Sachsen-Anhalt Gründer von Cannabis-Club: "Sind der einzige Weg zu sicherem Cannabis"
Die Phytofreunde in Dessau haben die Erlaubnis bekommen, Cannabis für ihre Mitglieder anzubauen. Der Cannabis-Club hat erste Pflanztische aufgebaut und Samen liegen bereit. Bis Gründer Oliver Bernstein Marihuana aushändigen kann, wird es aber noch dauern. Clubs wie seiner in Dessau sind für Bernstein die einzige Möglichkeit, dass Menschen an sicheres Cannabis gelangen. Für die Polizei entsteht durch den Anbau von Drogen ein erhöhter Arbeitsaufwand – und das ist nicht die einzige Kritik.
- In Sachsen-Anhalt haben sechs Cannabis-Clubs die Erlaubnis zum Anbau von Cannabis erhalten. Insgesamt wurden seit April 15 Anträge eingereicht.
- Ohne Prävention kein Club: Der Vorstand der Phytofreunde Dessau setzt stark auf Aufklärung und Jugendschutz.
- Die Gewerkschaft der Polizei kritisiert, dass durch die Teillegalisierung von Cannabis ein erhöhter Arbeitsaufwand für die Polizei zu erwarten ist.
In einer Lagerhalle in Dessau-Roßlau warten Pflanztische auf gedüngte Erde – und Samen darauf, endlich in dieser Erde keimen zu dürfen. Normalerweise wachsen Tomaten oder Zucchini im Gewächshaus von Oliver Bernstein. Bald kommen neue Pflanzen hinzu: Cannabispflanzen.
Die Samen, die Oliver Bernstein für seinen Cannabisanbau verwenden will, hat er aus Holland importiert. (Symbolbild)
Oliver Bernstein ist einer der Gründer des Cannabis-Clubs Phytofreunde Dessau, die seit dem 1. Juli 2024 laut Konsum-Cannabis-Gesetz erlaubt sind. Ziel eines solchen Clubs: die Abgabe von Haschisch-Produkte an seine Vereinsmitglieder. Bernstein war klar: "Wenn nicht wir so einen Club gründen, dann macht es keiner in Dessau-Roßlau", sagt er MDR SACHSEN-ANHALT. Nun hat Bernstein vor einigen Tagen die Bestätigung für seine Anbauvereinigung vom Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt erhalten. Noch ist vieles, was den Club betrifft, eine Idee im Kopf oder auf dem Papier. Nun kann sie Stück für Stück Form und Farbe annehmen.
Für seine Cannabis-Club hat Oliver Bernstein eine Lagerhalle gemietet. Diese kann er nun nach seinen Anforderungen anpassen. (Symbolbild)
Cannabis-Clubs in Sachsen-Anhalt: Sechs von 15 Anträgen sind genehmigt
Bernstein ist mit seinem Cannabis-Club in Sachsen-Anhalt nicht allein: Laut Landesamt für Verbraucherschutz wurde sechs Anbauvereinigungen eine Erlaubnis erteilt (Stand: 4. Dezember 2024). Neben Dessau-Roßlau wird es so in Magdeburg, Bernburg, Petersberg, Könnern und Halle einen Cannabis-Club geben.
Eingereicht wurden allerdings noch ein paar Anträge mehr, 15 an der Zahl – darunter je zwei Anträge in Magdeburg und den Landkreisen Anhalt-Bitterfeld, dem Harz und dem Salzlandkreis. Je ein Antrag ging aus Halle, Dessau-Roßlau und den Landkreisen Börde, Saalekreis, Stendal, Wittenberg und dem Burgenlandkreis an das Landesamt.
Cannabis-Clubs: Das ist erlaubt mit Marihuana und Haschisch
Die sogenannten Cannabis-Clubs sind im Zuge der neuen Bundesgesetzgebung erlaubt worden. In ihnen dürfen bis zu 500 Mitglieder von Vereinen oder Genossenschaften Cannabis gemeinsam anbauen und zum Eigen-Konsum abgeben. Über-21-jährige Mitglieder dürfen pro Tag höchstens 25 Gramm, im Monat maximal 50 Gramm Cannabis abnehmen – als getrocknete Blüten und blüten-nahe Blätter (Marihuana) oder abgesondertes Harz (Haschisch).
