Ministerpräsident in Sachsen Unklare Mehrheit für Kretschmer vor Wahl
Die Kandidaturen von drei Männern für das Amt des sächsischen Ministerpräsidenten sind bisher bekannt: Amtsinhaber Michael Kretschmer (CDU), Jörg Urban (AfD) und Matthias Berger (Freie Wähler) wollen ihren Hut in den Ring werfen. Während CDU und SPD auf eine Wiederwahl Kretschmers setzen, bleibt unklar, wie sich andere Fraktionen positionieren werden. Eine Kontroverse um die "Nein"-Stimmen sorgt zusätzlich für Spannung. Ein Scheitern der Wahl könnte zu Neuwahlen führen.
- Am Mittwoch soll im Sächsischen Landtag der Ministerpräsident gewählt werden.
- Drei Kandidaten stehen zur Auswahl.
- Streit gibt es derzeit um mögliche "Nein"-Stimmen.
Am Mittwoch steht im Sächsischen Landtag die Wahl des sächsischen Ministerpräsidenten bevor. Die Abstimmung verspricht, spannend zu werden. Drei Kandidaten treten an: Amtsinhaber Michael Kretschmer (CDU), Jörg Urban (AfD) und Matthias Berger (Freie Wähler). Während die Regierungskoalition aus CDU und SPD auf Kretschmers Wiederwahl setzt, sorgen unklare Mehrheitsverhältnisse und ein Streit um das Wahlverfahren für Unsicherheit.
Die Ausgangslage
In Sachsen haben CDU und SPD am Dienstag den Koalitionsvertrag unterzeichnet. Sie wollen gemeinsam eine Minderheitsregierung bilden. Im Landtag haben die beiden Parteien zusammen 51 (41+10) von 120 Sitzen. Um Mehrheiten in der kommenden Wahlperiode zustande zu bekommen, wollen sie mittels eines Konsultationsverfahrens andere Parteien in die Gesetzgebungsprozesse mit einbeziehen. Dabei geht es um das BSW (15 Sitze), B'90/Die Grünen (sieben Sitze) und die Linken (sechs Sitze). Mit der AfD (40 Sitze) soll eine Zusammenarbeit ausgeschlossen werden, da der Landesverband der AfD vom sächsischen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch einstuft wird.
Am Mittwoch steht die Wahl des sächsischen Ministerpräsidenten an. Dafür brauchen CDU und SPD auch Stimmen aus anderen Parteien. Es ist somit die erste Prüfung einer Zusammenarbeit im Sächsischen Landtag über die Koalitionsgrenzen hinweg.
Drei Kandidaten für die Wahl des Ministerpräsidenten
Michael Kretschmer ist der Kandidat der Koalition aus CDU und SPD. Er ist bereits seit sieben Jahren Ministerpräsident in Sachsen und regiert den Freistaat aktuell gemeinsam mit der SPD und den Grünen. Mit Letzteren hatte sich Michael Kretschmer während des Wahlkampfes überworfen. Die Grünen werfen ihm vor, Kritik unterhalb der Gürtellinie geübt zu haben. Kretschmer trat in den letzten Jahren zudem regelmäßig als Kritiker der Ampelregierung auf. Die Russlandsanktionen lehnt er entgegen der CDU-Bundespartei ab und forderte mehrfach, den Krieg in der Ukraine "einzufrieren".
Jörg Urban ist Landeschef der sächsischen AfD. Bei der Landtagswahl im September hatte seine Partei das Rennen um die stärkste Kraft in Sachsen knapp verpasst, blieb mit 1,3 Prozent hinter der CDU zurück. Für seine Kandidatur als Ministerpräsident hat Jörg Urban keine Koalition hinter sich und auch keinen Plan für eine mögliche Regierung vorgelegt. Alle Landtagsfraktionen schließen eine Zusammenarbeit mit der AfD in Sachsen aus. Unklar blieb im Vorfeld, ab welchem Wahlgang Jörg Urban als Ministerpräsident kandidieren wird.
Matthias Berger sitzt für die Freien Wähler als einziger Abgeordneter im Landtag, ist allerdings selbst kein Parteimitglied. Zuvor hatte er das Direktmandat in seiner Heimatstadt Grimma gewonnen. Dort war er die vergangenen 23 Jahre Oberbürgermeister. Hinter seiner Kandidatur steht also keine Fraktion, stattdessen will er als Ministerpräsident eine Expertenregierung einberufen, die Ministerposten also mit Fachleuten aus den jeweiligen Bereichen besetzen. Auch Matthias Berger wollte sich im Vorfeld nicht festlegen, ab welchem Wahlgang er antreten wird.
