Medienwissenschaftler Marcel Machill (BSW, l-r), Jörg Scheibe, Co-Vorsitzender des BSW Sachsen, Sabine Zimmermann, Co-Vorsitzende des BSW Sachsen, und Doreen Voigt (BSW), Landtagsabgeordnete, kommen zu einem weiteren Gespräch zu einer möglichen Regierungsbildung von CDU, BSW und SPD an der Sächsischen Staatskanzlei an.

Sachsen Gemeinsames Papier: CDU, BSW und SPD einigen sich auf Verhandlungsgrundlage

Stand: 17.10.2024 19:56 Uhr

Die Partner einer möglichen Brombeer-Koalition haben sich auf ein gemeinsames Papier verständigt. Auf der Grundlage sollen nun die Partei-Vorstände über die Aufnahme von Sondierungsverhandlungen entscheiden. Dabei sind Vorschläge zur Einigung in Bereichen wie Asyl- Gesundheit, Finanz- aber auch Schulpolitik aufgezeigt.

Von Uta Deckow, MDR SACHSEN

Die CDU, BSW und SPD in Sachsen haben sich auf Leitlinien für mögliche Koalitionsverhandlungen verständigt. Das Papier, das MDR SACHSEN vorliegt, beginnt mit einer allgemeinen Präambel. "Wir haben in den Kennenlerngesprächen zwischen den sächsischen Landesverbänden von CDU, BSW und SPD festgestellt, dass eine konstruktive und lösungsorientierte Zusammenarbeit für Sachsen möglich ist", heißt es darin.

Konkretes zum Thema Frieden und Waffenstationierung findet sich darin allerdings nicht. Die drei Partner umschiffen somit eines der wohl heikelsten Themen für eine künftige Zusammenarbeit. Deutlich wird, so wie es auch im Hintergrund aus der Verhandlungsgruppe zu hören ist, dass alle drei Interesse an einer stabilen Regierung in Sachsen haben.

Schwerpunktthema Asyl und Migration

Die wichtigsten sechs Schwerpunktthemen werden dann aufgeführt. So haben sich die drei Parteien für eine schärfere Asyl- und Migrationspolitik ausgesprochen: "Irreguläre Migration wollen wir wirksam begrenzen. Wir unterscheiden zwischen Personen mit anerkanntem Schutzstatus, einer Duldung und vollziehbar ausreisepflichtige Personen." Asylverfahren sollen beschleunigt werden, wer kein Bleiberecht habe, müsse das Land auf schnellstem Weg wieder verlassen.

Dafür sollen Instrumente beraten werden, mit denen Asylverfahren beschleunigt werden könnten. "Asylbewerber im Verfahren sollen regelmäßig gemeinwohlorientierte Tätigkeiten übernehmen. Die zuständigen Behörden werden wir anhalten diese gesetzliche Regelung anzuwenden." Diese Passage findet sich ebenso wie aber auch die Kommunen bei ihrer Integrationsarbeit zu stärken. 

"Strittig" heißt nicht zwingend dagegen sein

Im Papier finden sich immer wieder Passagen, die übertitelt sind mit "Weiter beraten werden wir" oder "strittig wird gesehen". Das, so war zu hören, bedeute aber nicht, dass man das Thema ablehne, sondern auch da gelte es zu prüfen, was geht und was nicht geht. Beispiel: Die Grenzpolizei, die Sachsens Ministerpräsident im Wahlkampf angekündigt hatte. Besonders die SPD hatte da schon früh Bedenken signalisiert, weil man die Polizei in der Fläche nicht ausdünnen wolle. Und so steht dieser Punkt nun unter strittig, so wie der Ausbau der Bürgerpolizei und eine stärkere Fokussierung auf die Innenstädte.

Insgesamt soll in Sachsen die Sichtbarkeit der Polizei in allen Regionen erhöht werden. Grenzen sind da nicht nur durch die Anzahl der Polizisten sondern auch durch den finanziellen Handlungsspielraum gesetzt. Auch deshalb, ist zu hören, muss eben vieles noch geprüft werden.

Kita-Finanzierung soll besser werden

So steht beim Thema Kita und Schule ein kostenloses Mittagessen (BSW-Forderung) noch unter strittig, dem würde sich keiner verweigern, nur würde es eben Millionen kosten. Zum Punkt Kita-Finanzierung und Kita-Gebühren heißt es, man werde weiter beraten. Dort drängen ja die Kommunen auf eine bessere finanzielle Ausstattung, das sei allen bewusst, war zu hören, aber auch da wurde man im Papier nicht konkreter.

