Michael Kretschmer und Henning Homann stehen nach einer Pressekonferenz im sächsischen Landtag.

Sachsen Wie CDU und SPD ohne Mehrheit regieren wollen

Stand: 15.11.2024 17:28 Uhr

In Sachsen wollen CDU und SPD für eine künftige gemeinsame Minderheitsreigerung mit einem neuen Mechanismus arbeiten. Alle Landtagsabgeordneten sollen künftig über geplante Projekte der geplanten Regierung informiert werden. Änderungsvorschläge sollen eingearbeitet werden. Eine Zusammenarbeit mit der AfD wird ausgeschlossen.

Von MDR SACHSEN

CDU und SPD in Sachsen wollen eine Minderheitsregierung bilden. Nachdem Sondierungsverhandlungen mit dem BSW gescheitert waren, gaben Landeschef Michael Kretschmer (CDU) sowie Minister und Vorstände der Parteien Einzelheiten für eine künftige Regierungsarbeit bekannt.

Sachsen soll Minderheitsregierung bekommen

Ein Konsultationsmechanismus wird dem Gesetzgebungsprozess vorgelagert. Christian Piwarz (CDU) | Kultusminister

"Es wird einen Konsultationsmechanismus geben, der dem eigentlichen Gesetzgebungsprozess vorgelagert ist", brachte es Kultusminister Christian Piwarz (CDU) bei einer Pressekonferenz am Freitag in Dresden auf den Punkt. So sollen alle Landtagsabgeordneten frühzeitig und fortlaufend über geplante Projekte informiert werden, um sich beteiligen zu können. Deren Änderungsvorschläge und Ideen könnten dann eingearbeitet werden, bevor das Parlament abstimmt.

Konsultation ja, aber keine Zusammenarbeit mit AfD

Die AfD-Fraktion werde am Anfang des Konsultationsverfahrens genauso befragt, sagte Ministerpräsident Kretschmer. "Wir wünschen uns, dass in diesem Sächsischen Landtag miteinander gesprochen wird und dass es möglich ist, parteiübergreifende Kompromisse zu finden", sagte der CDU-Politiker. Man wolle die Leute so aus ihrer Märtyrerrolle herausholen. Aber es werde keine Zusammenarbeit mit der AfD geben. Man bleibe bei der Abgrenzung zur AfD, betonte Ministerpräsident Kretschmer.

Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, nimmt an einer Pressekonferenz im Landtag teil. CDU und SPD in Sachsen wollen in einer gemeinsamen Minderheitsregierung anderen Parteien die Hand reichen.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) steht künftig keine leichte Regierungsarbeit bevor. Für Vorhaben einer möglichen Minderheitsregierung mit der SPD ist er auf Stimmen aus der Opposition angewiesen.

Wir wünschen uns, dass in diesem sächsischen Landtag miteinander gesprochen wird und dass es möglich ist, parteiübergreifende Kompromisse zu finden. Michael Kretschmer | sächsischer Ministerpräsident (CDU)

SPD-Co-Vorsitzender Homann: Chance, große Themen anzusprechen

Man wolle eine gesichert rechtsextreme Partei aus-, aber alle anderen einschließen, sagte dazu SPD-Landesparteivorsitzender Henning Homann. Trotz der den Gesetzgebungsverfahren vorgelagerten Konsultationen werden AfD-Abgeordnete "keinen praktischen Einfluss mit ihren ketzerischen, mit ihren antisozialen Thesen auf Politik in Sachsen" erhalten. Und weiter: "Sachsen braucht eine handlungsfähige Regierung und das gerade in schwierigen Zeiten", sagte Homann.

Henning Homann (l), Co-Vorsitzender der SPD in Sachsen, und Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, nehmen an einer Pressekonferenz im Landtag teil.

Der Co-Vorsitzende der SPD in Sachsen, Henning Homann (l) und Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) haben am Freitag in einer Pressekonferenz über die künftige Regierungsarbeit in Sachsen informiert.

Sachsen braucht eine handlungsfähige Regierung und das gerade in schwierigen Zeiten. Henning Homann | SPD-Landesvorsitzender

Eine Minderheitsregierung sei Bekenntnis, Verantwortung zu übernehmen, sagte Homann "Eine Minderheitsregierung hat es so in Sachsen noch nie gegeben." Homann sehe aber eine Chance darin, große Themen anzusprechen und gemeinsam Vorschläge zu erarbeiten. Das Konsultationsverfahren sei dabei ein ernsthaftes Angebot für eine bessere politische Kultur.

AfD-Vorsitzender Urban: Wählerwille wird verhöhnt

Die AfD kritisiert das geplante Vorgehen von SPD und CDU scharf. Der AfD-Fraktionsvorsitzende Jörg Urban sprach angesichts der rund 30 Prozent für seine Partei bei der Landtagswahl und des strikten Neins zu einer Zusammenarbeit von einer "Verhöhnung des Wählerwillens".

Jörg Urban, Vorsitzender der AfD in Sachsen, spricht während der Sitzung des Sächsischen Landtages zur Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschsses zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie.