Cannabis-Club in Dessau: Behörden und Vereine müssen in Kontakt treten
Die Erlaubnis für seinen Club hält Bernstein seit gut einer Woche in den Händen. In der Kritik steht seit Juli aber immer wieder, dass die Bearbeitung der Anträge zu lange dauere und auch die Anträge an sich sehr komplex seien. Der Gründer der Phytofreunde Dessau ist da allerdings entspannt, denn er weiß, dass sich so ein neues System erstmal "eingrooven" muss.
"Das ist ein Gesetz, das langsam in Kraft tritt." Da gebe es sowohl von Seiten der Behörden, als auch von Seiten der antragsstellenden Vereine Redebedarf. "Ich denke, dass das immer einen gewissen Kontakt mit den Behörden erfordert, um entsprechende Lösungen zu finden", sagt er. Bernstein ist mit der Kommunikation zwischen Verein und dem Landesamt für Verbraucherschutz zumindest zufrieden, denn sie sei immer auf Augenhöhe verlaufen, erklärt er.
Oliver Bernstein, Gründer der Phytofreunde Dessau, steht vor der künftigen Ausgabestelle.
Doch obwohl der Gründer seine Lizenz in den Händen hält, muss er noch warten, bis er die Pflanzensamen in die Erde stecken darf. Denn die Lizenz ist zwar elektronisch erteilt, aber Bernstein fehlt noch ein Gebührenbescheid. Erst wenn die Gebühr für die Erstellung der Lizenz bezahlt ist, hat der Club die offizielle Erlaubnis zum Anbau.
Bernstein rechnet mit einer Ernte Ende Februar oder Anfang März. (Symbolbild)
Die zukünftige Anbaustätte in Dessau nimmt parallel trotzdem Gestalt an. Bernsteins Vision: Die gemietete 200-Quadratmeter-Halle so umzubauen, dass ein Anbauraum, ein Raum zur Verarbeitung der Ernte, ein Lagerraum, eine Umkleide und Duschen darin Platz finden. Und sobald besagter Bescheid da ist, soll der erste Samen in die Erde gesetzt werden: "Wir rechnen damit, dass wir vielleicht Ende Februar, Anfang März nächsten Jahres die ersten Cannabisblüten an unsere Vereinsmitglieder abgeben können", hofft Bernstein.
Phytofreunde starten mit 20 Quadratmetern Anbaufläche
Die Phytofreunde zählen aktuell 100 Mitglieder im Alter zwischen 23 und 72 Jahren, so Bernstein. Um zu wissen, wie viele Quadratmeter er mit Cannabispflanzen bestücken muss, hat er eine Umfrage unter den Mitgliedern gemacht. Dabei wollte der Gründer wissen, wie viele Mitglieder in Zukunft wie viel Cannabis abnehmen würden.
20 Quadratmeter Fläche sollen am Anfang angebaut werden. Später dann das Doppelte.
Wir wollen das Interesse von unseren Mitgliedern ziemlich genau deckeln können. Wir haben nicht vor, einen großen Überschuss zu produzieren und hier eine riesige Lagerhaltung zu errichten. Oliver Bernstein | Gründer Phytofreunde Dessau
Das Ergebnis: Der Verein wird mit einer Anbaufläche von 20 Quadratmetern starten, später dann auf 40 bis 50 Quadratmeter aufstocken. "Wir wollen das Interesse von unseren Mitgliedern ziemlich genau deckeln können. Wir haben nicht vor, einen großen Überschuss zu produzieren und hier eine riesige Lagerhaltung zu errichten. Wir gehen mit dem Ziel daran, dass eine Versorgung der aktiven Mitglieder sichergestellt ist", so Bernstein.
