Sachsen Finger mit Machete abgehackt - Angeklagter bestreitet Tat
Am Landgericht Chemnitz ist am Freitag ein Prozess gestartet, der nicht nur Einblicke in menschliche Abgründe gewährt, sondern auch in Drogensucht und die rechtsextreme Szene. Um als Invalide Sozialleistungen zu kassieren, soll sich Neonazi Alexander W. gewünscht haben, dass ihm die linke Hand abgetrennt wird und das Ganze als linksextremen Überfall aussehen zu lassen. Er überredet einen 38-Jährigen aus dem Erzgebirge zu der Tat. Dieser muss sich seit Freitag wegen schwerer Körperverletzung verantworten.
- Vermeintliches Opfer und Angeklagter tauschen sich im Tätowierstudio aus.
- Der Angeklagte aus dem Erzgebirge bestreitet die Tat und gibt vor, unter dem Einfluss von zwei Gramm Crystal Meth und Wodka gestanden zu haben.
- Die Geschichte eines Angriffs durch Linksextreme stellte sich als Lüge heraus.
Nach dem erlogenen Macheten-Überfall im August 2023 im Stadtpark Chemnitz, bei dem einem Neonazi drei Finger abgehackt wurden, muss sich seit Freitag ein Mann vor Gericht verantworten. Dem 38-jährigen gebürtigen Stollberger wird schwere Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vorgeworfen.
Bitte Hand abhacken: Beim Tätowieren liefen die Gespräche
Zum Prozessauftakt am Landgericht Chemnitz bestritt der erheblich vorbestrafte Angeklagte am Freitag die Tat. Sein Mandant habe unter enormem Drogeneinfluss gestanden, erklärte sein Verteidiger Patrick Schäfer in dessen Namen. "Herr W. bat meinen Mandanten, ihm die Hand abzuhacken", schilderte Schäfer. Dies habe er mehrfach bei Tätowiersitzungen wiederholt. "Mein Mandant hat das zunächst nicht ernst genommen und ist davor zurückgeschreckt. Er hat sich nicht durchringen können."
Herr W. bat meinen Mandanten, ihm die Hand abzuhacken. Patrick Schäfer | Verteidiger
Herr W. sei jedoch hartnäckig geblieben und habe behauptet, es auch schon selbst im Garten versucht zu haben. Gleichzeitig solle er seinem Mandanten, der selbst 65.000 Euro Schulden habe, eine finanzielle Beteiligung der avisierten Sozial- und Invalidenleistungen in Aussicht gestellt haben.
In Chemnitz muss sich seit Freitag ein 38-Jähriger wegen schwerer Körperverletzung verantworten.
Zwei Gramm Crystal Meth und Wodka
Eines Tages, so erklärt Verteidiger Schäfer, habe sein Mandant jedoch einen Rückfall in seine Drogensucht erlitten und zwei Gramm Crystal Meth und einen doppelten Wodka konsumiert. "In diesem Zustand ist er schließlich auf das Vorhaben des Herrn W. eingegangen und hat sich mit ihm im Stadtpark in Chemnitz getroffen", erklärte Schäfer. Als Entgelt war demnach vereinbart worden, dass der Angeklagte die abgehackte Hand behalten dürfe. Er habe sie den Ermittlungen zufolge in einem Glas einlegen wollen.
"Dort legte Herr W. seine Hand auf den Papierkorb. Mein Mandat schreckte jedoch davor zurück, die Tat wirklich durchzuführen und ließ ab. Daraufhin hackte sich Herr W. selbst drei Finger ab." Der Angeklagte sei wie in Trance gewesen.
Er habe die Finger zunächst mitgenommen, wollte sie dann aber schnell loswerden und habe sie in einem Altglascontainer entsorgt. führte der Verteidiger weiter aus. Sein Mandant sei zudem kein Rechtsextremist, sondern stamme aus der Gothik-Szene. Der Angeklagte hat ein langes Vorstrafenregister, unter anderem wegen Drogendelikten, Diebstahl und Sachbeschädigung.
Nach dem vermeintlichen Überfall im Stadtpark Chemnitz gab es einen Großeinsatz der Polizei.
