Bitcoin auf einer Tastatur

Sachsen 2,6 Milliarden Euro aus Bitcoin-Verkauf: Was passiert mit dem Geld?

Stand: 17.07.2024 17:19 Uhr

Das Landeskriminalamt Sachsen hat bei einem Strafverfahren fast 50.000 Bitcoins beschlagnahmt. Der Verkauf der Kryptowährung bringt einen Milliardenbetrag. Wer bekommt das Geld und warum konnten die Bitcoins überhaupt verkauft werden? Und hat die "Notveräußerung" zu einem Kurssturz geführt? MDR SACHSEN fasst die wichtigsten Antworten zum "Bitcoin-Schatz" zusammen.

Von MDR SACHSEN

Warum hat die Generalstaatsanwaltschaft Dresden die Bitcoins verkauft?

Die Behörde sagt, sie habe die Bitcoin verkaufen müssen, weil das die Strafprozessordnung vorsehe. Sie schreibe Notveräußerungen von beschlagnahmtem Vermögen bereits vor Abschluss eines Verfahrens immer dann zeitnah vor, wenn Wertverluste von mindestens zehn Prozent drohten. Dies sei angesichts der Schwankungen bei Bitcoins gegeben.

Kursbewegungen am Markt hätten für den Zeitpunkt der Notveräußerung jedoch keine Rolle gespielt. Dies sei schon rechtlich gar nicht erlaubt. "Bei der schnellstmöglich vorzunehmenden Notveräußerung verbietet sich für eine Strafverfolgungsbehörde jede Kursspekulation und jegliches Abwarten auf steigende Kurswerte", teilten die Ermittler in Dresden mit.

Wer bekommt den Streaming-Geldsegen?

Wann wurde der Verkauf abgewickelt und wer war daran beteiligt?

Der Verkauf wurde zwischen dem 19. Juni und dem 12. Juli von einer auf Digitalwährungen spezialisierten Bank in Frankfurt am Main abgewickelt. Auch das Bundeskriminalamt (BKA) war an der Aktion beteiligt. Laut Gerneralstaatsanwaltschaft Dresden hätten vor dem Verkauf 15 in Betracht kommenden Bankhäuser, Finanzinstitute und Dienstleistern im Kryptohandel umfassende Marktanalysen betrieben.

Woher kommt das verkaufte Bitcoin- Vermögen?

Das Geld stammt aus einem Verfahren gegen die illegale Film-Tauschbörse movie2k. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hatte im April Anklage gegen einen mutmaßlichen Chef des Portals erhoben. Ihm wird vorgeworfen, in fast 220.000 Fällen urheberrechtlich geschützte Werke unerlaubt verwertet zu haben - und das gewerbsmäßig. Der Mann war untergetaucht und wurde seit Ende 2019 international per Haftbefehl gesucht. 2023 konnte er im Ausland festgenommen werden und saß bis Mitte Januar in Untersuchungshaft.

Auf dem Filmportal waren hunderttausende Raubkopien von Filmen und Serien angeboten worden. Dabei sollen die Betreiber Millionen eingenommen und damit Bitcoins gekauft haben. 2013 wurde das Portal abgeschaltet.

Hat der Verkauf der Bitcoins zu einem Kurssturz der Kryptowährung geführt?

Es hatte Spekulationen gegeben, dass der Verkauf größerer Bitcoin-Mengen durch die sächsische Justiz zu einem Überangebot mit Kursstürzen führen könnte. Die ARD-Finanzexpertin Antje Erhard sieht Sachsen zumindest daran beteiligt, dass der Bitcoin-Kurs gefallen ist.

Tatsache ist aber auch, dass zeitgleich zum Verkauf der sächsischen Bitcoins eine ehemalige japanische Kryptobörse begann, ihren Gläubigern eine große Menge an Bitcoins zu übertragen. Und diese wollen ihre Bitcoins laut Experten zum Großteil verkaufen. Der Wert soll bei mehr als 8 Milliarden Dollar liegen. Zuletzt war der Bitcoin-Kurs dennoch wieder deutlich gestiegen.

Die sächsischen Ermittler gehen nicht davon aus, dass der Verkauf ihrer Bitcoins einen Kurssturz verursacht hat. Diese seien in vielen kleinen Tranchen über einen Zeitraum von dreieinhalb Wochen verkauft worden. Sie sprechen von einem "marktschonenden Handel". "In dieser Größenordnung besteht kein unmittelbarer Einfluss auf den Bitcoinkurs," so die Generalstaatsanwaltschaft.

In dieser Größenordnung besteht kein unmittelbarer Einfluss auf den Bitcoinkurs. Generalstaatsanwaltschaft |

Wo ist das Geld jetzt?

"Der Veräußerungserlös ist auf ein Konto des Freistaates Sachsen bei der Bundesbank eingegangen und wird im zentralen Liquiditätsmanagement des Freistaates Sachsen geführt", erklärt das sächsische Finanzministerium. Über dieses Konto würden alle Ein- und Auszahlungen des Freistaats organisiert. "Soweit ein Überschuss an Liquidität verbleibt, werden die Bestände am Geldmarkt kurzfristig zu den jeweils aktuell geltenden Marktzinsen angelegt."

Wer bekommt den Verkaufserlös?

Ob der Verkaufserlös am Ende in die Kassen des Freistaates fließt, ist offen. Der Erlös stellt für Sachsen laut Ermittlern zunächst keine zusätzliche Einnahme im Landeshaushalt dar. Bis zum endgültigen Abschluss des Strafverfahrens werde das Geld sicher verwahrt. "Es ist derzeit nicht vorhersehbar, wann eine Entscheidung durch das zuständige Gericht zur Einziehung getroffen und diese rechtskräftig wird."

Zunächst muss vor Gericht geklärt werden, ob es Ansprüche von Dritten gibt - beispielsweise von Filmschaffenden, Filmverleihern oder den Betrogenen.

Was könnte Sachsen mit den Milliarden machen?

Ideen und Begehrlichkeiten, wie das Geld verwendet werden könnte, gibt es schon. So verlangt die Linksfraktion im Landtag, das Geld in Krankenhäuser, Schulen und Kitas zu investieren. Keinesfalls dürfte die Landesregierung allein darüber entscheiden. Dies sei Sache des Landtags, sagte Linken-Fraktionschef Rico Gebhardt.

Rico Gebhardt, Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke im Sächsischen Landtag

Linken-Fraktionschef Rico Gebhardt will, dass der "Bitcoin-Schatz" in soziale Einrichtungen investiert wird. (Archivbild)

Auch Sachsens Kommunen wollen vom "Bitcoin-Schatz" profitieren. Der Sächsische Städte- und Gemeindetag (SSG) und der Landkreistag wollen eine Beteiligung von 35 Prozent am Verkaufserlös. Das wären fast 924 Millionen Euro. Nach Ansicht von SSG-Präsident Bernd Wendsche wären die Erlöse eine Chance, die strukturell unterfinanzierten Haushalte von Land und Kommunen auszugleichen.

Es sei gute Tradition in Sachsen und teilweise auch gesetzlich abgesichert, dass sich Freistaat und Kommunen gegenseitig an zusätzlichen Einnahmen beteiligen. Die 35 Prozent entsprechen der Quote, mit der Sachsen die Kommunen üblicherweise an seinen Einnahmen beteiligt.

MDR (kbe, elo)/dpa