Mehrere junge Männer fahren mit Mopeds auf einem braunen Wiesenpfad. Qualm liegt in der Luft. Drumherum stehen Autos und Zelte.

Sachsen Viel Ekstase trotz wenig Kubik

Stand: 19.07.2024 18:33 Uhr

Schwalben, Stare, Sperber und eine Explosionsramme. Beim Simsontreff in Zwickau finden Kult und Kurioses zusammen. Das Event begann vor 22 Jahren als Ausfahrt von Gleichgesinnten und ist mittlerweile zum waschechten Festival gewachsen. Das größte Zweitaktertreffen in Deutschland erwartet dieses Jahr circa 3.000 Besucher. Es findet passend zum „Simson-Tag“ am 19. Juli statt.

Von Adam Beyer, MDR SACHSEN

Beim Betreten des Flugplatzgeländes wird sofort klar, weshalb die Besucher gekommen sind. Auf einer großen Wiese am Eingang schießen eine Vielzahl von Zweirädern kreuz und quer. Doch auch auf den Hauptwegen zwischen den Zeltplätzen sind mehr motorisierte Vehikel unterwegs, als Fußgänger. Der Qualm von Kraftstoffgemisch begleitet einen bis in jede Ecke des Festivals. Die ganze Szenerie erinnert leicht an die Zustände im Kinofilm "Mad Max".

Mehrere junge Männer fahren mit Mopeds auf einem braunen Wiesenpfad. Qualm liegt in der Luft. Drumherum stehen Autos und Zelte.

Auf den Wegen des Festivals muss man gut aufpassen, um nicht vor ein Moped zu laufen.

Auch der Anreisetag ist ereignisreich

Die Besucher sind in ihrem Element. Manche bauen noch ihren Lagerplatz aus, andere sind schon in Ekstase, lassen Hinterreifen durchdrehen, grölen oder singen. Obwohl das Festival erst 12 Uhr öffnen wollte, waren die ersten Gäste schon vor sechs am Morgen da, um das Wochenende einzuläuten. Jetzt auf dem Gelände scheint fast nichts mehr ohne Simson zu gehen, selbst beim Wasser holen. Das funktioniert zu zweit. Einer fährt, der andere hält hinten links und rechts einen Kanister in den Händen.

Noch im Aufbau ist auch André Klaus. Selbstverständlich hat er seine Schwalbe mitgebracht, dazu aber auch noch ein ziemlich eigenartiges Gerät. Hinter seinem Anhänger steht die martialisch aussehende Säule aus Metall. Er stellt sich an das brusthohe Gerät und startet. Plötzlich beginnt es auf seinem einen Fuß auf und ab zu springen. "Das ist eine Explosionsramme. Hat man früher genommen, um auf dem Bau den Boden zu verdichten." Das 105-Kilo-Gerät sei aus dem Jahr 1987 und funktioniere effektiv wie ein Zweitakter. Auf die Frage, weshalb er es mitgebracht habe antwortet er freudestrahlend: "Was soll ich sonst damit machen?"

Ein Mann mit Vokuhila steht oberkörperfrei auf einer Wiese. Er hält ein großes Gerät aus Metall fest.

Neben der Explosionsramme finden sich auch viele andere sonderliche Gefährte und Bauten auf dem Gelände.

Komfort und Festival gehen auch zusammen

Die Besucher fahren aber nicht nur mit Kuriosem groß auf. Einige bringen auch viel Elan auf für ihre Bleibe auf dem Festival. So findet sich am Rande des Geländes der Stellplatz von Sebastian Buchmann. Heute, an seinem 40. Geburtstag, hat er mit seinen Freunden mehrere Wohnwagen zusammengestellt und für Luxus gesorgt. Stolz berichtet er von ihrer eigenen Zapfanlage und einer Dusche mit Warmwasserboiler. Sein Kumpel Nikolas Schinköt findet auch, dass man es sich bei dem Event gut gehen lassen sollte. "Man freut sich, wenn man das ganze Wochenende am Schrauben ist."

Zwei Männer stehen vor schwanzeln Pavillons. In den Händen halten sie gefüllte Plastikbecher.

Gemeinsam mit Gleichgesinnten hat Sebastian Buchmann (rechts) einen Zweitaktverein gegründet.

Man freut sich, wenn man das ganze Wochenende am Schrauben ist. Nikolas Schinköt | Festivalbesucher

Ähnlichen Luxus will sich auch die Freundesgruppe um Niclas Schuster gönnen. Aber sie können dabei nicht auf einen Wohnwagen zurückgreifen. Trotzdem haben sie sich eine eigene Dusche konstruiert, die mit einem Akkuschrauber als Pumpe betrieben werden soll. Er selbst werkelt aber nicht mit an der Dusche, sondern sichert einen langen Fahnenmast direkt daneben ab. Oben weht eine große, doch leicht zerschlissene DDR-Fahne. Er sei ein bisschen stolz darauf, dass es eine der höchsten hier sei. Laut Schuster ist diese auch "ein super Orientierungspunkt auf dem Festival, welches sich über mehrere Jahre bewährt hat."

