Die Sonne scheint am Himmel über dem Theaterplatz mit dem Reiterstandbild König Johann (l-r), der Hofkirche, dem Hausmannsturm und dem Residenzschloss während die Wasserfontäne eines Springbrunnens aufsteigt.

Sachsen Heiß, heiß, Baby: Wie Dresden cool bleiben will

Stand: 14.08.2024 06:00 Uhr

Laut Deutschem Wetterdienst gilt seit Wochenbeginn eine Hitzewarnung für Sachsen. Besonders in Großstädten werden hohe Temperaturen zum Problem. Ein nationaler Hitzeschutzplan hat bereits 2023 Maßnahmen empfohlen. Wie weit ist Dresden im Hitzeschutz? Kritiker monieren, außer ein paar Flyern und Trinkbrunnen sei nicht viel passiert. Stimmt das? Woran hakt es in Dresden beim Hitzeschutz? MDR SACHSEN hat nachgefragt.

Von Katrin Tominski, MDR SACHSEN
  • Etwa 8.000 Menschen sind 2022 in Deutschland durch Hitze gestorben. Hitzeschutz heißt das Gebot der Stunde, weil sich Städte durch Asphalt und zu wenig Grünflächen immer weiter aufheizen.
  • Dresden setzt auf viele Maßnahmen vom Trinkbrunnen bis zu begrünten Schulhöfen.
  • Hitzeschutz ist in Dresden keine Pflichtaufgabe, weswegen es kein extra Geld und Personal gibt - auch nicht für Freibäder.

Kleine Maßnahmen, große Wirkungen: Viele europäische Großstädte wie Budapest, Paris und Rotterdam wappnen sich seit Jahren gegen die zunehmende Hitze. Auch in Deutschland zeigen Freiburg, Mannheim und Frankfurt am Main, was man gegen Hitze tun kann - mit grünen Hitzeschutzinseln, Trinkbrunnen und Sonnensegeln zur Beschattung von Kitas und Pflegeheimen.

Die Elbe in Dresden.

Wenn die Elbe Niedrigwasser hat, merkt man das zuerst an den Terrassenufern.

Beispiele für Hitzeschutz andernorts

Dresdens Nachbargroßstadt Leipzig pflanzt zusätzliche Straßenbäume, fördert Gründächer und Fassadengrün und empfiehlt, Kirchen als kühle Orte aufzusuchen. Budapest stellt in der Stadt Wasserzerstäuber auf, Paris streicht seine Dächer weiß und gestaltet Schulhöfe um. Was passiert in Dresden? Doch der Reihe nach. Warum ist es überhaupt so wichtig, etwas gegen Hitze zu tun. Müssen wir da nicht einfach durch? 

Aufgeheizte Städte werden Normalität

Städte heizen sich immer stärker auf und stellen besonders für ältere und kranke Menschen sowie für Schwangere und kleine Kinder eine Gesundheitsgefahr dar. Das erklärten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Projekts "HeatResilientCity" MDR SACHSEN. "Aufgeheizte Städte werden Durchschnittsphänomen und damit Normalität."

"Gegenüber dem Land ist die Wärmebelastung vor allem nachts viel höher", erklärt Astrid Ziemann, Meteorologin an der TU Dresden. Die tropischen Nächte erschwerten einen erholsamen Schlaf. "Ein guter Schlaf ist bei Außentemperaturen von über 20 Grad nur schwer möglich. Wenn sich die Wohnung nicht mehr abkühlen lässt, leidet damit langfristig unsere Gesundheit."

Ein junger Mann springt bei sommerlichen Temperaturen über 30 Grad Celsius ins Wasser

Einfach nur ins kühle Wasser - wer will das nicht bei dieser Hitze?

Warum heizen sich Städte so sehr auf?

Gründe für die überhitzen Städte sind die vielen asphaltierten und versiegelten Flächen sowie die Gebäude aus Stein, die Wärme speichern und in der Nacht abgeben. Hinzu kommt das wenige Stadtgrün, also zu wenig Bäume, Brachflächen, Hecken und andere Bepflanzungen.

"Das wenige Stadtgrün ist längst nicht mehr imstande, das Klima einer Stadt umfassend zu regulieren", erklärte Ziemann. "Versiegelte Straßen und Plätze erreichen eine bis zu 30 Grad Celsius höhere Oberflächentemperatur im Vergleich zu einer grünen Wiese."