Ohne Prävention geht nichts im Club
Ausgegeben werden sollen die erlaubten 50 Gramm Cannabis im Monat allerdings an einem anderen Ort – zusammen mit Informationen über den THC- und CBD-Gehalt des Cannabis, der Pflanzenart, der Grammzahl und einer Aufklärung über Risiken. "Wir lösen das so, dass wir Infomaterial benutzen, von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Die stellen da super Material zur Verfügung, das wir quasi wie eine Art Beipackzettel mit jeder Abgabe von Cannabis an unsere Mitglieder rausgeben", so Bernstein.
Damit die Mitglieder wissen, was sie konsumieren, sollen genaue Informationen mit dem Cannabis ausgehändigt werden. (Symbolbild)
Prävention ist ein wichtiger Bestandteil der Clubs, denn jeder Cannabis-Club muss laut Gesetz sogenannte Präventionsbeauftragte haben. Die müssen zu sicherem Konsum und Kinder- und Jugendschutz Fragen beantworten können. "Darüber hinaus haben wir auch einen Kanal, wo Mitglieder sich anonym, wenn sie das möchten, mit unserem Präventionsbeauftragten in Verbindung setzen können, um da ihren Konsum zu reflektieren", so Bernstein weiter. Auf Wunsch des Mitglieds kann bei schädlichem Konsumverhalten auch ein Kontakt zu Stellen, wie etwa einer Suchtberatung, erfolgen.
Präventionsbeauftragte sind Pflicht: Sie sollen bei Fragen der Mitglieder bereitstehen und an Suchtberatungen weitervermitteln können. (Symbolbild)
Und der Jugendschutz? Eine Mitgliedschaft selbst ist im Dessauer Club erst ab 21 Jahren möglich. Bernstein weiß, dass der Konsum von Cannabis bei jungen Erwachsenen immer noch ein gewisses Risiko birgt. Er findet aber, dass das aktuelle Konsum-Cannabis-Gesetz schon einen guten Jugendschutz bietet: "Wenn sich alle an die daran enthaltenen Regeln halten würden, würde kein Jugendlicher mit Cannabis in Kontakt kommen." Denn im Konsum-Cannabis-Gesetz ist geregelt, dass das Kiffen vor Schulen, Kitas, Spielplätzen und in deren Umkreis sowie zu bestimmten Uhrzeiten auch in Fußgängerzonen verboten ist.
Als eine Art Beipackzettel zum Cannabis, soll Infomaterial von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung dienen. (Symbolbild)
Strenge Kontrollen für Cannabis-Clubs durch das Landesamt für Verbraucherschutz
Doch wer soll das dann alles kontrollieren? Das hat MDR SACHSEN-ANHALT bei der Gewerkschaft der Polizei Sachsen-Anhalt nachgefragt. Die Antwort: Verantwortlich für die Kontrolle und Überwachung der Cannabis-Clubs sei das Landesamt für Verbraucherschutz. Die Polizei soll eine unterstützende Rolle bei der Durchsetzung der Gesetze spielen. So heißt es von der Gewerkschaft: "Die Cannabis-Clubs in Sachsen-Anhalt werden voraussichtlich zu den am strengsten kontrollierten Vereinen Deutschlands gehören. Sie müssen sich auf einen erheblichen Kontrolldruck und umfangreiche bürokratische Anforderungen einstellen."
Die Cannabis-Clubs in Sachsen-Anhalt werden voraussichtlich zu den am strengsten kontrollierten Vereinen Deutschlands gehören. Sie müssen sich auf einen erheblichen Kontrolldruck und umfangreiche bürokratische Anforderungen einstellen. Gewerkschaft der Polizei Sachsen-Anhalt |
Und der Rest der Öffentlichkeit? Ab dem 31. Juli 2025 sollen dann zusätzlich Kommunen den unerlaubten Besitz und Cannabis-Konsum verfolgen und Ordnungswidrigkeiten ahnden, so die Gewerkschaft. Lediglich bei schwerwiegenden Verstößen oder Straftaten in diesem Zusammenhang sind die Strafverfolgungsbehörden, wie etwa die Polizei, zuständig, heißt es weiter. Bis dahin meldet die Polizei Verstöße an das Landesverwaltungsamt. Dieses ist vorübergehend für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten zuständig.
