieder viele Bedürftige. Laut Hundemer beziehen allein 420 deutsche Haushalte regelmäßig Lebensmittel von der Tafel. Die zweitgrößte Gruppe seien ukrainische Haushalte, die Hundemer auf 300 beziffert.
Knapp werden bei der Tafel mitunter Kühlprodukte - also Dinge wie Milch, Käse und Joghurt. Hundemer zufolge liegt das auch daran, dass Supermärkte diese Produkte neuerdings länger verkaufen als bisher - fast bis zum Ablauf der Haltbarkeit. Dies sei eine erfreuliche Folge des "Pakts gegen Lebensmittelverschwendung". Dadurch könnten die Geschäfte aber auch weniger Produkte an die Tafeln abgeben. Begeistert zeigt sich Hundemer von der Weihnachtsaktion "Kauf eins mehr": In einem örtlichen Supermarkt konnten Kunden jüngst direkt Spenden für die Tafel kaufen. So seien 150 Kisten mit Lebensmitteln für seine Einrichtung zustande gekommen.
Neustadt, Haßloch, Grünstadt, Annweiler
Auch kleinere Tafeln in der Pfalz erleben derzeit eine höhere Nachfrage von Bedürftigen. Die Einrichtungen in Neustadt an der Weinstraße und Haßloch haben deshalb eine Warteliste eingeführt, auf der weitere einhundert Haushalte auf Unterstützung hoffen. Engpässe gibt es in den Tafeln im Moment bei gekühlten Lebensmitteln wie Käse und Wurst, aber auch bei Obst und Gemüse.
Auch in der Tafel Grünstadt müssen Milchprodukte für die knapp 300 Haushalte rationiert werden. Eine Sprecherin nannte dabei Joghurt und Butter, außerdem sind Öl und Kaffee knapp. Grund sei, dass die spendenden Supermärkte sparsamer kalkulierten und weniger den Tafeln geben könnten. Einen Lichtblick gibt es aber: Die Tafel in Annweiler kann ihre rund 150 Kunden-Haushalte nach eigenen Angaben gut versorgen.
Mainz
Rationierung? Fehlanzeige! In der Mainzer Tafel ist die Situation entspannt. Meistens seien am Ende der Woche noch so viele Lebensmittel da, dass man sie in einer Blitzausgabe verteilen könne, sagt Tafel-Chef Dieter Hanspach. "Da kommen meist um die 40 Personen - und jeder kriegt etwas." Insgesamt versorgt Hanspachs Einrichtung 2.000 Menschen. Kommenden Monat könnten etwa 80 weitere Personen aufgenommen werden. "Es kann sein, dass dann zehn Leute leer ausgehen, die müssen sich dann gedulden", so der Tafel-Chef. Es werde aber niemand radikal abgelehnt.
Als Grund für die gute Lage der Mainzer Tafel nennt Hanspach die Unterstützung in der Bevölkerung. Auch dank dieser könne man in diesem Jahr Kaffee und Tee als Weihnachtsbonus an die Kunden verschenken.
Koblenz
"Bei uns ist die Lage mehr als entspannt", sagt Peter Bäsch, der Erste Vorsitzende der Tafel Koblenz. Weder müssten Lebensmittel rationiert werden, noch führe man Wartelisten. Zwar spüre man auch in Koblenz, dass seit Beginn des Ukraine-Kriegs mehr Flüchtlinge die Tafel aufsuchten. So machten Asylbewerber gut 70 Prozent der Kunden aus. Trotzdem gelinge es, die 1.000 Kunden-Haushalte verlässlich zu versorgen. Zudem könne man jedes Quartal neue Kunden aufnehmen.
Bäsch räumt ein, dass die Wahlmöglichkeiten bei den Tafel-Produkten nicht immer groß seien. Wichtig sei aber, dass die Bedürftigen insgesamt Geld sparen könnten. “Selbst wenn jemand nur ein Waschmittel bei der Tafel bekommt, bringt ihm das etwas“, so Bäsch. "Dann muss er das nicht mehr im Supermarkt kaufen und kann sein Geld für etwas anderes ausgeben."
Trier
Die Trierer Tafel-Chefin Regina Bergmann zeigt sich gelassen, wenn man sie auf die Lage in ihrer Einrichtung anspricht: "Wir versorgen annähernd 1.000 Menschen aus der Stadt und dem Landkreis Trier-Saarburg - und das gelingt uns gut", sagt sie. Es seien genügend Lebensmittel für alle Kunden da.
Allerdings gibt es in Trier eine Warteliste. Laut Bergmann müssen sich Neukunden etwa drei Monate gedulden, bis sie Produkte von der Tafel beziehen dürfen - manchmal auch länger. Auf den ersten Blick wirkt dies wie ein Widerspruch zu Bergmanns Gelassenheit - aber auch nur auf den ersten. Denn in Trier gibt es einen Sozialdienst der Caritas. Dieser kann in akuten Notlagen einspringen und Menschen auf der Tafel-Warteliste mit Lebensmitteln versorgen. "So eine Konstruktion würde ich mir auch für andere Tafeln wünschen", sagt Bergmann.
Die Tafel-Geschäftsführerin führt die gute Lage ihrer Einrichtung auch darauf zurück, dass es in der Stadt eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge gebe. "Diese versorgt die Menschen ebenfalls", sagt sie. Über das Sortiment ihrer Tafel kann Bergmann ebenfalls nicht klagen. Es gebe viel Obst und Gemüse, auch Backwaren. Einzig Milchprodukte seien weniger geworden. Leider seien gerade diese bei den Kunden besonders begehrt.
Sendung am Mo., 16.12.2024 6:00 Uhr, SWR4 RP am Morgen, SWR4 Rheinland-Pfalz