Sachsen Aus Asche wird Kristall: Was hat es mit dieser besonderen Bestattungsform auf sich?
In Sachsen wird die Bestattungskultur zunehmend vielfältiger und individeller. Eine der innovativsten Formen der letzten Ruhe ist die Kristallbestattung. Dabei wird ein Teil der Asche des Verstorbenen in einen oder mehrere Kristalle verwandelt. Diese werden dadurch zu einzigartigen Erinnerungsstücken. MDR SACHSEN hat mit einem Bestatter und einer Trauernden über die Kristallbestattung gesprochen.
Die Kristallbestattung ist eine besondere Möglichkeit, den Verlust eines geliebten Menschen zu verarbeiten. Wie der Chemnitzer Bestatter Daniel Paul MDR SACHSEN berichtet, ist ein deutlicher Anstieg der Nachfrage nach alternativen Bestattungsformen zu spüren. "Letzten Endes stehen wir dafür, dass alles seine Daseinsberechtigung hat - natürlich auch Friedhöfe", so Paul.
Bestatter: Mehr Zeit für Trauerarbeit
Doch immer mehr Menschen wünschen sich, den verstorbenen Menschen näher zu haben, auch weil viele Familien an unterschiedlichen Orten wohnen. Außerdem sei der Faktor Zeit eine wichtige Komponente: "Bei Erdbestattungen hat man immer Fristen, die man einhalten muss, wo sich die Angehörigen wirklich sehr schnell entscheiden müssen", erläutert Paul.
Bei der Kristallbestattung beispielsweise sei das "wesentlich flexibler". Zwischen Einäscherung und dem Erhalt der Kristalle vergehen mehrere Wochen und auch die Trauerfeier könne die Familie unabhängig von Friedhofsvorgaben gestalten. So bliebe auch mehr Zeit für die wichtige Trauerarbeit.
Ein Abschied mit besonderen Wünschen
Für diese besondere Form der Bestattung hatten sich Marion Reuther und ihr Mann Klaus entschieden. 46 Jahre haben beide ihr Leben miteinander geteilt. Mitte Juni dieses Jahres ist er nach langer und schwerer Krankheit "friedlich Zuhause" eingeschlafen, wie die Chemnitzerin im Gespräch mit MDR SACHSEN erzählt. Die Trauerfeier fand dann Ende September statt.
"Nachdem er entschieden hatte, mit der Dialyse aufzuhören, hatte ich meinen alten Mann zurück. Der war so gefasst und so ruhig mit allem. Er hatte die Chance, sich von allen Kindern zu verabschieden. Wir waren auch noch mal im Erzgebirge, wo wir herstammen", berichtet die Witwe. Er habe seine Wünsche erfüllt gekriegt.
Auch eine sogenannte "Tree of Life"-Bestattung hatte im Raum gestanden. "Doch welches der Kinder hätte den Baum dann nehmen sollen?", so Reuther. Außerdem könne solch ein Baum auch eingehen. "Und auch Blumen, die ich an sein Grab gebracht hätte, wären irgendwann verwelkt."
Marion Reuther hat sich für das Gespräch mit MDR SACHSEN den Kristall ausgeliehen, den ihr Sohn als Erinnerung an seinen Vater bekommen hat.
Hoffnung auf eine bleibende Erinnerung
Der Wunsch, eine bleibende Erinnerung im eigenen Haus und nicht an einem öffentlich zugänglichen Platz zu haben, ist laut Bestatter Paul ein weiterer Grund. Marion Reuther war sich aber sicher: Die Urne ihres Mannes Zuhause, das wäre - abgesehen von der rechtlichen Problematik - für sie nicht infrage gekommen. "Ich wollte meinen Mann nicht als Urne in der Schrankwand stehen haben. Da hätte ich jeden Moment den Tod vor Augen", erklärt sie, "aber wenn ich jetzt in den Schrank gucke, das ist so schön."
Eine ihrer Schwiegertöchter hätte letztens auch gesagt, nun könne ich der Opa nicht mehr einfach vom Esstisch verziehen. "Das sind dann die kleinen Scherze, die unsere Familie macht. Wir haben einen besonderen Humor", fügt sie lachend hinzu.
