Mit einem Feuerwerk auf dem Opernhaus am Theaterplatz feiern die Chemnitzer die Ernennung als Kulturhauptstadt 2025.

Sachsen Zwischen Geraune und Euphorie: Das sagen Chemnitzer zur Kulturhauptstadt

Stand: 04.01.2025 10:00 Uhr

Ein gebürtiger Chemnitzer sagt: Chemnitz habe nicht die "schönste Innenstadt, aber tolle Menschen. Und kann Kultur". "Die Stadt ist Kultur", sagt eine Wahl-Chemnitzerin. Sie hören zum Start des Kulturhauptstadt-Jahres viel skeptisches Geraune und hoffen doch, dass ihre Heimat viele Besucher begeistert. Manche sorgen in ihrem Umfeld selbst für Zulauf.

Von MDR SACHSEN

"Chemnitz kann Kultur". Das steht für Jörg Räther fest. Auch wenn das viele nicht wüssten: Seine Heimatstadt "ist eine Kulturstadt". Der Hobbymusiker, der in einem Verein spielt, weiß, "dass Chemnitz nicht die schönste Innenstadt hat" und nicht mit Dresden und Leipzig vergleichbar sei. Aber: "Die Stadt hat schöne Ecken und die Leute sind toll". Das sollten die Besucher im Kulturhauptstadtjahr entdecken. Räther hofft, dass sein Musikverein 2025 auch mal ein Konzert geben kann. Anfragen dazu hätten die Organisatoren bislang ignoriert, ärgert er sich. Veranstaltungen besuchen will er auf Fälle.

Ich hoffe, dass es noch ein richtiges Programm gibt, dass ich sehe, wann, wie, wo, was ist. Jörg Räther | wohnt in Chemnitz

Persönliche "Werbemaßnahmen" Einheimischer

"Das Programmheft ist ja erst vor wenigen Tagen der Öffentlichkeit vorgestellt worden! Als Chemnitzer werde ich mir das Heft besorgen und darin stöbern", kündigte Rudolf Geser aus Chemnitz an. Er hatte bei der Stimmungsumfrage von MDRfragt mitgemacht und seinen persönlichen Einsatz für das Kulturhauptstadtjahr genannt: "Ich leite im Ehrenamt einen Verband von rund 600 Mitgliedern und als meine persönliche 'Werbemaßnahme' habe ich die Mitglieder für April 2025 zur Jahresversammlung nach Chemnitz eingeladen."

Etwas Ähnliches hat auch Barbara Neumann aus dem Landkreis Zwickau vor: "Ich beabsichtige, alle unsere Verwandten, Freunde und Bekannte nach Chemnitz einzuladen, um die attraktiven Seiten und Veranstaltungen miteinander zu entdecken." Das Programm findet sie ein bisschen "sehr kleinteilig mit wenigen Highlights, die sofort das überregionale Interesse wecken. Aber vielleicht irre ich mich auch."

Den Chemnitzern selbst muss man die vielen interessanten und schönen Seiten erst mal zeigen. Vielleicht kommt mit dem Zuspruch von außen auch mehr Selbstbewusstsein. Barbara Neumann | arbeitet in Chemnitz, wohnt im Landkreis Zwickau

Probleme mit der Annahme des Festjahres

"Die Kunst, die bisher gezeigt wurde, ist nicht die der überwiegenden Bevölkerung vom Chemnitz und Umgebung. Daher ist auch die Identifizierung damit schwierig", findet dagegen Andreas Kühn aus dem Landkreis Mittelsachsen.

Dass sich Menschen nicht von den Kulturhauptstadtjahr-Vorbereitungen mitgenommen fühlen, kann Janina Mann aus Burgstädt verstehen. "Es ist sehr lange versäumt worden, die Leute mitzunehmen. Sehr Vieles ist hinter den Kulissen passiert und man hat gar nichts gehört." Zur Skepsis habe ihrer Meinung nach auch beigetragen, dass "Projekte plötzlich da waren und genauso plötzlich verschwanden". Als Beispiel fällt ihr das "Parapom"-Kunstprojekt ein, das 2023 gestoppt wurde. Ursprünglich sollten dafür bis 2025 entlang einer Linie durch die Stadt 4.000 Apfelbäume gepflanzt werden.

Auch die Programmvorstellung nur für Presse und geladene Gäste fand die 41-Jährige schwierig, "weil das die Chemnitzer und Menschen aus der Region ausgeschlossen hat".

Burgstädterin: "Chemnitz ist Kultur"

Trotz skeptischer Stimmen und Unmut im Vorfeld, hofft Janina Mann darauf, dass sich Chemnitz 2025 als "kulturell sehr reiche Stadt und Gegend" präsentieren kann. Denn: "Chemnitz ist Kultur." Auch die Stadt selbst sei Kultur, man könne direkt durch die Industriekultur laufen.

Ich freue mich sehr auf das Jahr. Wir sind eine wahnsinnig kulturell reiche Stadt. Man läuft im Grunde durch die Industriekultur. Janina Mann | hat in Chemnitz studiert, wohnt in Burgstädt

Kontrast zwischen Beobachtern und Beteiligten

Holger Kirsch aus Chemnitz hat einen speziellen Kontrast in seiner Heimatstadt festgestellt. "Diejenigen, die mit dem Kulturhauptstadtjahr zu tun haben und sich einsetzen, sind euphorisch. Ein Gegenpol zum Geraune und Gemurmel in der Stadtgesellschaft, wo immer noch viele fragen: Was soll das?" Der 58-Jährige macht beim Freiwilligenprogramm mit und will Gästen helfen, sich zu orientieren. Dass er "nur ein bisschen Englisch" spricht, stört ihn nicht.

Stolz auf Kulturhauptstadt-Titel - in Mitteldeutschland

Die Mehrzahl der MDRfragt-Community in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt ist stolz auf den Titel für Chemnitz.

Kirsch hofft, "dass die Chemnitzer merken, es passiert etwas und sie zu Veranstaltungen hingehen". Er versucht in privaten Gesprächen, die Leute für Chemnitz zu begeistern - und vor allem auch fürs Erzgebirgsvorland. Kirsch ist sich auch sicher: Ohne das Kulturjahr wären in Chemnitz und den Stadtteilen keine 30 Flächen und Grundstücke saniert und aufgewertet worden.

Besucher aus weiter entfernten Regionen reagieren sehr viel positiver auf uns, als wir das in Chemnitz wahrnehmen. Holger Kirsch | gebürtiger Karl-Marx-Städter/Chemnitzer

MDR (kk, koh)