Dr. Astrid Ziemann

Dr. Astrid Ziemann ist Meterologin an der TU Dresden und war am Projekt "Heat Resilient City beteiligt".

Das wenige Stadtgrün ist längst nicht mehr imstande, das Klima einer Stadt umfassend zu regulieren. Versiegelte Straßen und Plätze erreichen eine bis zu 30 Grad Celsius höhere Oberflächentemperatur im Vergleich zu einer grünen Wiese. Astrid Ziemann | Meteorologin an der TU Dresden

Was hat es mit der Oberflächentemperatur auf sich? (zum Ausklappen)

Oberflächentemperatur ist nicht mit der Lufttemperatur zu verwechseln. Die gefühlte Temperatur (UTCI=Universeller thermischer Klimaindex) speist sich aus der Sonneneinstrahlung, der Wärmestrahlung der Bodenoberfläche und der Gebäude, der Lufttemperatur, der Luftfeuchte und der Windgeschwindigkeit. Deswegen fühlt sich vieles heißer an, als das Thermometer anzeigt.

Hitze kann nur schwer absorbiert werden

Gleichzeitig fehlten Meteorologin Ziemann zufolge Brunnen, Bachläufe, Teiche, Flüsse. Die Hitze könne durch alle diese Faktoren nur schwer absorbiert werden. "Die Elbwiesen in Dresden sind wesentlich kühler, doch die kühle Luft hat wenig Chance, in die Stadt zu dringen. Kalte Luft fällt nach unten, man bräuchte eine Neigung und die passenden Luftschneisen, damit die kühle Luft von den Elbwiesen in die Stadt hineinfließen kann."

"Kaltluftschneisen müssen gewährleistet sein", erklärt auch Christoph Schünemann, Physiker am Leibnitz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) in Dresden. "In Dresden liegen die Kaltluftschneisen beispielsweise in Gorbitz und führen die Kesselsdorfer Straße entlang, auch die Dresdner Südhöhe ist wichtig. Jeder Hang, der nicht bebaut ist und kalte Luft bringt, ist Gold wert."

Dr. Christoph Schünemann

Christoph Schünemann ist Physiker und weiß, dass die Kühle der Elbe nichts ohne Luftströmung ist.

Jeder Hang, der nicht bebaut ist und kalte Luft bringt, ist Gold wert. Dr. Christoph Schünemann | Leibnitz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) in Dresden

Was unternimmt Dresden gegen die Hitze? Stichwort Trinkbrunnen

Dresden bewirtschaftet derzeit zehn Trinkbrunnen im öffentlichen Raum. Ein elfter Trinkbrunnen am Trachenberger Platz wird gerade fertiggestellt. Aktuell prüft Dresden drei neue Standorte am Martin-Luther-Platz, am Schillerplatz und dem Jorge-Gomondai-Platz. Zudem will die Stadt im Rahmen größerer Bauprojekte wie der Sanierung der Königsbrücker Straße weitere Trinkbrunnen errichten.

Trinkwasserbrunnen gibt es unter anderem am Alaunplatz, am Bönischplatz in der Johannstadt, auf der Lignerallee, dem Neumarkt und dem Postplatz. Eine vollständige Übersicht gibt es hier. Gleichzeitig kooperiert Dresden mit vielem Institutionen sowie Kneipen und Cafés zum Nachfüllen der Trinkflaschen. Hier kann jeder Passant problemlos seine Trinkflaschen nachfüllen.

Wasser läuft aus einem Trinkwasserbrunnen auf dem Neumarkt in der Altstadt von Dresden vor der Frauenkirche.

An öffentlichen Trinkwasserbrunnen wie hier am Neumarkt können Passanten frisches Trinkwasser trinken.

Baden: Wann machen die Freibäder endlich länger auf?

Kostenfreie und kostengünstige Möglichkeiten zur Abkühlung und zum Baden werden in vielen Städten großgeschrieben. "Wir haben das Georg-Arnhold-Freibad während unserer Saison bereits täglich bis 21 Uhr geöffnet. Eine Verlängerung der Öffnungszeiten in anderen Freibädern kann personell nicht abgesichert werden", sagt Sportbürgermeister Jan Donhauser.

Die Eintrittsgelder seien in Dresden vor allem für Kinder im deutschlandweiten Vergleich "sehr human". Die Badestellen in Weixdorf und Weißig könnten kostenfrei genutzt werden.

das Stauseebad Cossebaude

Ein kühles Bad kann die erhoffte Abkühlung bringen. Allerdings hat das Freibad Cossebaude nur bis 19 Uhr geöffnet.

