Sachsen Fragen und Antworten zur Wahl des Ministerpräsidenten in Sachsen
Rund 100 Tage nach der Landtagswahl könnte am Ende dieser Woche die neue Regierung in Sachsen stehen. Bis es so weit ist, müssen die potenziellen Koalitionäre der Minderheitsregierung von CDU und SPD allerdings noch mehrere Hürden nehmen. Wir erklären, was wann und wie in dieser für Sachsen politisch entscheidenden Woche passiert.
Wann passiert was?
Nachdem die CDU auf einem Parteitag dem ausgehandelten Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD bereits zugestimmt hat, muss nun noch die SPD dem Papier und dem Vorhaben, mit der CDU eine Minderheitsregierung zu bilden, zustimmen. Das Votum der SPD wird am Montag bekannt gegeben. Fällt dieses positiv aus, soll am Dienstag der Koalitionsvertrag unterschrieben werden. Am Mittwoch sind im Landtag die Wahl und die Vereidigung des Ministerpräsidenten geplant. Dieser ernennt die Minister und Ministerinnen seines Kabinetts. Es ist geplant, diese am Donnerstag im Landtag zu vereidigen.
In welcher Form holt die SPD das Votum ihrer Mitglieder ein?
Alle 4.600 sächsischen SPD-Mitglieder konnten bis einschließlich Sonntag über die Annahme des Koalitionsvertrages abstimmen. Die abgegebenen Stimmen werden am Montag im Dresdner Herbert-Wehner-Haus ausgezählt. Das Ergebnis soll am Montag bekannt gegeben werden. Wenn sich mindestens 20 Prozent der SPD-Mitglieder an der Abstimmung beteiligt haben und das Votum überwiegend zustimmend ist, gilt der Koalitionsvertrag von der Basis als angenommen. Abschließend muss noch der SPD-Landesvorstand am Montagabend die Annahme des Koalitionsvertrages formal beschließen.
Wie läuft die Wahl des Ministerpräsidenten ab?
Mittwoch um 10 Uhr beginnt die 4. Plenarsitzung des Sächsischen Landtages. Erster Tagesordnungspunkt ist die Wahl des Ministerpräsidenten. Bis kurz vor Eröffnung des ersten Wahlganges können in Sachsen noch Kandidatinnen oder Kandidaten von den Landtagsabgeordneten oder Fraktionen für diesen Wahlgang gemeldet werden. Der Plenardienst des Sächsischen Landtages erstellt dann den Wahlzettel. Die Wahl erfolgt geheim.
Im ersten Wahlgang muss ein Kandidat die absolute Mehrheit der Stimmen im Sächsischen Landtag erreichen, um als Ministerpräsident gewählt zu sein. Da im Landtag 120 Abgeordnete sitzen, wären das 61 Stimmen. Gelingt das nicht, wird ein zweiter Wahlgang eröffnet, für den wieder Kandidatinnen oder Kandidaten genannt werden können. Das können die Kandidaten aus dem ersten Wahlgang sein, aber auch neue Kandidatinnen oder Kandidaten. Ab dem zweiten Wahlgang muss ein Kandidat die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen erlangen, um gewählt zu sein.
Da Enthaltungen nicht als abgegebene Stimmen gelten, kann das erforderliche Quorum dadurch niedriger sein als im ersten Wahlgang. Sollte auch im zweiten Wahlgang kein Kandidat erfolgreich sein, können weitere Wahlgänge stattfinden. Die Anzahl der Wahlgänge ist nicht begrenzt.
Was passiert, wenn am Mittwoch kein Ministerpräsident gewählt wird?
Sollte für einen Wahlgang von den Vorschlagsberechtigten kein Kandidat mehr genannt werden, wird der Landtagspräsident den Tagesordnungspunkt "Wahl des Ministerpräsidenten" schließen. Dieser kann an einem anderen Tag vom Landtagspräsidium wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden. Die Wahl des Ministerpräsidenten würde also vertagt. Laut sächsischer Verfassung muss innerhalb von vier Monaten nach der konstituierenden Sitzung des Landtages ein Ministerpräsident gewählt sein. Gelingt dies nicht, ist der Landtag aufgelöst und es finden Neuwahlen statt. Diese Frist läuft bis zum 3. Februar 2025.
Wer wird für das Amt des Ministerpräsidenten kandidieren?
Der bisherige Ministerpräsident Michael Kretschmer von der CDU hat seine Kandidatur für den ersten Wahlgang bereits angekündigt. Zwei weitere Landtagsabgeordnete haben angekündigt, ebenfalls kandidieren zu wollen, sich allerdings noch nicht darauf festgelegt, in welchem Wahlgang.
