Domfenster Stendal

Sachsen-Anhalt Handwerk rettet Kunstschätze: Wie in Stendal antike Buntglasfenster erhalten werden

Stand: 04.10.2024 10:28 Uhr

Deutschland hat an diesem 3. Oktober den 34. Jahrestag der Wiedervereinigung gefeiert. In Stendal wird gleich ein ganzes Jahr gefeiert: Der Dom St. Nikolaus wird 600 Jahre alt. Besonders beeindruckend: die 22 riesigen Bleiglasfenster. Sie sind zum größten Teil im Original erhalten. Damit sie noch lange die Menschen erfreuen, kümmert sich eine kleine Glaserfirma um die wertvollen Stücke.

Von Katharina Häckl, MDR SACHSEN-ANHALT

Die 22 mittelalterlichen Domfenster in Stendal gehörten zum wichtigsten kulturhistorischen Erbe Sachsen-Anhalts und sogar deutschlandweit, hatte Kulturstaatsminister Rainer Robra zur Eröffnung des Festjahres MDR SACHSEN-ANHALT gesagt. Die meisten Buntglaselemente sind tatsächlich so alt wie der Stendaler Dom selbst – 600 Jahre also.

Damit sie noch lange von möglichst vielen Generationen bewundert werden können, hat die Domgemeinde einen Wartungsvertrag abgeschlossen – mit einer sehr kleinen, aber auch sehr angesehenen Glaswerkstatt im nahegelegenen Groß Schwarzlosen.

Andrea Wilde, Jahrgang 1971, ist stolz darauf, dass ihr die Verantwortung für die Unversehrtheit der Domfenster angetragen worden ist. Auch für sie sind die wertvollen Fenster mit der mittelalterlichen Glasmalerei etwas ganz Besonderes. Vor allem, sagt sie, weil die Kunstwerke in einem Zyklus entstanden seien, nicht gestückelt innerhalb mehrerer Jahrhunderte, wie zum Beispiel im Kölner Dom.

Fenster zuletzt 1994 saniert

1994 waren die Domfenster insgesamt zum letzten Mal komplett restauriert worden. Damals war ihr Zustand nicht gut, erinnert sich Glasermeisterin Wilde: Die metallenen Elemente rosteten teilweise stark und hinterließen Korrosionsspuren auch auf dem wertvollen Glas. Die Sicherheitsverglasung war teilweise kaputt, die Domfenster waren damals also an einigen Stellen Wind und Wetter ausgesetzt. Die Schäden sind in den 1990er Jahren behoben worden.

Heute müssen Andrea Wilde und ihr Mitarbeiter größtenteils tatsächlich "nur" kontrollieren, ob alles in Ordnung ist. Dazu müssen die wertvollen Fenster aber nicht in die kleine Werkstatt ins etwa 15 Kilometer entfernte Groß Schwarzlosen gebracht werden. Wilde und ihr Mitarbeiter arbeiten vor Ort auf einer Brüstung in bis zu zehn Metern Höhe. Schwindelfrei, schmunzelt die Glasermeisterin, müsse man schon sein in ihrem Job.

Domfenster Stendal

Andrea Wilde und ihr Mitarbeiter in der Werkstatt in Groß Schwarzlosen.

Andrea Wilde beschäftigt sich nahezu ausschließlich mit der Reinigung, Reparatur und Restaurierung von Kirchenfenstern. Gerade hat sie Fensterelemente der Nikolaikirche Osterburg und der Klosterkirche Arendsee auf der Werkbank. Die Bleifassungen werden kontrolliert und erneuert, das Jahrhunderte alte Glas gereinigt.

Ihre Leidenschaft für dieses Handwerk hat sie vom Vater: Der hatte sich 1980 im Nachbarort Bellingen als Bleiglasermeister selbständig gemacht und vor einigen Jahren den Betrieb an die Tochter übergeben. Die schätzt an ihrer Arbeit die Ausgewogenheit zwischen handwerklicher Arbeit und dem Umgang mit wertvoller Geschichte.

Besucher interessieren sich für Fenster in der Werkstatt

Das betrifft alle Aufträge, aber den für die Stendaler Domfenster im Besonderen. In diesem Festjahr zum 600-jährigen Bestehen des spätgotischen Gotteshauses ist auch der Wildeschen Werkstatt mehr Aufmerksamkeit zuteil geworden als üblich. So empfing Andrea Wilde spürbar mehr interessierte Besucher, solche aus Stendal, aber auch aus anderen Kirchgemeinden.

Die 22 mittelalterlichen Domfenster stehen im Mittelpunkt des Festjahres in Stendal. Die Domgemeinde bot und bietet Vorträge zu jedem einzelnen Fenster, Führungen und eine neue hochwertige Publikation, in der nicht nur die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Fenstern zu entdecken sind, sondern die einzelnen gläsernen Kunstwerke auch – dank digitaler Technik – erstaunlich klar und detailliert auf Fotografien zu genießen sind.

MDR (Katharina Häckl, Mario Köhne)