Einig aber waren sich alle drei darin, auf eine stärkere Differenzierung im Schulsystem zu setzen: "Die Anforderungen an den Zugang zum Gymnasium wollen wir klarer fassen und die Wertschätzung für das Potenzial der Oberschule erhöhen, damit das Schulsystem unterschiedliche Begabungen von Heranwachsenden gleiche Erfolgsaussichten einräumt." Das soll wohl darauf hinauslaufen, dass künftig weniger Schülerinnen und Schüler den Weg zum Gymnasium nehmen, eine Kernforderung des BSW.

Für den Lehrermangel suchen die Brombeer-Partner weiter nach einer Lösung. Es brauche dafür "vielfältige Optionen", schreiben sie. "Wir denken dabei an verstärkte Maßnahmen im Bereich Lehrerwerbung, Lehrerausbildung und flexiblere Einsatzmöglichkeiten an den Schulen."

Die frühkindliche Bildung im Kita-Bereich soll ausgebaut werden. Verbindliche Sprachtests (BSW-Forderung), verpflichtendes Vorschuljahr (CDU-Forderung) und eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels (SPD-Forderung) sollen weiter geprüft werden.

Wende in der Finanzpolitik?

In der Finanzpolitik, die wohl neben dem Asylthema mit am meisten Raum bei den Gesprächen einnahm, deutet sich ein Umdenken an in der Brombeer-Konstellation. Die SPD will seit Langem einen Sachsenfonds, aus dem "Zukunftsinvestitionen" getätigt werden können. Deshalb forderte sie wiederholt, die Zuführung an den Generationenfonds zu verringern, mit dem der Freistaat die Pensionen der Beamten absichert. Damit könnte man einen Milliardenbetrag investieren, etwa in Infrastruktur.

Nun heißt es im Papier: "Wir werden die Zuführung zum Generationenfonds überprüfen. Sollten sich daraus finanzielle Handlungsspielräume ergeben, werden wir sie für Investitionen nutzen."

Krankenhäuser erhalten

Bei der Gesundheitspolitik scheint man sich auch zügig einig gewesen zu sein, in vielen Punkten wie dem Ziel, Krankenhausstandorte zu erhalten, die Landarztquote zu erhöhen und um eine Quote für Zahnärzte, Pharmazeuten und Fachärzte zu erweitern.

Mehrgenerationenwohnen und Tages- und Kurzzeitpflege sollen ausgebaut werden. Die Gründung einer privaten medizinischen Hochschule in Mittweida beispielsweise steht unter "strittig".

Einigkeit auch beim Thema Bürokratieabbau: "Dabei sind unsere Leitlinien: mehr Vertrauen gegenüber Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen, Vereinen und Kommunen, dass in stichprobenhaften Kontrollen und gezielte Tiefenprüfungen statt flächendeckender Dokumentation sowie mehr Pauschalen und mehr Planungssicherheit bei Fördermitteln seinen Ausdruck findet."

Lohngerechtigkeit ist Thema

Das von der SPD in der vergangenen Legislatur gewollte, aber nicht geeinte Vergabegesetz findet sich ebenfalls wieder. Allerdings soll es "modern und bürokratiearm" weiterentwickelt werden, das werde Teil weiterer Beratungen. Und: Man wolle sich mit der Lohnlücke zwischen Ost und West sowie Frauen und Männern nicht abfinden. Eine höhere Tarifbindung könne beitragen, das zu verändern. Einig sind sich die drei Verhandlungspartner, den Meisterbonus zu erhöhen, die Landwirtschaft zu entlasten, ausländische Bildungsabschlüsse schneller anzuerkennen.

Im Papier findet sich auch die Idee eines "Sachsengeldes", eine Förderung für Familien, die zum ersten Mal eine Immobilie erwerben. Auch über eine spätere Senkung der Grunderwerbssteuer für Ersterwerber einer Immobilie wollen CDU, BSW und SPD nachdenken.

Gremien müssen bis zum Wochenende entscheiden

Damit Sondierungsverhandlungen aufgenommen werden können, müssen die Parteigremien zustimmen. Das Papier mit seinen Leitlinien soll dafür eine Grundlage bilden. Die Landesvorstände von SPD und BSW treffen sich am Donnerstag. Der Vorstand der CDU kommt am Freitag zusammen. Geben alle ihr okay, könnten die Sondierungsgespräche in der kommenden Woche beginnen.

MDR (ben)