Die Wische hat nach der Börde den ertragreichsten Boden in Sachsen-Anhalt. Hier: Neukirchen.

Sachsen-Anhalt Keine Steuereinnahmen: Bürgermeister schmeißt hin nach Solarpark-Aus

Stand: 12.01.2025 09:29 Uhr

Weil sein Gemeinderat den Bau eines Solarparks abgelehnt hat, ist der Bürgermeister der Gemeinde Altmärkische Wische zurückgetreten. Willi Hamann hatte die Investition als einzige Chance gesehen, an Geld für die Gemeinde zu kommen. Deren finanzielle Lage, sagt Verbandsgemeindebürgermeister Rüdiger Kloth, sei "grottenschlecht". Trotzdem feiern viele Einwohner und die Mehrheit des Gemeinderates die Entscheidung als Erfolg.

Von Katharina Häckl, MDR SACHSEN-ANHALT

Unter diesen Umständen wollte Willi Hamann nicht mehr weitermachen als Bürgermeister der Gemeinde "Altmärkische Wische". Sechs Jahre lang hat er verfolgen müssen, wie die Ausgaben für die Pflichtaufgaben immer mehr anstiegen, die Einnahmen der Gemeinde jedoch mehr und mehr gegen Null tendierten. Hamann selbst äußert sich derzeit nicht öffentlich. Der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Seehausen, zu der die "Altmärkische Wische" gehört, aber schon.

Von Bund und Land müsste mehr Geld kommen. Aber davon reden wir schon seit 20 Jahren. Also: Man muss sich auf die Dinge beschränken, die möglich sind. Rüdiger Kloth | Verbandsgemeindebürgermeister Seehausen

Rüdiger Kloth sagte MDR SACHSEN-ANHALT, die finanzielle Lage, gerade der Gemeinde "Altmärkische Wische", sei "grottenschlecht". Die Steuereinnahmen seien sehr niedrig. Die Gemeinde hätte eine große Fläche mit einer recht geringen Einwohnerzahl und müsse die gleichen Aufgaben erfüllen wie jede andere Gemeinde. Da reiche das Geld einfach hinten und vorne nicht: "Von Bund und Land müsste mehr Geld kommen. Aber davon reden wir schon seit 20 Jahren. Also: Man muss sich auf die Dinge beschränken, die möglich sind", so Kloth.

Rüdiger Kloth und Lisa Wille

Rüdiger Kloth (l) sagte MDR SACHSEN-ANHALT, die finanzielle Lage gerade der Gemeinde "Altmärkische Wische" sei "grottenschlecht".

200.000 Euro pro Jahr hätte der Solar-Park der Gemeinde einbringen können

Der Solarpark, den ein Konzern in der Gemeinde "Altmärkische Wische" bauen wollte, hätte Einnahmen von knapp 200.000 Euro pro Jahr bedeutet – aus Bürgermeister Hamanns Sicht die derzeit einzige Chance, die Gemeinde am Leben zu erhalten. Die ist jetzt – nach der Ablehnung durch den Gemeinderat – perdu.

Willi Hamann will die Gemeinde so nicht mehr weiter führen. Er werde noch die Sitzung des Rats am 13. Januar 2025 mitmachen, danach werde er sein Amt niederlegen, schrieb Hamann auf Nachfrage von MDR SACHSEN-ANHALT.

Die Mehrheit des Gemeinderates aber feiert die Entscheidung gegen den Solarpark als Erfolg. Die Abgeordneten setzen andere Prioritäten. Der Wische-Boden ist nach dem der Börde der von Natur aus ertragreichste in Sachsen-Anhalt.

Gemeinderat: Wischeboden ist zu wertvoll

Die Gemeinde könne nicht ihr bestes Kapital – den Wische-Boden – verkaufen, sagen die Gemeinderäte, neben Tim Homann unter anderem auch Markus Meyer. Er ist Bio-Landwirt in Neukirchen und hat in den vergangenen Monaten einen Kriterienkatalog erarbeitet. Der soll die Bedingungen festlegen, zu denen PV-Parks in der Altmärkischen Wische überhaupt gebaut werden können. Der Grundsatzbeschluss dazu steht noch aus.

Die Erde ist unser größtes Gut, mit der wir als Landwirte hochwertige Lebensmittel erzeugen. Markus Meyer | Ratsmitglied und Bio-Bauer

Hauptkriterium seien die Bodenpunkte, sagte Meyer MDR SACHSEN-ANHALT, eine Bewertungseinheit für Boden-Qualität. Denn auf guten Acker gehörten keine Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen. "Die Erde ist unser größtes Gut, mit der wir als Landwirte hochwertige Lebensmittel erzeugen", so Markus Meyer, Ratsmitglied und Bio-Bauer.

Markus Meyer, Bio-Bauer und Ratsmitglied

Markus Meyer, Bio-Bauer und Ratsmitglied ist gegen den Solarpark gewesen. Er findet, der WIscheboden ist ihr größtes gut.

Ähnliches Konzept: Nachbargemeinde bezieht Steuern über Windpark

Dass die Gemeinde Altmärkische Wische finanziell unter Druck steht, wissen auch die sieben Ratsmitglieder, die mit ihrer Mehrheit den Bau des Solarparks ablehnten. Für diesen finanziellen Druck aber könnten die Leute vor Ort nichts, sagte Tim Homann vom Gemeinderat MDR SACHSEN-ANHALT. Das sei "politisch strukturiert", dass solche Gemeinden wie die "Altmärkische Wische" nicht gut da ständen, weil ihnen große, Gewerbesteuer zahlende Betriebe fehlten. Die Beiträge der Solarpark-Betreiber an die Gemeinden würden jedoch nur zur kurzfristigen Verbesserung der Finanzen der Gemeinde führen. Nachhaltig und auf lange Sicht seien sie keine Lösung.

Tim Homann, Landwirt

Tim Homann, Landwirt und Mitglied im Gemeinderat. Er findet, dass die Gelder aus dem Solarpark nur kurzzeitig Abhilfe geschaffen hätte.

Andere Kommunen tun sich da leichter. Bei den Nachbarn in der "Altmärkischen Höhe" führt ein Windpark-Betreiber seit mehreren Jahren Beiträge an die Gemeinde ab. Mehrere zehntausend Euro sind seitdem investiert worden – in neue Kinderspielplätze, in Dorffeste und Vereinsarbeit, in Sanierungen, die sich die Gemeinde allein hätte nicht leisten können.

Klagten in der "Höhe" früher manche Menschen über den vermeintlichen "Pakt mit dem Teufel", sind die kritischen Stimmen heutzutage nahezu verstummt. Die Einheitsgemeinde Osterburg erhält ebenfalls Geld von Windparkbetreibern und verteilt es Jahr für Jahr an Vereine aus Sport und Kultur. 40 Windräder stehen auf kommunalem Grund. Dafür erhält die Einheitsgemeinde von den Betreibern laut Bürgermeister Nico Schule etwa eine halbe Million pro Jahr.

MDR (Katharina Häckl, Maximilian Fürstenberg)