Die Ministerpräsidentenwahl
Der Ablauf der Ministerpräsidentenwahl wird durch die sächsische Verfassung und durch die Geschäftsordnung des Landtages festgelegt. Die Wahl läuft ohne Aussprache der Parteien und geheim ab. In einem 1. Wahlgang bräuchte ein Kandidat die absolute Mehrheit im Landtag. In diesem Fall also 61 von 120 Stimmen. Sollte keiner der Kandidaten diese Mehrheit erreichen, kommt es zu einem weiteren Wahlgang. Ab dann reicht für die Wahl des Ministerpräsidenten die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Enthaltungen werden dabei nicht mitgezählt.
Die Diskussion um die "Nein"-Stimmen
Der Landtagspräsident hat im Vorfeld der Wahl festgelegt, dass ab dem zweiten Wahlgang Abgeordnete entweder mit einem "Ja" für einen der Kandidaten abstimmen können oder sich enthalten dürfen. Eine "Nein" Stimme ist nicht vorgesehen. Gegen diese Entscheidung positioniert sich die Fraktion der Grünen im Landtag. Anfang der Woche hatten sie dazu ein Rechtsgutachten vorgelegt, das belegen soll, dass die aktuelle Regelung verfassungswidrig sei. Die Grünen bestehen auf die Möglichkeit im zweiten Wahlgang keinen der Kandidaten wählen, ohne durch eine Enthaltung ihre Stimmen zu verlieren.
Am Dienstag hatte der Landtagspräsident Alexander Dierks (CDU) ein eigenes Rechtsgutachten entgegengestellt, welches der Rechtsauffassung der Grünen widerspricht. Zum Beginn der Ministerpräsidentenwahl wollen die Grünen nun einen Antrag einreichen und damit dem Landtag die Entscheidung überlassen, ob "Nein" Stimmen ab dem zweiten Wahlgang zugelassen werden. Durch die Möglichkeit mit "Nein" zu stimmen, würden die Hürden für die Ministerpräsidentenkandidaten höher werden, da "Nein" Stimmen in die Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen mit einfließen.
Das Abstimmungsverhalten
Da die Wahl des Ministerpräsidenten geheim ist, weiß im Anschluss niemand genau, wer nun eigentlich für wen gestimmt hat. Trotzdem haben sich einige Fraktionen offen geäußert, wie sie sich während der Wahl verhalten wollen.
CDU- und SPD-Fraktion wollen für den amtierenden Ministerpräsidenten Michael Kretschmer stimmen. Beide Fraktionen gehen davon aus, dass es keine Abweichler in den eigenen Reihen gibt. Für eine absolute Mehrheit im 1. Wahlgang fehlen den Parteien zehn Stimmen. Dabei zählen sie auf Teile der BSW-Fraktion und auf die Fraktion der Linken. Man habe mit den beiden Parteien vertrauliche Gespräche geführt, die "gut gelaufen" seien, erklärten CDU und SPD.
Auch BSW und Linke bestätigen, dass diese Gespräche stattgefunden haben und man sich konstruktiv angenähert habe, wollten jedoch bis kurz vor der Wahl keine konkrete Position beziehen. Die Linken wollen als Fraktion gemeinsam stimmen. Das BSW wolle hingegen keinen Fraktionszwang aufbauen.
Die Grünen wollen im 1. Wahlgang für keinen der Kandidaten stimmen. Auch in weiteren Wahlgängen schließe man aus, für den Kandidaten der AfD, Jörg Urban, oder den Freien Wähler-Kandidaten Matthias Berger abzustimmen. Ob eine Wahl von Michael Kretschmer ab dem 2. Wahlgang für die Grünen in Frage kommt, wolle man situativ entscheiden.
Die AfD lehnt Michael Kretschmer als Ministerpräsidenten ab. Jörg Urban warf Kretschmer vor, mit den "linken Parteien" gemeinsame Sache zu machen und gegen den Wählerwillen zu agieren. Unklar ist, ob aus den Reihen der AfD auch eine Unterstützung von Matthias Berger möglich ist.
Kein Ministerpräsident?
Rein rechnerisch möglich ist auch, dass nach der Wahl im Landtag kein neuer Ministerpräsident gewählt ist. Ab drei Kandidaten könnten sich die Stimmen so verteilen, dass keiner die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhält. Dann hätte der Landtag im Januar erneut die Chance eine Regierung zu bilden, bis Anfang Februar die Frist abläuft und es in Sachsen zu Neuwahlen kommen müsste.
MDR (ben)