Wie viel Bäume pflanzt Dresden zum Hitzeschutz?

Paris hat seit November in der Stadt 25.000 Bäume gepflanzt, um Schatten zu spenden. Auch Leipzig pflanzt 1.000 zusätzliche Straßenbäume. "Die gefühlte Temperatur zwischen einem Baumschatten und einer besonnten Fläche unterscheidet sich um etwa zehn Grad Celsius", sagt TU-Meteorologin Ziemann.

"Es ist extrem wichtig, Baumfällungen genau unter die Lupe zu nehmen. Bis ein großer Baum seine Wirksamkeit entfaltet, dauert es oft Jahrzehnte. Eine Ersatzplanung außerhalb der Hotspots hilft nur wenig. Wir sollten unsere Bäume wie Juwelen behandeln. Und auch an Wiesenflächen denken." Es sei nicht mehr zu verantworten, ausgewachsene Bäume zu fällen.

Wir sollten unsere Bäume wie Juwelen behandeln. Es ist nicht mehr zu verantworten, ausgewachsene Bäume zu fällen. Astrid Ziemann | Meterologin TU Dresden
Schatten eines Baumes

Die gefühlte Temperatur im Schatten eines Baumes ist etwa zehn Grad geringer.


Dresden plant keine neuen Bäume zum Hitzeschutz. Im Gegenteil, die Zahl der Bäume nimmt in Dresden kontinuierlich ab. Im Jahr 2023 wurden 876 Bäume im öffentlichen Raum gefällt. Gepflanzt wurden allerdings nur 830 neue Bäume, das ist ein Verlust von 46 Bäumen. Hinzu kommen die Verluste auf Baugrundstücken, allein auf der Baustelle im Gleisdreieck hinter dem Bahnhof Dresden-Neustadt sind laut Bebauungsplan 122 Bäume ausgewachsene Bäume, mehrheitlich am Grundstücksrand, gefällt worden.

Über 30 Grad im Patientenzimmer: Was tut das Städtische Klinikum?

Das Städtische Klinikum setzt laut der Stadt vor allem auf Außenjalousien und Lüftungssysteme. Besonders sensible Bereiche wie OP-Säle, Intensivstationen und die Notaufnahme sind klimatisiert. Um hohe Temperaturen in Gebäuden mit großen Fensterflächen zu vermeiden, prüft das Klinikum aktuell die Nachrüstung von Thermoschutzfolien an den Fenstern der Pflegestationen. Gleichzeitig hat es bei Sanierungen Abluftkühlungen und Sonnenschutz installiert (Haus R, Haus N am Standort Friedrichstadt). Bei den Häusern C und K sei auf eine nachhaltige und energieeffiziente Bauweise geachtet wurden.

Auch am Standort Neustadt wurden Abluftkühlung und außenliegender Wärmeschutz installiert. Seit 2023 kümmern sich zwei Klimamanager im wahrsten Sinne des Wortes um ein gutes Klima. "Zusätzlich konnte die Klinik 1,9 Millionen Fördermittel des Bundes einwerben, um den Krankenhauspark Friedrichstadt als grünes Herzstück aufzuwerten", erklärt die Stadt.

Ein Klinikum mit Bäumen davor

Der Klinikpark in Friedrichstadt wird mit 1,9 Millionen Euro Förderung als grüne Oase aufgewertet.

In Paris werden alle Schulhöfe begrünt. Ist das auch für Dresden geplant?

Bildungsbürgermeister Jan Donhauser erklärt MDR SACHSEN: "Schulhöfe werden auch in Dresden nach Möglichkeit begrünt und entsiegelt." Diese könne bei Neubau und Sanierungen leichter umgesetzt werden als im Bestand. "Dennoch setzen wir darauf, kleinteilig Flächen zu entsiegeln, zu begrünen und zu verschatten, um der Hitze entgegenzuwirken", sagte Donhauser. Begrünung und Verschattung seien zentrale Themen für das Schulamt geworden und werden "bei vorhandenen Finanzen umgesetzt". Zudem verfüge mittlerweile fast jede Schule über einen Trinkbrunnen.

Hitzefrei: Mit KI unterstützte Sensorik für Hitzewarnungen an der Schule

Das Temperatursensorik-Projekt "Klips" soll laut Bildungsbürgermeister Donhauser künftig dabei helfen, Hitzeinseln an Schulen zu identifizieren und Hitzevorwarnungen auf Schulen auszuweiten.