Der AFD-Vorsitzende Jörg Urban kristisierte das geplante Vorgehen von SPD und CDU.

Die AfD sehe mit einer CDU-SPD-Koalition einen weiteren Linksruck voraus. "Da sich CDU und SPD ihre Mehrheit ausschließlich über das linke Lager organisieren wollen, ist klar, dass es keinen Abschied von linker Politik geben wird", meinte Urban.

BSW verknüpft Zusammenarbeit mit Bedingungen

Das BSW Sachsen will sich einer Zusammenarbeit nicht in den Weg stellen. Die BSW-Landes- und Fraktionsvorsitzende Sabine Zimmermann kündigte bereits mit Blick auf die künftige Regierungsarbeit an, ihre Partei werde sich "guten Lösungen nicht verschließen".

Sabine Zimmermann, Vorsitzende des BSW- Landesverbandes, spricht auf dem Landesparteitag ihrer Partei.

BSW-Landesvorsitzende Sabine Zimmermann kündigte an, Bedingungen für die Ministerpräsidenten-Wahl zu stellen.

Zugleich knüpfte Zimmermann Stimmen für die Wiederwahl Kretschmers als Ministerpräsident an Bedingungen. So sollte es "konkrete Zusagen zum Beispiel gegen Sozialkürzungen oder für einen konsequenten Umgang mit ausreisepflichtigen Asylbewerbern" geben.

Das BSW befürchte durch die mögliche Minderheitsregierung einen Stillstand, sagte Zimmermann am Freitag. "Das bedeutet Stillstand für Sachsen beim Thema Migration und Investitionen in die Zukunft." Finanziell werde so eine Regierung wenig Spielraum haben.

Das bedeutet Stillstand für Sachsen beim Thema Migration und Investitionen in die Zukunft. Sabine Zimmermann | BSW-Landes- und Fraktionsvorsitzende

DBG: "Streiten ist Silber, Einigen ist Gold"

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in Sachsen bezeichnet die klare Absage der CDU und der SPD an eine Zusammenarbeit mit der AfD als "richtig und wichtig". Es müsse jetzt um die konstruktive Gestaltung einer guten Zukunft für alle Menschen in Sachsen gehen. "Die Menschen erwarten zu Recht Lösungen und Sicherheit im Wandel", teilte der DGB mit.

Eine Minderheitsregierung erfordere eine Veränderung im Umgang der demokratischen Fraktionen im Sächsischen Landtag. Dazu der DGB: "Transparenz, Offenheit und der Wille zur Lösung sind dabei von Regierungsseite wie von der Opposition unerlässlich. Der Grundsatz muss heißen: Streiten ist Silber, Einigen ist Gold."

Grüne kritisieren Beteiligung von AfD

Die Grünen kritisierten, dass die AfD erstmals in die Regierungsarbeit in einem Land eingebunden werde. Der Parteivorsitzende Christin Furtenbacher nannte die geplanten Konsultationen mit der AfD einen "Dammbruch von bundesweiter Bedeutung." Sachsens Umwelt- und Energieminister Wolfram Günther hielt Kretschmer vor, sich verzockt zu haben: "Die Verantwortung für dieses Chaos liegt allein bei Kretschmer und seiner CDU."

Sachsens Energieminister Wolfram Günther

Der derzeit amtierende Umwelt- und Energieminister in Sachsen, Wolfram Günther, sieht die Verantwortung für die aktuelle Situation bei Ministerpräsident Michael Kretschmer.

Die Verantwortung für dieses Chaos liegt allein bei Kretschmer und seiner CDU. Wolfram Günther | Umwelt- und Energieminister in Sachsen

Neue Regierung soll bis Weihnachten gebildet werden

CDU und SPD hatten am Donnerstag entschieden, offiziell in Koalitionsverhandlungen einzutreten. Man wolle am kommenden Montag in den Arbeitsgruppen losgehen, sagte SPD-Fraktionschef Dirk Panter. Noch vor Weihnachten sollen der Ministerpräsident gewählt und eine neue Regierung gebildet werden. Man wolle sich aber nicht zeitlich unter Druck setzen lassen.

Schwarz-rote Minderheitsregierung als einzige Option

Eine schwarz-rote Minderheitsregierung ist angesichts der Mehrheitsverhältnisse nach der Landtagswahl am 1. September für Kretschmer die einzige Option, um Neuwahlen zu vermeiden. Anders als bei früheren Minderheitsregierungen in anderen Bundesländern wird es in Sachsen keine ausdrückliche Duldung oder Tolerierung geben.

Im Landtag sind neben der CDU, welche die Wahl knapp vor der AfD gewann, sowie der SPD auch das BSW, die Linkspartei, die Grünen und ein Abgeordneter der Freien Wähler vertreten. Der Ministerpräsident muss laut Landesverfassung innerhalb von vier Monaten nach der Konstituierung des neuen Landtags und damit spätestens Anfang Februar gewählt werden.

MDR (ama/phb)/AFP

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 15. November 2024 um 16:33 Uhr.