Eine DDR-Fahne hängt an einem abgespannten Fahnenmast. Daneben stehen mehrere Menschen. Drumherum sind Zelte und Autos.

Vielerorts findet man auf dem Festivalgelände Objekte mit DDR-Bezug.

Ein paar Verletzungen am Eröffnungstag

Beim Gang durch die Siedlung strahlen einem von allen Ecken knallgelbe Schilder entgegen. Vor vielen Lagern haben die Besitzer Ortsschilder aufgestellt. Einer von ihnen ist Jeremy Kneucker. Er erklärt, dass man bei so vielen Leute, gar nicht wüsste, wo alle herkommen. Da helfen die Schilder gut weiter, wenn man sich über den Platz bewegt. Er selbst plane aber erstmal nicht den Schatten seines Pavillons zu verlassen. "Das lohnt sich nicht." Auf den Wegen würde so schnell und waghalsig gefahren, dass er seine Simme lieber erstmal stehen lässt. Alleine vor seinem Lagerplatz hätte es schon mehrere Unfälle gegeben, auch in seinem Freundeskreis. "Einer aus unserer Gruppe ist auch schon im Krankenhaus, weil er mit dem Moped auf die Fresse geflogen ist." Wenn, dann will er ein wenig fahren, wenn es ruhiger geworden ist.

Ein großes Bild von Erich Honecker lehnt an einem Campinglager. In seinem Mund steckt eine Zigarette. Davor stehen zwei gelbe Ortsschilder. Im Hintergrund sitzen Menschen.

Am Eröffnungstag scheint fast durchgehend die Sonne, weshalb sich manche in den Schatten zurückziehen.

Einer aus unserer Gruppe ist auch schon im Krankenhaus, weil er mit dem Moped auf die Fresse geflogen ist. Jeremy Kneucker | Besucher

Dominic Würfel ist Organisator des Simsontreffs. Im Alter von 16 habe er das Event vor 22 Jahren gegründet. Laut ihm sei es auf solchen Veranstaltungen nicht zu verhindern, dass es zu Verletzungen kommt. Egal ob mit Motoren oder ohne. Doch er sieht sich gut vorbereitet für mögliche Zwischenfälle. "Wir sind mit dem Sanitätsdienst gut ausgerüstet. Wir haben einen Notarzt und ungefähr 11 Sanitäter da." Er wolle den Gästen ein tolles Wochenende bieten, denn sein persönliches Highlight sei die Freude der Gäste am Event und wenn die eigene Arbeit honoriert wird.

Ein Mann mit schwarzem Shirt und schwarzer Basecap schaut freundlich in die Kamera.

Dominic Würfel begleitet den Simsontreff von Anfang an.

Moped oder Mokick?

Die korrekte Bezeichnung für Simson Zweiräder wie "Schwalbe", "S50" und "S51" ist eigentlich "Mokick". Sie verfügen über einen namensgebenden Kickstarter und Fußrasten. Mopeds hingegen haben Pedale zum Starten des Motors verbaut. Umgangssprachlich werden diese Modelle aber dennoch oft als Mopeds bezeichnet.

Mopeds verbinden Generationen

Zwischen der Vielzahl an jungen wilden Moped-Fans finden sich auch vereinzelte Gäste, die leicht aus dem Bild fallen. Auch ein paar Familien mit kleinen Kindern haben sich Tickets für das Spektakel gesichert. Und die Kinder dürfen sogar mitfahren. Susan Wohlfahrt ist auch mit ihrer Familie und Freunden gekommen. Gemeinsam waren sie schon letztes Jahr bei einem Simsontreffen, aber in Suhl. Ihre Kinder seien Simson begeistert und sie selbst fuhr früher auch ein DDR-Moped. Das habe aber ihre ältere Tochter übernommen, weshalb sie auf eine Schwalbe umgestiegen sei. Vom ersten Eindruck her fände sie die Veranstaltung cool. Ein wenig müsse sie aber auf ihre kleine Tochter aufpassen.

Zwei Frauen stehen an einem Klapptisch vor Wohnwagen. Sie schauen freundlich in die Kamera.

Sandra Simon und Susan Wohlfahrt (v.l.n.r.) sind mit Partner und Kindern angereist.

Das Treffen dauert insgesamt vier Tage. Währenddessen soll ein vielfältiges Programm mit Wettkämpfen, Stuntshow und Partys angeboten werden. Als ein besonderer Gast soll der sogenannte "Anzeigenhauptmeister" das Event besuchen.