Gründächer für Kitas

Laut Donhauser wird bei Kitas grundsätzlich, auch aus pädagogischen Gründen ein "naturnahes Konzept" mit wenigen versiegelten Flächen verfolgt. "Wir fällen so wenige Bäume wie möglich", sagte Donhauser. Insgesamt 23 Kitas hätten Gründächer erhalten, teilweise kombiniert mit Photovoltaikanlagen. Auch der neue Kita-Bau in der Lisa-Meitner-Straße solle ein Gründach bekommen. Bei zwei Kitas, in der Riesaer und der Nöthnitzerstraße wurden laut Donhauser die Fassaden begrünt. Allerdings: Anders als in Leipzig gibt es in Dresden keine Förderung für Gründächer und grüne Fassaden. Im Haushalt sei dafür kein Geld "einordbar" gewesen.

Mini-FAQ

Mit wie viel Hitzeschutz baut Dresden? (zum Ausklappen)

Laut Stadt gibt die Richtlinie "Dresden baut Grün" für alle kommunalen Bauten Verschattungen, Nachtauskühlung, möglichst viel speicherwirksame Bauwerksmasse, begrünte Dächer und begrünte Fassadenanteile vor.

Klimaanpassungsmanager wie in Leipzig. Plant das Dresden auch? (zum Ausklappen)

"Ein Hitzeschutzmanager ist nicht vorgesehen. Hitzeschutz ist sehr umfassend, vom langfristigen, planerisch-baulichen Bereich bis hin zu akuten, eventuell auch notfallbezogenen Maßnahmen. Daher gibt es in den Fachämtern Personen, die hier Ansprechpartner sind. Diese sind in der Landeshauptstadt Dresden gut vernetzt", erklärt die Stadt. Regine Ortlepp vom Institut für ökologische Raumentwicklung (IöR) bekommt allerdings andere Rückmeldungen aus der Stadt.

"Allein für eine Baumpflanzung müssen verschiedene Behörden gefragt werden – vom Strom bis zum Abwasser, jeder hat einen anderen Chef, das scheint in der Struktur schwierig zu sein", erklärt die Wissenschaftlerin. Es müsste eine übergeordnete Person wie eine Klimaschutzmanagerin oder -manager geben. Die schwierige Zusammenarbeit der Behörden mit viel Potenzial nach oben ist auch ein Ergebnis des Forschungsprojektes "HeatResilientCity", was das IöR zusammen mit der Stadt Dresden durchgeführt hat.

Warum geht es so langsam vorwärts? (zum Ausklappen)

Derzeit erarbeitet die Stadt einen Hitzeaktionsplan, der im Jahr 2025 vom Stadtrat verabschiedet werden soll. Danach besteht die Chance, dass Hitzeschutz Pflichtaufgabe der Stadt wird und somit auch extra bereitgestellt wird. Bislang gibt es weder extra Geld noch extra Personal. "Klimaanpassung als Pflichtaufgabe ist essentiell, dann können Geld und Personal zur Verfügung gestellt werden, beides ist nötig für Hitzeschutz", erklärt Forscherin Ortlepp

Ein Hitzehandbuch mit Verhaltenstipps

Zusammen mit dem IÖR hat Dresden ein Hitzehandbuch erstellt, dort erhalten Bürger Verhaltenstipps und Aufklärung über Hitze. Gleichzeitig bietet das Dresdner Gesundheitsamt Hitzzeschulungen für Pflegekräfte an.

Schön zu wissen

Die Stadtentwässerung stellt für das Projekt "Gießkannenheld:innen - Wasser für die Stadt" Regenwassercontainer im öffentlichen Stadtgebiet auf – unter anderem auf Schulhöfen. Schülerinnen und Schüler können damit ihren Schulgarten und Grünflächen in der Schule bewässern.

Hitzeschutzstrategien, um Zahl der Todesopfer zu senken

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) möchte die Zahl der 8.000 Hitzetoten im Jahr 2022 mit einem nationalen Hitzeschutzplan mindestens halbieren. Auf der 2. Hitzeschutzkonferenz im Mai legte der Bundesminister zudem Hitzeschutzpläne für Pflegeinrichtungen und Krankenhäuser vor. "Der Klimawandel wird Hitzeschutz zu einem Dauerproblem machen. Darauf muss Deutschland systematisch vorbereitet werden. Sonst sterben in jedem Sommer tausende Bürger unnötigerweise", erklärte Lauterbach.