Sachsen-Anhalt Nach Anschlag: Ermittlungen zu Magdeburger Sicherheitskonzept dauern Wochen
Nach dem Anschlag in Magdeburg laufen die Ermittlungen auf Hochtouren – so hat es Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) formuliert. Sie sicherte erneut zu, dass alle offenen Fragen, zum Beispiel zu den Sicherheitskonzepten, umfassend aufgeklärt würden. Wie die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg jetzt betonte, könnte das aber noch lange dauern, bis Ergebnisse vorliegen.
Die Ermittlungen nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt zu möglichen Defiziten beim Sicherheitskonzept werden voraussichtlich noch Wochen dauern. "Wir werden uns das Sicherheitskonzept angucken, wir werden gucken, wer als Verantwortlicher in Betracht kommt", sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg. Die Frage sei zum Beispiel, ob mögliche Versäumnisse strafrechtlich relevant seien und ob der Anschlag für Dritte vorhersehbar gewesen sei.
Wir werden uns das Sicherheitskonzept angucken, wir werden gucken, wer als Verantwortlicher in Betracht kommt. | Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg
Zuletzt lagen demnach mindestens drei Strafanzeigen gegen Verantwortliche der Stadt, der Polizei und der Gesellschaft zur Durchführung der Magdeburger Weihnachtsmärkte vor. Die Generalstaatsanwaltschaft hält es nach eigenen Angaben für möglich, dass diese Zahl noch zunimmt. Dabei gehe es unter anderem um den Vorwurf der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen und um fahrlässige Körperverletzung durch Unterlassen. Der Fokus liegt laut Generalstaatsanwaltschaft aber auf den Ermittlungen im Hauptverfahren gegen den Attentäter Taleb A.
Die Aufarbeitung läuft bundesweit
Der 50 Jahre alte Mann aus Saudi-Arabien war kurz vor Weihnachten mit einem Auto über den Magdeburger Weihnachtsmarkt gerast. Er tötete laut Polizei fünf Menschen und verletzte mehr als 230 Menschen zum Teil schwer. Offen ist, warum Behörden den Attentäter nicht stoppten, obwohl er Dutzende Male Gewalt angedroht hatte.
Im Zentrum der Aufarbeitung stehen auch das Einsatzkonzept der Polizei und das Sicherheitskonzept des Weihnachtsmarkts. Dabei geht es etwa um die Frage von Lücken in Betonblocksperren an Fußgängerübergängen, das Fehlen der Sicherung von Fluchtwegen mit Stahlketten und das Fehlen eines Polizeifahrzeugs an einem geplanten Standort.
Zieschang sichert umfassende Aufklärung zu
Dass es eine umfassende Aufklärung geben werde, das hat Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) am Montag MDR SACHSEN-ANHALT erneut zugesagt: "Ich kann zusichern, dass die Ermittlungen auch in Sachsen-Anhalt weiter mit Hochdruck geführt werden. Und ich kann zusichern, dass auch die Frage, wer im Vorfeld welche Informationen über den Beschuldigten hatte und ob diese mit anderen ausgetauscht wurden, das wir das intensiv aufarbeiten."
Ich kann zusichern, dass die Ermittlungen auch in Sachsen-Anhalt weiter mit Hochdruck geführt werden. Und ich kann zusichern, dass auch die Frage, wer im Vorfeld welche Informationen über den Beschuldigten hatte und ob diese mit anderen ausgetauscht wurden, das wir das intensiv aufarbeiten. | Tamara Zieschang (CDU), Innenministerin von Sachsen-Anhalt
Die Ermittlungen liefen seit dem Abend des Anschlags auf Hochtouren, sagte sie nach der Sitzung des Innenausschusses im Bundestag. Viele Fragen, wie eben über den Informationsaustausch, könnten aber noch immer nicht beantwortet werden.
Zieschang forderte in dieser Hinsicht künftig mehr Vernetzung zwischen Bund und Ländern: "Wir brauchen eine gemeinsame polizeiliche Datenplattform. Alle Landespolizeien und auch der Bund sollten von überall und jederzeit Zugriff auf Informationen haben, die für die tägliche Arbeit von Relevanz sind", so Sachsen-Anhalts Innenministerin weiter. Dazu zähle auch, dass Personen nicht mehr in verschiedenen Dateien hinterlegt würden, sondern in einer einzigen. Das sei unter anderem ein Ziel des Programms "Polizei 20/20", in dem es um die polizeiliche IT-Architektur geht. "Wir müssen dafür die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellen", kommentierte Zieschang.
Forderung nach besserem Datenabgleich
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte nach einer Sondersitzung des Bundestags-Innenausschusses weitere Aufklärung und einen besseren Schutz der Bevölkerung zugesichert.
Der SPD-Innenpolitiker Lars Castelluci forderte wie Zieschang eine einheitliche Datenbank für alle Polizeibehörden. "Wir brauchen ein besseres Gesamtbild von solchen Tätern, insbesondere wenn sie nicht in so ein Raster passen, wie wir es gängig haben: Islamist, rechts, links", sagte der Ausschuss-Vizevorsitzende dem Sender NDR Info. "Im Nachhinein erscheint es so, als wäre doch klar gewesen, dass da jemand gelinde gesagt auf dem Weg in den Wahnsinn ist." Der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz kritisierte, die Informationen über den Täter seien nicht richtig zusammengeführt worden.
Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Fassung dieses Textes hatten wir einen Sprecher der "Generalstaatsanwaltschaft Magdeburg" zitiert. Diese existiert nicht. Korrekt ist, dass die Äußerungen von einem Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg stammen. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
Anmerkung der Redaktion: Aus Ressourcengründen haben wir uns dafür entschieden, die Kommentar-Funktion vorübergehend zu deaktivieren. Aufgrund des großen Interesses an unseren Produkten haben wir uns dazu entschlossen, unser Personal vorwiegend für die Berichterstattung einzusetzen. Wir informieren euch weiterhin in sozialen Netzwerken und auf mdr.de über aktuelles Geschehen.
dpa, MDR (Karsten Kiesant, Michael Rosebrock, Johanna Daher), zuerst veröffentlicht am 31.12.2024