Sachsen Herrnhut: "Wo ist denn hier das Welterbe?"
Das Unesco-Welterbe-Komitee hat am Freitag drei weitere Siedlungen der Herrnhuter Brüdergemeine in die Welterbe-Liste aufgenommen. Neben Bethlehem in den USA und Gracehill in Irland gehört dazu auch Herrnhut in der Oberlausitz. Sie bilden gemeinsam mit dem dänischen Christiansfeld, das bereits seit 2015 Welterbe ist, eine länderübergreifende Welterbestätte. Was aber ist an Herrnhut so einzigartig?
- Die Siedlungen der Herrnhuter Brüdergemeine zeichnen eine weltweit einheitliche Architektur und Planung aus.
- Für die Welterbe-Bewerbung war aber auch die lebendige kulturelle Tradition wichtig, die heute noch existiert.
- Um das Besondere an der Herrnhuter Siedlung der Brüdergemeine zu vermitteln, soll es eine Ausstellung und später einmal auch ein Welterbezentrum geben.
Rund um den Zinzendorfplatz in Herrnhut ist es in diesen Ferientagen sehr ruhig. Es ist ein schlichter Platz mit dem Kirchensaal und einer kleinen Grünfläche samt Brunnen in der Mitte, am Rand stehen weiße und hellgelbe Gebäude. Auf den ersten Blick alles nicht sehr spektakulär. Und dennoch ist es besonders. Denn es ist so etwas wie die Muttersiedlung der Herrnhuter Brüdergemeine, die ihre Ideen von einer christlichen Gemeinschaft von hier aus in die Welt getragen hat.
Einheitliche Architektur
Dazu gehörte auch die charakteristische Architektur, die sogar einen eigenen Namen hat: Der Herrnhuter Barock. Sie findet sich in allen Siedlungen der Brüdergemeine wieder, sagt Architekt Daniel Neuer. Der Herrnhuter hat die Welterbe-Bewerbung mit vorbereitet. Typisch sei eine grau-weiße schlichte Fassade mit einheitlichen Fenstern und Türen. Es seien immer die gleichen Maße verwendet worden, egal ob in Herrnhut oder im amerikanischen Bethlehem. "Wir können also hier eine Tür oder ein Fenster aushängen und können es in Bethlehem einhängen. Es passt genau."
Es wurden immer die gleichen Maße verwendet, egal ob in Herrnhut oder im amerikanischen Bethlehem. Wir können also hier eine Tür oder ein Fenster aushängen und können es in Bethlehem einhängen. Es passt genau. Daniel Neuer | Architekt
Siedlung mit Wiedererkennungswert
Zu verdanken haben das die Herrnhuter dem Gründer der Brüdergemeine, Nikolaus Graf von Zinzendorf. Er hatte 1721 ein baufälliges Schloss in Berthelsdorf von seiner Großmutter gekauft, nur gut zwei Kilometer vom heutigen Herrnhut entfernt. Zinzendorf ließ es nach seinen Vorstellungen restaurieren, erzählt Daniel Neuer: Eine schlichte weiße Fassade ohne Stuck, auf das Wesentliche reduziert. "Zinzendorf hat mit dieser an allen Orten fast identischen Architektur ein, wie wir heute sagen würden, Corporate Design, eine Marke geschaffen." Das sei für die Mitglieder der Brüdergemeine wichtig gewesen, wenn sie an andere Orte gefahren seien. Dann hätten sie das gesehen, was sie auch schon von zu Hause kannten.
