Sachsen VW und die großen Sorgen der Azubis in Sachsen
Die Automobilindustrie steht vor einem radikalen Umbruch: Elektromobilität, Automatisierung und schwächelnde Absätze verändern die Branche. Das trifft nicht nur erfahrene Mitarbeiter, sondern auch Auszubildende. In Südwestsachsen, wo die Wirtschaft stark von der Automobilindustrie geprägt ist, machen sich junge Menschen Sorgen um ihre berufliche Zukunft.
- Wie VW-Azubis ihre Zukunftschancen beurteilen
- Studien zu KI zeigen düstere Prognosen
- Betriebsrat kritisiert Reduzierung der Ausbildungsplätze
- Junge Menschen wollen Zukunft bei VW mitgestalten
Die Automobilindustrie befindet sich in einem historischen Wandel – mit weitreichenden Konsequenzen für die Beschäftigten. Besonders in der Region Südwestsachsen, wo rund 50.000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt an der Automobilbranche hängen, sorgt die Situation für Ungewissheit.
Betroffen sind auch Auszubildende: Volkswagen hat die Übernahmegarantie für Azubis gestrichen, und deutschlandweit sollen bis zu 30.000 Stellen wegfallen. Es könnte sogar zu Schließungen ganzer Standorte kommen.
VW-Azubis in Südwestsachsen bangen um ihre Zukunft
Die 20-jährige Rhona Hänel, Auszubildende zur Kfz-Mechatronikerin, spürt die Unsicherheit deutlich. Sie kam über ihre Familie in die Branche – ihr Vater und ihr Onkel arbeiten ebenfalls in der Automobilindustrie. Jetzt jedoch stellt sie sich die Frage, wie es weitergehen soll: "Ich habe eher ein ungutes Gefühl, ob ich übernommen werde oder mir etwas Anderes suchen muss."
Rhona Hänel und Matthis Schaulinski sind angehende Kfz-Mechatroniker.
Diese Sorge teilen viele junge Menschen in der Region. Matthis Schaulinski, ebenfalls angehender Kfz-Mechatroniker, will in zwei Jahren seine Ausbildung abgeschlossen haben.
Wenn die Arbeitsplätze wegfallen, dann ist unsere Region hier komplett tot. Matthis Schaulinski | Azubi bei VW
Seine berufliche Zukunft ist derzeit komplett ungewiss: "Wenn die Arbeitsplätze wegfallen, dann ist unsere Region hier komplett tot." Fest steht für den jungen Mann aus dem Erzgebirge aber: "Für mich ist es absolut keine Option, hier wegzuziehen, weil bei mir Familie und alles dranhängt. Meine Freunde sind alle hier."
Studien zu KI zeigen düstere Prognosen
Die Automobilindustrie steckt mitten im Umbruch. Ab 2035 sollen keine Verbrenner mit fossilen Brennstoffen mehr zugelassen werden. Zwar werden in Zwickau bereits ausschließlich Elektroautos produziert, doch die Herstellung benötigt weniger Arbeitskräfte, viele Prozesse werden automatisiert und derzeit schwächelt der Absatz der E-Autos.
Eine Studie im Auftrag der Automobilindustrie prognostiziert bis 2035 den Wegfall von weiteren 143.000 Arbeitsplätzen in der Autobranche, wenn sich der aktuelle Trend fortsetzt. Besonders betroffen sind Berufsbilder wie etwa der Zerspanungsmechaniker. "Es gibt Daten, die 100 Prozent der Kerntätigkeiten im Beruf des Zerspanungsmechanikers als automatisierbar einschätzen", sagt Wirtschaftswissenschaftlerin Dr. Julia Becker vom Forschungsinstitut für Betriebliche Bildung.
Betriebsrat kritisiert Reduzierung der Ausbildungsplätze
Diese Entwicklung stellt die Ausbildungsinstitute vor Herausforderungen: Mehr IT- und Elektronikkompetenzen müssen in die Lehrpläne integriert werden. Das VW Bildungsinstitut in Zwickau hat bereits 1,7 Millionen Euro in die Modernisierung investiert.
Da wirkt die Ankündigung, die Zahl der Ausbildungsplätze bundesweit von 1.400 auf 600 zu halbieren, wie ein falsches Signal, kritisiert Betriebsrätin Andrea Vogelsang: "Die jungen Leute werden ganz einfach gebraucht, unabhängig von Personal, Stückzahlen und dergleichen."
Für die Betriebsratsvorsitzende des VW Bildungsinstituts Zwickau sind Elektromobilität und alternative Antriebe die Zukunft. Dazu gehörten auch gut ausgebildete Facharbeiter. Wer darauf nicht setze: "Geht einen falschen Weg."
Junge Menschen wollen Zukunft bei VW mitgestalten
Trotz der Ungewissheit wollen junge Mitarbeitende die Zukunft aktiv gestalten. Philip Salomon und Jörn Beger sind Jugendvertreter bei VW und fordern eine engere Zusammenarbeit zwischen den nahe beieinanderliegenden Standorten Chemnitz und Zwickau, um Synergien zu schaffen. "Früher, als Mosel noch Verbrenner hergestellt hat, haben wir die Motoren von Chemnitz nach Zwickau geliefert", sagt Salomon. Warum sollte das nicht wieder möglich sein?
Auch Azubi Matthias Schaulinski hat konkrete Erwartungen an die VW-Geschäftsleitung: "Wir brauchen klare Aussagen, die uns Sicherheit geben. Und diese Versprechen müssen gehalten werden."
Die Unsicherheit nagt an den jungen Menschen. Haben sie eine Zukunft in der Automobilbranche – und kann Südwestachsen auch in den kommenden Jahrzehnten ein Zentrum des deutschen Autobaus bleiben? Über die Zukunft der Auszubildenden wird bei Volkswagen aktuell weiter verhandelt. Am Donnerstag findet die nächste Tarifrunde in Wolfsburg statt.