Apotheker aus Syrien

Rheinland-Pfalz Wirtschaft in Rheinland-Pfalz fürchtet Abschiebung syrischer Fachkräfte

Stand: 16.01.2025 04:00 Uhr

Nach dem Sturz des Assad-Regimes wird über die Zukunft syrischer Geflüchteter diskutiert. Doch viele von ihnen sind in Rheinland-Pfalz ins Berufsleben integriert. Für ihre Arbeitgeber wären sie schwer zu ersetzen.

Mehr als 50.000 Menschen aus Syrien leben derzeit in Rheinland-Pfalz. Viele von ihnen haben sich inzwischen auf dem Arbeitsmarkt etabliert. "Im Juni 2024 (das ist der aktuellste Datenstand) waren in Rheinland-Pfalz 11.476 Menschen mit syrischer Staatsangehörigkeit sozialversicherungspflichtig beschäftigt", teilte die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit dem SWR mit.

Das seien 1.004 oder 9,6 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Gemessen an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten betrage der Anteil der Syrer 0,8 Prozent, so die Arbeitsagentur. "Würde eine große Zahl dieser Menschen den Arbeitsmarkt verlassen, wäre dies für die betroffenen Unternehmen mit Sicherheit mindestens vorübergehend mit einer Belastung verbunden."

Viele Syrer in "Engpassberufen"

Noch deutlicher formulierte es die Bundesagentur für Arbeit in der vergangenen Woche. Syrische Staatsangehörige leisteten einen wichtigen Beitrag zum Beschäftigungswachstum, teilte die Agentur mit. Dabei seien deutschlandweit "gut zwei Fünftel der syrischen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die in qualifizierten Tätigkeiten arbeiten, im Mai 2024 in Engpassberufen tätig" gewesen - etwa als Kfz-Techniker, als Bus- oder Straßenbahnfahrer sowie in Pflegeberufen. Und die Tendenz steige.

"Viele Syrerinnen und Syrer sind hochqualifiziert und leisten beispielsweise im rheinland-pfälzischen Gesundheitssystem einen essenziellen Beitrag zur Daseinsvorsorge", erklärte auch das Statistische Landesamt in Bad Ems Mitte Dezember.

Handwerk: "Können Syrer sehr, sehr gut brauchen"

Das Handwerk habe ab der ersten Sekunde darauf hingewiesen, "dass wir die Syrer sehr, sehr gut bei uns brauchen können", sagte Kurt Krautscheid, der Präsident der Handwerkskammer (HWK) Koblenz dem SWR. Im Bereich der HWK Koblenz seien in den letzten Jahren mehr als 1.000 junge Syrer ausgebildet worden.

Ich würde mich freuen, wenn wir den Menschen aus Syrien auch politisch deutlich machen würden, dass wir sie brauchen und dass wir sie gerne hier bei uns haben. Kurt Krautscheid, Präsident HWK Koblenz

Eine Sprecherin des Klinikums in Ludwigshafen erklärte auf SWR-Anfrage, dass dort aktuell 21 Menschen arbeiten, die aus Syrien stammen: "Jede und jeden dieser hochqualifizierten Mitarbeitenden würden wir durch einen Weggang stark vermissen. Wir sind zwingend auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen und immer darum bemüht, diese für unsere Einrichtung zu gewinnen."

Unternehmer: Fachkräftelücke könnte sich verschärfen

Auch die Unternehmer sehen die Diskussion um eine schnelle Rückführung der Syrer in ihre Heimat kritisch. "Syrische Flüchtlinge haben sich in den vergangenen Jahren zunehmend in den deutschen Arbeitsmarkt integriert und besetzen wichtige Positionen in Branchen mit akutem Kräftemangel", betonte Steffen Jans von der Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz (LVU). Dazu zählten unter anderem das Gesundheitswesen, das Handwerk und die Gastronomie. "Es besteht die konkrete Gefahr, dass die voreilige Rückführung syrischer Arbeitskräfte die bestehende Arbeits- und Fachkräftelücke weiter verschärfen würde."

"Sicher ist es Arbeitgebern und ihren syrischen Fachkräften nur schwer erklärbar, wenn eine wertvolle Mitarbeiterin oder ein wertvoller Mitarbeiter nach einer gelungenen Integration und erfolgreichen Einarbeitung ausgewiesen werden soll", betonte Melanie Dietz von der Industrie- und Handelskammer (IHK) für Rheinhessen.

Landesregierung warnt vor falschem Signal

Eine Meinung, die die Landesregierung teilt. "Wir müssen uns immer fragen: Wie schaffen wir es, Arbeitskräfte aus dem Ausland für uns zu gewinnen", sagte die rheinland-pfälzische Wirtschaftministerin Daniela Schmitt (FDP). In Rheinland-Pfalz erlebe sie sehr engagierte Syrer. "Es wäre fatal, diesen Leuten das Signal zu geben, dass sie zügig Deutschland verlassen müssen."

Wollen die Syrer zurück?

Die Syrer selbst äußern sich meist eher vorsichtig zu einer möglichen Rückkehr in ihr Heimatland. "Man muss erstmal schauen, wie das in Syrien weitergeht und was von der neuen Regierung zu erwarten ist", sagte Yasser Kaiyas von der syrischen Gesellschaft für Ärzte und Apotheker in Deutschland. Grundsätzlich hätten aber viele Fachkräfte aus Syrien den Wunsch, in ihre Heimat zurückzukehren. In einer Facebook-Gruppe syrischer Ärzte habe man eine Umfrage gemacht, bei der 900 von 1.200 teilnehmenden Medizinern gesagt hätten, der Wunsch nach Syrien zurückzukehren sei da, erklärte Kaiyas.

Dass viele seiner syrischen Kolleginnen und Kollegen Deutschland wirklich verlassen möchten, glaube er nicht, sagte dagegen Apotheker Oqba al Masri aus Idar-Oberstein. Es sei schwierig, erneut alles zu verlassen und nochmal neu anzufangen. Er wolle hier bleiben. "Syrien ist meine Heimat, Rheinland-Pfalz inzwischen aber auch."

Sendung am Di., 7.1.2025 6:00 Uhr, SWR4 RP am Morgen, SWR4 Rheinland-Pfalz