Zwei Großtrappen stehen im Zerbster Land auf einer Wiese.

Sachsen-Anhalt Mehr Großtrappen in Sachsen-Anhalt: Projekt im Zerbster Land zeigt Erfolge

Stand: 04.10.2024 10:29 Uhr

Der Bestand der bedrohten Großtrappen hat sich in Sachsen-Anhalt weiter stabilisiert. Inzwischen leben den Angaben zufolge landesweit wieder mehr als 130 Tiere. Um die Jahrtausendwende waren die schwersten flugfähigen Vögel Europas fast verschwunden. Ein einzigartiges Wiederansiedlungsprojekt im Zerbster Land zeigt erste Erfolge.

Von Martin Krause, MDR SACHSEN-ANHALT

René Köhler schaut durch ein Fernglas. Hier irgendwo auf den abgeernteten Feldern rund um den Zerbster Ortsteil Buhlendorf müssten sie zu sehen sein, sagt der Experte: "Jeder, der mal eine Großtrappe vor Augen hatte, wird sich lange an diesen Anblick erinnern. Das sind spektakuläre Vögel", sagt der 43-Jährige und meint die Dimension der imposanten Federtiere, die teilweise ein Gewicht von bis zu 17 Kilogramm erreichen.

"Ausgewachsene Männchen können über einen Meter groß werden, Großtrappen reichen uns Menschen bis zur Hüfte", sagt Köhler und lässt seinen Blick wieder über das flache Zerbster Land schweifen. Zu sehen ist jedoch nichts und auch nichts zu hören. "Die Vögel sind nicht sehr ruffreudig, man kommt Großtrappen nie so nah, dass man sie hören kann", erklärt Köhler.

In den 90ern nur noch 50 Großtrappen in Deutschland

Seit 2018 ist er mit dem Förderverein Großtrappenschutz im Kreis Anhalt-Bitterfeld im Einsatz. "Die Vögel benötigen Offenland, bei intensiver Landwirtschaft blieb ihnen aber irgendwann kaum noch Lebensraum." So gab es in den 1990er Jahren nur noch etwa 50 Großtrappen in Deutschland. Die Art, auch als "Märkischer Strauß" bekannt, stand kurz vorm Aussterben, berichtet der Experte, der das Wiederansiedlungs-Programm leitet.

Ein einzigartiges Projekt: "Die Engländer haben das in den 2000er Jahren mal probiert; in einem Gebiet, wo die Trappe vollkommen ausgestorben war", erzählt Köhler. 20 Jahre habe es gedauert, der Erfolg sei überschaubar. Im Zerbster Land soll es schneller laufen und besser. Für Köhler und seine Mitarbeiter ist das mit viel Aufwand verbunden: "Zunächst werden in noch bestehenden Brutgebieten Eier aufgelesen, in Gelegen, die es nicht schaffen würden." Die Eier werden dann im brandenburgischen Buckow künstlich ausgebrütet und die Küken per Hand aufgezogen.

40 Jungvögel erfolgreich ausgewildert

Im Alter von acht Wochen kommen die Jungvögel dann in ihr Auswilderungsgebiet, leben dort zunächst hinter einem Schutzzaun. "Dann gehen wir mindestens drei Monate mit den kleinen Trappen sozusagen täglich spazieren, auch außerhalb der Einzäunung." Köhler und seine Kollegen tragen dabei spezielle Kittel, so dass die jungen Vögel nicht auf menschliche Kleidung geprägt werden. Im Laufe der Ausbildungszeit, die von Juli bis Oktober dauert, nehmen sich die Tierschützer immer weiter zurück. "Schlussendlich müssen die Großtrappen hier allein klarkommen und das funktioniert auch ganz gut", sagt der Projektleiter.

In den vergangenen drei Jahren konnten so 40 Jungvögel erfolgreich ausgewildert werden. Natürlich kostet das. Aber das Zerbster Wiederansiedlungs-Projekt wird mit ELER-Mitteln von der EU und vom Land Sachsen-Anhalt gefördert. Gut 100.000 Euro gibt es jedes Jahr. "Die Großtrappe ist eine sogenannte Schirmart. Sie hat ganz hohe ökologische Ansprüche, die auch viele andere Arten haben. Indem wir die Großtrappe schützen, schützen wir auch andere gefährdete Vögel wie die Feldlerche, die Grauammer und das Braunkehlchen", weiß Köhler.

Zehn Jahre bis Großtrappen-Bestand gefestigt

Inzwischen gibt es deutschlandweit wieder rund 300 Großtrappen, knapp die Hälfte davon lebt in Sachsen-Anhalt und davon wiederum ein Großteil im Zerbster Land, wo sich die schwersten flugfähigen Vögel Europas auch früher schon in stattlicher Anzahl heimisch fühlten. "Es ist schön, einen wichtigen Beitrag zu leisten, dass diese Art auch weltweit überleben kann", sagt Köhler. Noch braucht es etwas Glück, den bemerkenswerten Tieren in freier Wildbahn zu begegnen. Aber auch das soll anders werden. "Wir wollen eine Aussichtsplattform bauen, dass man die Vögel dann gut beobachten kann", blickt Köhler in die Zukunft.

Aber erst müssen mehr Trappen her, bevor die Touristen ins Zerbster Land kommen.Und dazu ist im Auswilderungsprojekt noch langer Atem nötig. "Um eine Gruppe zu haben, die genug Nachwuchs erzeugt und in der freien Wildbahn überlebt, wird es zehn Jahre dauern, vielleicht auch länger", schätzt René Köhler. Inzwischen hat er einige der mit Sendern ausgestatteten Großtrappen auf einem Feld entdeckt. "Wunderschöne Tiere", sagt der Projektleiter beim Blick durchs Fernglas. Diese außergewöhnlichen Vögel auch für die Nachfolgegeneration zu schützen, lohne sich auf jeden Fall.

MDR (Martin Krause, Daniel Salpius)