Legalisierung erhöht Arbeitsaufwand der Polizei
Die Gewerkschaft der Polizei kritisiert, dass durch die Teillegalisierung von Cannabis ein erhöhter Arbeitsaufwand für die Polizei zu erwarten sei. Denn: "Der Bundesgesetzgeber hat es versäumt, alle relevanten Gesetze anzupassen, um Gefahren durch den Konsum von Cannabis, ähnlich wie beim Alkoholkonsum, vorzubeugen. Dies betrifft Bereiche wie das Waffenrecht, Jagdrecht sowie den Verkehr auf Wasserstraßen und im Flugverkehr", so die Gewerkschaft.
Die Gewerkschaft befürchtet, dass fehlende gesetzlichen Regelungen und unklare Vorgaben die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden könnten. Man verlange deshalb eine "klare gesetzliche Grundlage" und bessere Rahmenbedingungen. Des Weiteren fehlt es laut Gewerkschaft mit Blick auf Kontrollen im Zusammenhang mit Cannabis am passenden Gerät: "Wir fordern spürbare Investitionen und unverzügliche Beschaffung modernster Ausstattung", heißt es. Das betreffe vor allem Kontrollen im Straßenverkehr. Aktuell ist eine Blutprobe für den gerichtsfesten Nachweis von Drogenkonsum unumgänglich.
Die Polizei kritisiert, dass ihr passende technische Mittel fehlen, um den Cannabiskonsum besser zu kontrollieren. Eine Blutprobe ist momentan am aussagekräftigsten, heißt es. (Symbolbild)
Cannabis-Clubs stehen mit vorgezogener Bundestagswahl auf der Kippe
Wer die in Umfragen zur Bundestagswahl aktuell führende Union beim Wort nimmt, muss allerdings zu dem Schluss kommen, die Cannabis-Clubs könnten bald sowieso wieder Geschichte sein. Denn die CDU im Bundestag will die Cannabis-Legalisierung zurücknehmen. Sollten CDU und CSU nach der Neuwahl am 23. Februar die künftige Regierung führen, soll die Freigabe rückgängig gemacht werden. Für Oliver Bernstein von den Phytofreunden Dessau ist klar: Die Clubs seien die einzige Möglichkeit, sicher an sauberes Cannabis zu gelangen. Denn einen Konsum von Cannabis gebe es – ob mit oder ohne Clubs, ist Bernstein überzeugt.
Laut Bundesgesundheitsministerium haben 4,5 Millionen Menschen in Deutschland schon einmal Cannabis konsumiert. (Symboldbild)
Zahlen, die das Bundesgesundheitsministerium veröffentlicht hat, zeigen: Im Jahr 2021 haben 8,8 Prozent aller Erwachsenen im Alter von 18 bis 64 Jahren mindestens einmal Cannabis konsumiert. Das sind rund 4,5 Millionen Personen. Bernstein denkt an diese Menschen, wenn er sagt, dass Vereine die Chance seien, dem Schwarzmarkt entgegenzutreten: "Wir als Verein haben immerhin die Möglichkeit, einen möglichst sicheren Konsum sicherzustellen, ohne dass Beimengungen im Produkt drin sind und ohne dass die Cannabis-Konsumenten nicht wissen, was für ein Wirkstoffgehalt drin ist. Sie wissen im Prinzip zumindest, was sie konsumieren."
Wir als Verein haben immerhin die Möglichkeit, einen möglichst sicheren Konsum sicherzustellen, ohne dass Beimengungen im Produkt drin sind und ohne dass die Cannabis-Konsumenten nicht wissen, was für ein Wirkstoffgehalt drin ist. Oliver Bernstein | Gründer Phytofreunde Dessau
Bernstein wünscht sich deshalb mehr Transparenz und Offenheit der Cannabis-Clubs gegenüber der Bevölkerung und den Behörden, wie er sagt. "Ich denke, das ist die einzige Möglichkeit, wirklich eine Akzeptanz zu schaffen."
MDR (Maximilian Fürstenberg) | Erstmals veröffentlicht am 15.12.2024