Gibt es bei Kristallbestattung keine rechtlichen Probleme?
Bestatter Daniel Paul erklärt, dass sein Bestattungshaus einen Umweg über das Ausland gehen müsse, um die Wünsche der Angehörigen zu erfüllen. Die Asche des Verstorbenen werde dazu an einen Partner in Tschechien versendet, wo sie unter Einhaltung der dortigen gesetzlichen Rahmenbedingungen verarbeitet wird.
"Aufgrund der anderen Gesetzeslage kann der Partner die Aschekapsel öffnen und die Kristalle herstellen, die gewünscht sind. Da hat das Unternehmen ein spezielles Verfahren. Unter Hitze wird die Asche Stück für Stück in dem Produktionsverfahren mit beigegeben, sodass das einmalige Stück entsteht", erläutert Paul.
Da nicht die gesamte Asche für die Herstellung der Kristalle benötigt wird, bleibt ein Teil übrig, der im Rahmen einer anonymen Bestattung dann auf einem Friedhof beigesetzt wird. Diese Vorgehensweise stellt sicher, dass die Bestattung im Ausland ordnungsgemäß dokumentiert ist und den rechtlichen Anforderungen entspricht.
Neben einem großen Kristall hat Marion Reuther außerdem mehrere kleinere herzförmige Kristalle herstellen lassen. Sie sind mit Gold versetzt.
Woher kommt eigentlich der Friedhofszwang? (zum Ausklappen)
Der sogenannte Friedhofszwang geht zurück auf das späte Mittelalter. Damals begann man, wegen des Verwesungsgeruches und aus Angst vor verunreinigtem Grundwasser, die Toten nicht länger in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten zu begraben. Als im 14. Jahrhundert die Angst vor der Pest umging, entstanden auf kaiserlichen Erlass Friedhöfe außerhalb von Dörfern und Städten.
Im 19. Jahrhundert wurden Friedhöfe dann grundsätzlich außerhalb der Stadtmauern angesiedelt. Dass die Menschen ihre Toten dort beerdigen ließen, war eine stillschweigende Übereinkunft, die erst 1934 gesetzlich festgehalten wurde.
Kristallbestattung nicht teurer als Gemeinschaftsgrab
Für einen großen und sechs kleinere Kristalle sowie die vorige Einäscherung und den Produktionsprozess der Sonderstücke hat Marion Reuther etwa 8.000 Euro bezahlt, berichtet sie im Gespräch mit MDR SACHSEN. Laut Bestatter Paul ist das vergleichbar mit den Kosten für eine Erdbestattung in einem Gemeinschaftsgrab. "Und man bindet sich damit erst einmal für mindestens 20 Jahre", so Paul weiter.
Bestatter Daniel Paul und der Trauerhund Rio des Unternehmens haben Marion Reuther und ihre Familie bei der besonderen Form der Bestattung unterstützt.
Bestatter-Verband fordert grundsätzliche Liberalisierung
Hans-Joachim Möller, Geschäftsführer des Verbands unabhängiger Bestatter in Berlin, fordert mit Blick auf die steigenden Wünsche nach alternativen Bestattungsformen eine Liberalisierung des Bestattungsrechts. Im Gespräch mit MDR SACHSEN sagte er: "Es ist einfach entwürdigend für Angehörige, dass Umwege genommen werden müssen, nur um das deutsche Bestattungsrecht nicht involvieren zu müssen - über die Schweiz oder die Niederlande zu gehen, weil die eine völlig andere Rechtssprechung haben."
Auch ihn und den Verband erreichten häufig Anfragen, bei denen Hinterbliebene Asche für Schmuckstücke oder Diamanten wünschen oder die Beisetzung im eigenen Garten oder eine letzte Ruhe im Wald anstreben. "Die Bestatter haben verschiedene Möglichkeiten, auf legalem Wege das deutsche Bestattungsrecht zu umgehen", so Möller. "Wir würden sehr begrüßen, wenn das bundeseinheitlich geregelt würde und nicht jedes Bundesland sein eigenes Gesetz macht", betonte er weiter.
MDR (sme/koh)