
Rheinland-Pfalz Zum Sterben abgegeben - viele kranke Tiere in Rheinhessen landen im Tierheim
Die Fälle häufen sich, in denen offensichtlich kranke Tiere im Tierheim abgegeben werden. Vermittelt werden können sie oft nicht mehr. Diese Tiere zu pflegen bringt die Tierheime wie in Mainz und Bad Kreuznach finanziell ans Limit.
Niko läuft schnuppernd hinter dem Bürotresen im Mainzer Tierheim hervor. In den treuen Blick, die Schlappohren und das hellbraune Fell des dreijährigen Rüden hat sich nicht nur Hundepflegerin Alexandra Seitz direkt verliebt. Niko darf im Mainzer Tierheim der Bürohund sein. Dass er sich etwas langsamer bewegt als andere Hunde, fällt auf den ersten Blick gar nicht auf.
Aber auch das gehört zur Wahrheit: Niko hat immer wieder epileptische Anfälle. "Die Besitzer haben die Medikamente abgesetzt, weil sie kein Geld mehr hatten, sie zu bezahlen", erzählt Tierpflegerin Alexandra Seitz. Anfang des Jahres haben sie ihn im Tierheim abgegeben. Die Tierpfleger ließen ein CT machen. Ergebnis: Nikos Kleinhirn verkümmert langsam. Mit den richtigen Medikamenten und viel Pflege geht es Niko nun besser. Doch wie lange er noch leben wird, weiß niemand.
Querschnittgelähmter Kater vor Tierheim in Bad Kreuznach abgelegt
Niko wurde von seinen Besitzern direkt abgegeben, aber oft werden kranke Tiere auch einfach vor dem Tierheim abgelegt. Vor drei Wochen wurde ein roter Kater vor die Tür des Tierheims in Bad Kreuznach gelegt, erzählt der zweite Vorsitzende des Tierheims, Jens Strube. Der Kater, den die Pfleger Amadeus nennen, ist gelähmt. Er bekommt nun Medikamente, seine Beine werden massiert. "Für ihn ist es das Paradies bei uns", sagt Strube.
Niko und Amadeus sind keine Einzelfälle. Es werden immer mehr kranke und alte Tiere in Tierheimen abgegeben. Sogar der Deutsche Tierschutzbund meldet, dass einer eigenen Umfrage zufolge Dreiviertel aller Tierheime in ganz Deutschland vermehrt kranke Tiere bekommen. Auch die Tierheime in Mainz, Bad Kreuznach und Ingelheim bestätigen diesen Trend.
Viele können oder wollen sich Tierarztkosten nicht leisten
Ein Grund: Seit dem 1. November 2022 gilt eine neue Gebührenordnung für Tierärztinnen und Tierärzte. Seitdem sind die Kosten laut Bundestierärztekammer für die Tierhalter durchschnittlich um ein Drittel gestiegen. Ein weiterer Grund sei der "Haustier-Boom" während der Pandemie. In Corona-Zeiten hätten sich viele Menschen ein Haustier angeschafft, weil sie viel zuhause waren. Jetzt hätten sie oft keine Zeit mehr für das Tier.
Tierheime in Rheinhessen am Limit
Die ohnehin schon überlasteten Tierheime bringt das an den Rand ihrer Kapazitäten. Kater Amadeus habe das Tierheim Bad Kreuznach innerhalb von drei Wochen 2.000 Euro gekostet. Medikamente, Physiotherapie, Zeit vom Tierpfleger. "Ein CT haben wir schon gar nicht machen lassen. Es ist ja klar, dass der Kater querschnittgelähmt ist", sagt Vorsitzender Jens Strube. Insgesamt koste ein krankes Tier ein Tierheim ungefähr dreimal soviel wie ein gesundes Tier.
Geld von der Kommune bekommen die Tierheime nur für gefundene Tiere, nicht für abgegebene. Wie hoch die Fundtierpauschale ist, das ist in jeder Kommune unterschiedlich und oft zu wenig, so der Tierschutzbund. Ansonsten finanzieren sich Tierheime aus Spenden, Erbschaften und Mitgliedsbeiträgen. Das reiche oft nicht aus, sodass Tierheime Aufnahmestopps verhängen müssen.

Der dreijährige Niko kuschelt sehr gerne und sucht ein neues Zuhause.
Tiere werden beim Sterben begleitet
"Es ist emotional gerade eine absolute Belastungsprobe", sagt Alexandra Seitz, die Hund Niko im Tierheim Mainz pflegt. Die Pflege der kranken Tiere sei intensiv, nicht selten nehmen Alexandra und ihre Kollegen kranke Tiere auch mit nach Hause, begleiten sie beim Sterben.
Wir haben dieses Jahr schon sehr viel geweint. Alexandra Seitz, Tierpflegerin im Tierheim Mainz
"Wir haben dieses Jahr schon sechs Hunde verloren, weil sie alt und krank waren. Das bricht uns immer wieder ein Stück unseres Herzens heraus." Hund Niko haben Alexandra Seitz und ihr Team wieder etwas aufgepäppelt - aber seine Diagnose bleibt. Das Tierheim hofft, dass sich trotzdem jemand findet, der Niko ein neues Zuhause geben möchte. Bis dahin bleibt er der Bürohund im Mainzer Tierheim.
Sendung am Fr., 28.3.2025 14:00 Uhr, SWR4 am Nachmittag, SWR4