Sachsen-Anhalt Notfallseelsorgerin nach Magdeburger Attentat: Eigentliche Arbeit beginnt erst
Für die Betroffenen wird nach dem Attentat auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt eine dauerhafte Seelsorge aufgebaut. Viele kommen erst nach Monaten oder auch einem Jahr erst zu einer Seelsorge, um über das erlebte Ereignis zu sprechen. Für Kinder gibt es spezielles Infomaterial vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz.
Drei Tage nach dem Attentat auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt ist der Einsatz der Notfallseelsorger noch lange nicht vorbei. Darauf hat die ehrenamtliche Seelsorgerin Corinna Pagels am Montagvormittag im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT hingewiesen. Pagels sagte: "Für uns fängt die Arbeit erst an oder hat in der Nacht angefangen." Jetzt beginne ganz viel Arbeit in der Nachsorge auch für die Einsatzkräfte: "Das wird ja gern vergessen. Wir sind ja nicht nur direkt vor Ort für den Menschen, der das Traumatische erlebt hat. Auch ein Feuerwehrmann ist ein Mensch, der Hilfe braucht und den das völlig unvermittelt getroffen hat."
Notfallseelsorger erhalten Supervision
Auch die Notfallseelsorger selbst bekämen Unterstützung, durch Supervisoren von außen: "Und auch einen Notfallseelsorger kann es mal echt auskicken. Aber dann haben wir ein gutes Netzwerk und dem wird geholfen." Pagels berichtete von einer Kollegin, die ihren ersten Einsatz als Notfallseelsorgerin hatte: "Die hat es richtig arg getroffen, muss man sagen. Die hat dann einen Ehemann betreut, dessen Frau verstorben vor Ort noch lag und der auch nicht von der Seite wich. Und sie hat ihm Beistand gegeben. Und da sind keine Worte, sondern da ist einfach Handhalten und Dasein wichtig." So etwas ziehe extrem viel Energie.
Das Schlimmste, was mir in meiner ganzen Zeit als Notfallseelsorger passiert ist. Corinna Pagels | Seelsorgerin
Pagels selbst wäre eigentlich am Freitag in den Urlaub gestartet. Den Einsatz nach der Amokfahrt nannte sie "das Schlimmste, was mir in meiner ganzen Zeit als Notfallseelsorger passiert ist." An den Weihnachtstagen gehe es für sie darum, wieder der Normalität einen Platz zu geben: "Familienfreunde helfen immer. Und dann muss man einfach auch den Kopf mal ausschalten."
Die Notfallseelsorge des evangelischen Kirchenkreises Magdeburg sucht regelmäßig weitere ehrenamtliche Mitstreiter. Nach den Worten von Corinna Pagels gibt es eine professionelle Ausbildung über 120 Stunden und anschließend Weiterbildungsmöglichkeiten.
Opferbeauftragter will Struktur für dauerhafte Hilfe aufbauen
Von Seiten der Bundesregierung soll den Betroffenen ebenfalls geholfen werden. Pascal Kober, der Opferbeauftragte der Bundesregierung ist seit Samstag in Magdeburg. Sein Ziel: Strukturen für die langfristige Hilfe der Betroffenen aufzubauen.
Es haben frühere Anschlagsgeschehen gezeigt, dass sich Menschen mitunter erst nach Tagen, Wochen, Monaten oder erst Jahren melden, weil sie sich den Belastungen erst zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr gewachsen fühlen. Pacal Kober | Opferbeauftragte der Bundesregierung
Er sagt dem MDR: „Es haben frühere Anschlagsgeschehen gezeigt, dass sich Menschen mitunter erst nach Tagen, Wochen, Monaten oder erst Jahren melden, weil sie sich den Belastungen erst zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr gewachsen fühlen." Für diejenigen sei die Notfallseelsorge dauerhaft ein Ansprechpartner, so Kober.
Infomaterial für Kinder vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz
Auch Justus Münster empfiehlt darüber zu sprechen, um das Geschehene und gesehene Ereignis zu verarbeiten. Er war 2016 nach dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz als Seelsorger im Einsatz und sagte MDR AKTUELL: "Reden hilft, das ist kein Geheimnis." Das gelte für Betroffene, Einsatzkräfte und auch für Menschen, die die Nachrichten mitnehmen würden.
Außerdem verweist er darauf, dass das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe Informationsmaterial bereitstellt, wie man mit Kindern darüber sprechen könne: "Denn auch die Kinder bekommen ja mit, dass die Erwachsenen sich vielleicht gerade etwas seltsam verhalten, vielleicht eine Scheu haben, auf den Weihnachtsmarkt zu gehen." Sollten Menschen merken, dass sie mit den Geschehnissen wirklich nicht zurechtkämen, gebe es die Telefonseelsorge oder Krisen-Dienste in den Regionen.
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MDR (Christoph Dziedo, Maximilian Fürstenberg)