Frau in einer Bahn

Sachsen Zwischen Mittweida und Limbach: Was bewegt die Menschen in Bus und Bahn?

Stand: 18.08.2024 07:00 Uhr

Es sind nur noch wenige Tage bis zu den Landtagswahlen. MDR SACHSEN hat sich auf Wählerreise in Bus und Bahn begeben, um mit den Menschen außerhalb der großen Städte über ihre Hoffnungen und Sorgen zu sprechen. Manche wollen von Politik nichts mehr hören, andere haben klare Vorstellungen, was sich ändern müsste.

Von Anett Linke und Benjamin Jakob, MDR SACHSEN

Am Bahnhof in Mittweida stehen am Donnerstagnachmittag einige Menschen am Gleis der City-Bahn und warten auf den Zug nach Chemnitz. Eine von ihnen ist Nadine Richter aus Mittweida. Die 39-Jährige geht aus Überzeugung nicht wählen. "Für mich sind das alles leere Versprechungen", sagt sie. Es passiere nichts davon, auch wenn man wählen geht. Migration ist für sie ein Thema. "Es müsste besser kontrolliert werden, wer in unser Land kommt", sagt sie. Ihr gehe es dabei nicht um eine grundsätzliche Begrenzung. "Manche haben keine Papiere oder werden kriminell", so Richter. "Aber es gibt auch viele Vernünftige, die hier arbeiten wollen."

An der Haltestelle Oberlichtenau steigt Melissa Scharf ein. Die 33-jährige Oberschullehrerin ist auf dem Weg von der Arbeit nach Hause. Sie wünscht sich vor allem, dass etwas gegen den Lehrermangel unternommen wird. "Das sind die größten Themen, die mich bewegen: der Lehrermangel und die Zukunft der Bildung in Sachsen", sagt sie. Wenn nicht so viel Unterricht ausfallen würde, wäre auch der Lehrplan gut zu schaffen.

Lehrerin: "Es müsste ein Schub kommen an Lehrkräften"

"Man könnte den Seiteneinstieg noch attraktiver gestalten", schlägt Scharf vor. "Es müsste jetzt einfach nochmal ein Schub kommen an Lehrkräften, um ein bisschen was zu kompensieren." Sie könnte sich für eine kurzfristige Unterstützung auch vorstellen, die Unterrichtsversorgung auszuweiten. Im Rahmen der Unterrichtsversorgung erfolgt bei Bedarf eine kurzfristige, befristete Einstellung zur Vertretung von zum Beispiel erkrankten Lehrkräften.

Asyl und Bürgergeld als wichtigste Themen

Wenige Stunden zuvor, ein anderes Verkehrsmittel.

Es geht mit dem Bus von Mittweida nach Limbach-Oberfrohna und zurück. Die Fahrt vom Busbahnhof in Mittweida nach Limbach-Oberfrohna dauert mit dem Bus knapp eine Stunde. Marcel Stranz nimmt diesen Bus sonst nie, weil er beruflich sehr eingespannt ist. Aber an diesem Donnerstag ist er mit dem neun Monate alten Töchterchen Paula unterwegs nach Burgstädt zur Physiotherapie. Angesprochen auf die Landtagswahl nennt er "Asyl und Bürgergeld" als die wichtigsten Themen.

Selbstständiger Familienvater: Regierung braucht einen Dämpfer

"Leute, die arbeiten gehen, sind eigentlich benachteiligt gegenüber denen, die nicht arbeiten gehen wollen", sagt er. Das Bürgergeld sei nicht zu hoch, sondern die Löhne zu niedrig und die Steuern zu hoch. "Es ist eigentlich frustrierend", so Stranz. Er selbst sei selbstständig, aber "alle meckern wegen Geld". Seiner Meinung nach brauche die Regierung einen Dämpfer, damit sie sieht, dass es so nicht weitergeht. "Ich werde definitiv die AfD wählen, die ist gerade noch so wählbar", sagt er. Nicht weil ihn die Ideen überzeugen, sondern aus Protest.

Sanierung von Schulen und Frieden im Ukraine-Krieg

Für eine 77-jährige Frau im Bus ist das Thema Schulen am wichtigsten. Ihren Namen will sie nicht nennen. "Lehrer ist das eine Problem, aber dass die Sanierungen verschleppt werden, finde ich schlimm", sagt sie. Außerdem wünscht sie sich, dass endlich Verhandlungen im Ukraine-Krieg losgehen. "Man muss versuchen, dort einen Weg zu finden, dass mit dem Krieg Schluss gemacht wird", sagt sie. "Das ist mir wichtig."

Andere Themen treiben sie gerade nicht um. "Ich bin Rentnerin und habe eine gute Verkehrsanbindung", sagt die 77-Jährige. "Ich kann nicht meckern." Normalerweise laufe sie auch viel, aber bei dem heißen Wetter nimmt sie zum Einkaufen lieber den Bus. Schon nach wenigen Haltestellen steigt sie daher wieder aus.