Vermeintliches Opfer erklärt, Linksextreme hätten ihn angegriffen
Das vermeintliche Opfer rief nach der Tat die Polizei und gab an, von Linksextremen überfallen und an der Hand verletzt worden zu sein. Diese Falschaussage war auch im Telegram-Kanal der rechtsextremen Freien Sachsen samt Foto aus der Klinik mit bandagierter Hand verbreitet worden. Vor Gericht machte Alexander W. von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, um sich nicht selbst zu belasten. Gegen ihn läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Falschaussage.
Zum Prozessauftakt am Freitag haben mehrere Zeugen im Fall um die sogenannten Macheten-Überfall ausgesagt.
Zeuge entlastet Angeklagten
Zum Prozessauftakt hatte das Gericht mehrere Zeugen geladen. Einer von ihnen entlastete den Angeklagten. "Ich kenne ihn schon ein paar Jahre. Der ist zwar durchgeknallt, doch das traue ich ihm nicht zu", erklärte der Zeuge. Er kenne seine Grenzen.
Über Neonazi Alexander W., den er ebenfalls beim Tätowieren kennengelernt hat, sagte der Zeuge: "Er ging mir mit seiner Idee, den abgehackten Fingern, ewig auf den Sack. Er hatte keinen Bock mehr zu arbeiten und mich gefragt, ob ich das nicht machen könnte. Da habe ich ihn einen Vogel gezeigt und gefragt, ob er nicht ganz dicht ist."
Ein Zeuge entlastete am Landgericht Chemnitz den 38-jährigen Angeklagten.
Invalidenrente genau pro Finger berechnet
Laut dem Zeugen wollte Alexander W. Versicherungsbetrug begehen und Sozialleistungen erschleichen. "Er hat genau berechnet, wie viel Invalidenrente er pro Finger bekommen würde und wo dieser abgetrennt sein müsste", erklärte der Zeuge.
Er hat genau berechnet, wie viel Invalidenrente er pro Finger bekommen würde und wo dieser abgetrennt sein müsste. Zeuge |
Zudem habe er extra noch eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen. Die sei jedoch erst zwei Wochen nach der Tat in Kraft getreten. "Ich traue ihm zu, dass er sich die Finger selbst abgehackt hat. Bei uns im Garten hat er es ja mehrfach versucht", sagte der Zeuge.
Polizeibeamter zweifelt Darstellung des Opfers an
Geladen war auch ein Polizeibeamter. Er widersprach noch einmal der Darstellung von Alexander W., mutmaßlich von Linksextremisten überfallen worden zu sein. Er habe Alexander W. direkt nach seiner Operation im Krankenhaus vernommen und Röntgenaufnahmen einsehen können. "Das war ein gerader Schnitt, ganz glatt", erklärte der Beamte. "Ich habe mich damals schon gefragt, wie das gelingen soll, wenn man beim Laufen verletzt wird."
Rechte Szene-Angehörige drängen Alexander W. sich zu stellen
Zweifelhaft wirkt der mutmaßliche Linksextremisten-Vorfall auch durch die Aussage eines Zeugen aus der rechten Szene. Dieser gab an, ebenso wie Alexander W. Verbindungen zur rechtsextremen Szene Dortmund zu haben. Er habe vor Szene-Angehörigen kurz nach dem Vorfall gestanden, dass es gar keinen linksextremistischen Vorfall gegeben habe, sagte der Zeuge.
Wir haben Alexander W. die Pistole auf die Brust gesetzt, er soll zur Polizei gehen und sagen, wie es wirklich gewesen ist. Zeuge |
Man habe ihn daraufhin gedrängt, sich dem LKA zu stellen, weil man nicht in den Fall hineingezogen werden wollte. Der Zeuge bestätigte den Druck der rechten Szene, nachdem die Tat als Antifa-Überfall fingiert wurde. "Wir haben Alexander W. die Pistole auf die Brust gesetzt, er soll zur Polizei gehen und sagen, wie es wirklich gewesen ist. Vor dem Anwalt ist er schließlich eingeknickt und hat gestanden, dass es doch nicht die Antifa war", sagte M.
Drei Prozesstage geplant
Weitere Zeugen sollen zum nächsten Verhandlungstermin aussagen. Dieser ist für den 17. Dezember angesetzt. Insgesamt sind drei Prozesstage geplant.
MDR (phb)