Sachsen Haus Apfelbaum: Ein Ort für selbstbestimmtes Abschiednehmen im Leipziger Osten
Seit fünf Jahren betreibt das Ehepaar Dunker das "Haus Apfelbaum" im Leipziger Osten. Damit haben sie einen Raum geschaffen, der weit mehr ist als ein Ort für Bestattungen. Hier geht es um Zeit, die Angehörige brauchen, um den Verlust eines geliebten Menschen zu verarbeiten. MDR SACHSEN hat das Haus, das nur zufällig neben dem Ostfriedhof angesiedelt ist, besucht und von Bestatterin Katja Dunker viel über den Umgang mit Trauer erfahren.
Das Haus Apfelbaum ist genau das Gegenteil von einem traditionellen und tristen Ort des Abschieds: Die Räume sind hell und haben große Fensterfronten, in die die Wintersonne hinein scheint. Auch die Wände sind hell gehalten. Im großen Vorraum stehen unter anderem eine Schale Taschentücher, edles Teegeschirr, zur Jahreszeit passende Trockenblumen und ein Kaffeevollautomat.
Das Haus soll ein "Lebensort" sein, an dem Trauernde sich geborgen fühlen, berichtet Katja Dunker. "Es geht darum, dass die Menschen hier nicht gehetzt werden und sich frei bewegen können", sagt sie.
Der große Holzapfel, an dem Katja Dunker steht, wurde eigens für das Haus angefertigt und steht im Garten.
Auf Wünsche Angehöriger gehört
Seit 25 Jahren ist Familie Dunker mit fünf Filialen in Leipzig und einer Außenstelle in Markkleeberg ansässig. Fast zehn Jahre mussten sie gegen die Bürokratie kämpfen, um das Haus errichten zu dürfen. Dann wurde noch drei Jahre gebaut. Das Konzept für das Haus in der Zweinaundorfer Straße sei aus Wünschen von Angehörigen und Erfahrungen als Bestattungsunternehmen entstanden.
Zeit zwischen Sterben und Abschied sehr wichtig
"Oft hören wir von unseren Kunden, dass sie nach der Arbeit zu uns kommen möchten. Ich plädiere jedoch dafür, sich Zeit zu nehmen", erklärt Dunker. Sie ermutigt dazu, mindestens eine Woche für die ersten Schritte der Trauerbewältigung und die Vorbereitungen für die Bestattung einzuplanen. "Die Zeit zwischen Sterben, dem Abschied und der Beisetzung ist wertvoll. Wenn ich das ganz schnell alles vom Tisch haben will, verschenke ich ganz viele Möglichkeiten", so Dunker weiter.
Die Lücke kann nicht geschlossen werden. Die Leere kann nur gefüllt werden. Katja Dunker | Bestatterin
Im großen Raum im Haus Apfelbaum findet jedes Jahr vor dem Totensonntag ein Konzert statt.
Trauer sollte reflektiert werden
Dunker betont die Bedeutung von Ritualen und Traditionen im Trauerprozess. Viele Menschen glauben, dass sie nach einer Beisetzung sofort wieder zur Normalität zurückkehren müssen. Doch Dunker ist sich sicher: "Die Lücke kann nicht geschlossen werden. Die Leere kann nur gefüllt werden."
Verlust in Alltag integrieren
Für Dunker ist es deshalb wichtig, dass Trauernde ihre Gefühle zulassen und den Verlust in ihren Alltag integrieren. Sie ermutigt dazu, auch besondere Tage - wie den ersten Todestag - zu zelebrieren und sich bewusst mit der Trauer auseinanderzusetzen.
"Ich kann niemandem vorschreiben, wie lange eine Trauer geht. Es darf jeder Mensch für sich entscheiden. Der eine macht es mit ganz viel Lachen, Arbeiten und Energie, und der andere ist einfach traurig", sagt sie.
Verstorbenen waschen und anziehen - das geht hier
Das Haus Apfelbaum bietet Angehörigen außergewöhnliche Möglichkeiten: Der oder die Verstorbene werde direkt ins Haus gebracht, erzählt Dunker. Das geht, weil es noch einen Teil des Hauses gibt, der sich hinter einer großen Tür verbirgt. Hier befindet sich unter anderem die Garage für die Leichenwagen und ein Kühlareal.
Die Familie könne schöne Kleidung für die Verstorbenen aussuchen und sich sogar am Waschen und Anziehen beteiligen - eine Tätigkeit, die sonst nur Bestattern vorbehalten ist.
Erst wenn man sicher sei, alles gemacht zu haben, könne der oder die Verstorbene überführt werden - in Leipzig ins Krematorium auf den Südfriedhof. "Dort gehen die Dinge ihren Gang oder dann zu einer Erdbestattung. Es gibt ja diese zwei Varianten", erläutert Dunker weiter.
Familiär gehaltene Aufbahrung möglich
Während viele Friedhöfe allerdings strenge Zeiten für Trauerfeiern vorgeben müssen, gibt es im Haus Apfelbaum die Zeit und den Raum für individuelle Zeremonien. "Wir haben eine Veranstaltung pro Tag", erklärt Dunker. Dies ermöglicht es den Familien, ihre Trauer durch persönliche Rituale, die sie an dem entsprechenden Tag im Haus Apfelbaum durchführen wollen, auszudrücken oder einfach durch das Verweilen im Haus und im Garten.
So gibt es beispielsweise einen kleinen Raum im Haus mit roten Wänden und großer Fensterfront, der mit einem Sofa und einer Bahre ausgestattet ist. Dort könne der offene Sarg platziert werden und den ganzen Tag über können Menschen Abschied nehmen. "Manchmal kommen an einem Tag bis zu 150 Leute", so Dunker.
In diesem kleinen Raum im Haus Apfelbaum kann der offene Sarg aufgebahrt werden.
Bestattungskultur erhalten
Die Bestatterin sieht Friedhöfe jedoch als wichtige Orte der Ruhe und Andacht in einer schnelllebigen Welt. Diese sollten erhalten bleiben, sich aber auch modernisieren. "Ich finde es wichtig, Friedhöfe zu haben. Sie sollten Orte sein, an denen man zur Ruhe kommen kann", sagt sie.
In Bezug auf alternative Bestattungsformen hat Katja Dunker eine eher traditionelle Haltung: "Ich bin zum Beispiel überhaupt keine Verfechterin von solchen Sachen, wie eine Urne mit nach Hause zu nehmen. Aber so ein Mini-Löffelchen voll Asche in einer kleinen Erinnerungsdose, wo ich sage, die habe ich immer bei mir in der Hosentasche, sowas finde ich total schön." Außerdem könne die Familie entscheiden, einen Fingerabdruck oder eine Locke zu erhalten.
Ich finde es wichtig, Friedhöfe zu haben. Sie sollten Orte sein, an denen man zur Ruhe kommen kann. Katja Dunker | Bestatterin