Mobbing in Schulen und familienfreundliche Jobs

In Burgstädt steigt die 29 Jahre alte Sarah Henzka in den Bus. Die alleinerziehende Mutter von zwei Kindern wünscht sich vor allem, dass das Thema Mobbing in den Schulen mehr in den Fokus rückt. "Mein Kind ist seit Montag in der Schule und kommt jeden Tag verletzt nach Hause", sagt sie. Es gehe in die dritte Klasse einer Förderschule. Sie wünsche sich, dass die Kinder mit Lust und Laune in die Schule gehen und nicht mit Angst.

Ich wünsche mir, dass die Kinder mit Lust und Laune in die Schule gehen und nicht mit Angst. Sarah Henzka | Mutter aus Burgstädt

Außerdem wünscht sie sich familienfreundliche Jobs. "Toll wären Berufe für Mamas oder eben Teilzeit." Ihre Kinder sind acht und drei Jahre alt. Als gelernte Köchin könne sie mit zwei kleinen Kindern aber eben nicht am Wochenende arbeiten. "Ich habe mich so oft beworben, aber bekomme einfach nichts", sagt sie.

Leerer Doppelsitz in einem Bus

Auf dem Weg zwischen Burgstädt und Limbach-Oberfrohna wird der Bus immer leerer.

Energiewirtschaft weniger regulieren

Ebenfalls in Burgstädt eingestiegen ist ein 37 Jahre alter Mann. Wie viele auf dieser Bustour, möchte auch er seinen Namen nicht öffentlich machen. Seine großen Themen für die Wahl sind Migration, Wirtschaft und Energiepolitik. "Ich würde mir wünschen, dass die Energiewirtschaft weniger reguliert wird", sagt er. "Wenn es sich ökonomisch lohnt, setzen sich die erneuerbaren Energien von allein durch." Der Markt würde das regeln. Bei der Migration wünscht sich der Chemnitzer Begrenzungen. "Es sollten nur echte Fachkräfte, deren Berufe hier auch gebraucht werden, hierherkommen dürfen." Dieser Vorschlag würde allerdings dem Grundrecht auf Asyl laut Grundgesetz Artikel 16a widersprechen.

Gleich neben ihm sitzt eine Rentnerin, die gleich abwinkt, als sie nach der Wahl gefragt wird. "Sowas hat immer mein Mann gemacht", sagt sie. "Ich musste mich um nichts kümmern und verstehe davon auch nichts." Auf dem Weg durch Limbach-Oberfrohna steigen jetzt weniger Menschen ein als aus. Nur sehr wenige Menschen sitzen noch im Bus, als dieser an der Endhaltestelle ankommt. Zu sehen ist hier nicht viel. Nur Häuser und ein kleiner Imbiss in einer Baracke. An der Haltestelle wartet niemand.

Leere Bushaltestelle

Die Endhaltestelle in Limbach-Oberfrohna ist menschenleer am Donnerstagmittag.

Wahlentscheidung fällt schwerer als früher

Auf dem Rückweg nach Mittweida wird der Bus vor allem von Schülerinnen und Schülern genutzt, die auf dem Weg nach Hause sind. Aber auch einige ältere Leute steigen ein. Eine Rentnerin erzählt, sie sei insgesamt zufrieden. "Ich kann nicht klagen", sagt die 85-Jährige. "Meine Kinder und Enkel sind gut versorgt." Auch sie möchte ihren Namen nicht nennen.

Sie habe bereits in ihrer Jugend viel erlebt und im Alter sehe man viele Dinge nicht mehr so kritisch. "Wählen gehe ich", sagt sie voller Überzeugung. "Das gehört für mich einfach dazu." Die Entscheidung, wen sie wähle, falle ihr aber deutlich schwerer als früher. "Nur diese Parteien mit den schlechten Gedanken, die braucht man nicht."

In Waldheim wenig Freizeitangebote

Zurück am Busbahnhof Mittweida. An der Haltestelle für den Bus Richtung Waldheim sitzt eine Rentnerin. Zum Thema Wahl möchte sie nichts sagen. "Ich gehe immer wählen", erzählt die 77-Jährige. "Aber wir Alten können hier nichts beeinflussen." Themen habe sie eigentlich keine.

Doch im Gespräch erzählt sie, dass sie schon 16 Uhr ihre Wohnungstür von innen abschließt, weil sie sich draußen nicht mehr sicher fühlt. "Mir ist noch nie was passiert, aber man hört so viel und ich habe Angst", erzählt sie. Sie könne sich auch nicht mehr wehren oder weglaufen. Außerdem fehlen ihr Freizeitmöglichkeiten in ihrer Stadt Waldheim. "Ich hätte so gern ein Kino im Ort", sagt sie wehmütig.