Das ist zum einen der AfD-Landeschef und AfD-Fraktionsvorsitzende Jörg Urban, zum anderen der fraktionslose Abgeordnete Matthias Berger, der Spitzenkandidat der Freien Wähler war und im Wahlkreis Leipzig Land 3 das Direktmandat gewonnen hat. Weitere Kandidaturen sind möglich, kämen aber überraschend. Vorschlagsberechtigt sind die Fraktionen und Landtagsabgeordnete. Sie könnten auch Kandidatinnen oder Kandidaten ins Rennen schicken, die nicht im Landtag sitzen.
Welcher Kandidat kann auf welche Stimmen hoffen?
Die CDU-Fraktion ist mit 41 Abgeordneten im Landtag vertreten, die SPD-Fraktion mit zehn Abgeordneten. Theoretisch sollte Michael Kretschmer auf diese 51 Stimmen zählen können, da CDU und SPD gemeinsam eine Regierung bilden wollen. Allerdings könnte es sein, dass nicht alle CDU- oder SPD-Abgeordneten Kretschmer wählen. Einige Abgeordnete könnten ihrer Unzufriedenheit mit der geplanten Minderheitsregierung Ausdruck verleihen, indem sie Kretschmer in der geheimen Wahl ihre Zustimmung verweigern.
Die sieben Abgeordneten der Grünen haben bereits angekündigt, Kretschmer nicht wählen zu wollen. Die 15 Abgeordneten des BSW und die sechs Abgeordneten der Linken haben sich noch nicht festgelegt, ob sie Kretschmer und wenn ja in welchem Wahlgang wählen wollen. Sie knüpfen ihre Unterstützung an Bedingungen, über die sie noch verhandeln.
Die AfD-Fraktion hat angekündigt, dass sie Kretschmer nicht wählen will, wenn dieser eine Minderheitsregierung mit der SPD anführt. Die 40 AfD-Abgeordneten dürften ihren eigenen Kandidaten, Jörg Urban, unterstützen. Ob Matthias Berger (Freie Wähler) auf Unterstützung aus den Fraktionen zählen kann, lässt sich derzeit nicht absehen. Öffentlich dazu bekannt, Berger wählen zu wollen, hat sich bisher niemand.
Welches Szenario bei der Wahl des Ministerpräsidenten ist am wahrscheinlichsten?
Michael Kretschmer will erstmals eine Regierung anführen, ohne dabei eine Parlamentsmehrheit hinter sich zu haben. Deshalb gilt es als eher unwahrscheinlich, dass er bereits im ersten Wahlgang gewählt werden könnte. Selbst mit einer Parlamentsmehrheit ist eine Wahl im ersten Wahlgang nicht sicher. In der vergangenen Woche brauchte Dietmar Woidke bei der Wahl zum Ministerpräsidenten von Brandenburg trotz Parlamentsmehrheit einen zweiten Wahlgang. Auch in Sachsen ist das schon passiert.
Was ab dem zweiten Wahlgang passiert, lässt sich derzeit nicht sagen. Angesichts der instabilen Mehrheiten und angesichts von mindestens drei Kandidaten sind viele Szenarien möglich. Die Fraktionen werden sich am Dienstag, einen Tag vor der Wahl, zu ihrem geplanten Vorgehen in einer Pressekonferenz äußern. Allerdings sind die Wahlen geheim und jeder einzelne Abgeordnete ist nur seinem Gewissen verpflichtet, muss also nicht zwangsläufig einer Fraktionsstrategie folgen.
Wann steht die Regierung?
Sollte Michael Kretschmer zum Ministerpräsidenten gewählt werden, sollen die Minister und Ministerinnen seines Kabinetts am Donnerstag im Landtag vereidigt werden. CDU und SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass die CDU über die Besetzung von acht Ministerien entscheidet, die SPD über zwei Ministerien. Die SPD hat die Namen ihrer Minister schon im Vorfeld kommuniziert. Demnach soll Petra Köpping Ministerin für Soziales, Gesundheit und gesellschaftlichen Zusammenhalt werden. Der bisherige Fraktionsvorsitzende Dirk Panter soll Minister für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Klimaschutz werden.
Die CDU hat ihre Personalentscheidungen noch nicht offiziell kommuniziert. Sollte Jörg Urban zum Ministerpräsidenten gewählt werden, ist noch nicht bekannt, ob er sein Kabinett ebenfalls bereits am Donnerstag vereidigen wollen würde. Matthias Berger hat angekündigt, eine Expertenregierung anführen zu wollen. Jede im Landtag vertretene Fraktion solle - laut Berger - Experten vorschlagen dürfen, die Teil der neuen Regierung sein sollen. Diese Zusammenstellung einer Expertenregierung würde im Fall der Fälle Zeit brauchen. Deshalb ist nicht davon auszugehen, dass Matthias Berger sein Kabinett noch in dieser Woche vereidigen könnte.
MDR (sth)