Zinzendorf hat mit dieser an allen Orten fast identischen Architektur ein, wie wir heute sagen würden, Corporate Design, eine Marke geschaffen. Daniel Neuer | Architekt
Auch das Schlossgelände und die angrenzenden historischen Häuser aus jener Zeit gehören deshalb mit zum Weltkulturerbe-Gebiet Herrnhuts. Trotz ihrer Bedeutung als Muttersiedlung der Brüdergemeine wäre Herrnhut alleine aber nicht auf die Liste des Unesco-Welterbestätten gekommen, sagt Architekt Neuer. Es sei auf den Verbund mit den anderen drei Siedlungen in den USA, Irland und Dänemark angekommen. "Deshalb wäre es auch keine neue Ernennung, sondern eine Erweiterung des bestehenden Welterbe-Standortes im dänischen Christiansfeld um drei weitere Siedlungen."
Weltweite Verbundenheit der Brüdergemeine
Diese weltweite Verbundenheit betont auch Peter Vogt, Pfarrer der Brüdergemeine in Herrnhut. Die vier Siedlungen stünden beispielhaft für das globale Netzwerk religiöser Planstädte der Brüdergemeine. Ebenso wichtig sei für die Weltererbe-Bewerbung aber auch eine lebendige kulturelle Tradition gewesen, in diesem Fall das Leben der Brüdergemeine. "Für die Unesco ist es wichtig, dass dieses Lebendige heute noch da ist." Die Gebäude seien heute noch authentisch, weil hier Gemeindeglieder zusammenkommen zum Gottesdienst oder Gespräch. Außerdem sei man weiter weltweit vernetzt.
Für die Unesco ist es wichtig, dass dieses Lebendige heute noch da ist. Dass die Gebäude auch heute noch Authentizität haben, weil hier Gemeindeglieder zum Gottesdienst oder Gespräch zusammenkommen. Außerdem gibt es weiterhin die weltweite Vernetzung. Pfarrer Peter Vogt | Brüdergemeine Herrnhut
Wie will Herrnhut sein Welterbe vermitteln?
Für das Welterbe in Herrnhut braucht es also einen zweiten Blick. Die Stadt und die Brüdergemeine arbeiten aber bereits daran, wie sie den Gästen das Thema vermitteln wollen. Das sei nicht ganz einfach, gibt Bürgermeister Willem Rieke zu. "Wenn man als Gast den kleinen Ort Herrhut sieht, denkt man vielleicht, wo ist denn hier jetzt das Welterbe? Da muss man etwas genauer hinschauen." Eine erste kleine Broschüre gibt es deshalb schon, in dem die Besonderheiten aller vier Siedlungen der Brüdergemeine vorgestellt werden, die künftig zum Welterbe-Netzwerk gehören sollen. Außerdem ist eine Ausstellung an mehreren Stellen in Herrnhut geplant, die über die Hintergründe der Brüdergemeine-Siedlung informiert. Langfristig soll es auch ein Besucherzentrum geben.
Wenn man als Gast den kleinen Ort Herrhut besucht, denkt man vielleicht, wo ist denn hier jetzt das Welterbe? Da muss man etwas genauer hinschauen. Willem Rieke | Bürgermeister Herrnhut
Innere Ruhe soll bleiben
Den ganz großen Ansturm an neuen Besucherinnen und Besuchern erwarten die Herrnhuter aber nicht, sagt Pfarrer Peter Vogt. Das sei auch ganz gut so, denn um zu verstehen, was die Brüdergemeine ausmache, brauche es Zeit und Ruhe. "Herrnhut hat eine innere Ruhe, strahlt Frieden aus. Wenn jetzt sehr viele Leute herkommen, die das alle sehen und spüren wollen, dann würde genau das verloren gehen." Unter anderem deshalb habe es anfangs auch Vorbehalte wegen der Welterbe-Bewerbung gegeben. Auch Befürchtungen, dass die Brüdergemeine zum Museum wird, wurden laut. "Aber als klar war, dass das nicht der Fall ist, haben wir auch gerne gesagt: Welterbe ist ok." Inzwischen freuen sich die meisten Herrhuter über die Bewerbung. Am Sonnabend auf dem Zinzendorfplatz soll mit einem Bürgerfest gefeiert werden.