Bundespräsident Frank-Walter-Steinmeier war in Stendal zu Besuch.

Sachsen-Anhalt Plötzlich platzte der Bundespräsident ins Kaffeekränzchen

Stand: 31.12.2024 16:17 Uhr

Ende August verlegte Bundespräsident Frank Walter Steinmeier seinen Amtssitz für drei Tage nach Stendal. Er war dort, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Und auch zu hören, wo der Schuh drückt. "Ortszeit Deutschland" nennt der Bundespräsident das Format. Im Mai 2022 war er auch schon einmal in Sachsen-Anhalt, damals in Quedlinburg. Was aber ist vom Besuch in Stendal geblieben? Eine Nachlese.

Von Bernd-Volker Brahms

Ungelegen ist sicherlich der falsche Ausdruck. Aber der Zeitpunkt, des dreitätigen Besuchs des Bundespräsidenten in Stendal war sicherlich nicht der beste. Die Vorbereitungen für den Sachsen-Anhalt-Tag liefen in der Stadt bereits auf Hochtouren, als sich das Bundespräsidialamt in Berlin im Juli im Stendaler Rathaus meldete und den dreitägigen Besuch ankündigte. Das Staatsoberhaupt weilte dann vom 25. bis 27. August in Stendal – nur drei Tage später wurde der Sachsen-Anhalt-Tag in Stendal eröffnet.

Bundespräsident Frank-Walter-Steinmeier war in Stendal zu Besuch.

Oberbürgermeister Bastian Sieler zusammen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Stendal.

Steinmeier: "Ich gehe auch bewusst dort hin, wo es Probleme gibt"

"Wir hatten zum Glück mit der Vorbereitung des Besuchs gar nicht so viel zu tun", sagt Oberbürgermeister Bastian Sieler (parteilos). Natürlich habe man mit Rat und Tat zur Seite gestanden, der Ablauf des Besuchs sei aber vom Bundespräsidialamt geplant und letztlich auch organisiert worden. In der Reihe "Ortszeit Deutschland" hatte sich der Bundespräsident die Altmark-Metropole als den zwölften Ort in Deutschland herausgesucht.

Schon in seinem ersten Presse-Statement vor Ort – unter freiem Himmel auf dem Marktplatz – hatte Frank Walter Steinmeier angekündigt, nicht nur herzukommen, um schöne Dinge zu sehen. "Ich gehe auch bewusst dort hin, wo es Probleme gibt", kündigte er an. Es gehe aber auch um Wandel und Veränderung – und den Umgang damit. Vielen Menschen wollte der Bundespräsident in Stendal treffen, das hatte er im Vorfeld kommuniziert. Und er hielt Wort.

Bundespräsident Frank-Walter-Steinmeier war in Stendal zu Besuch.

Bei strahlendem Sonnenschein war das Staatsoberhaupt in Stendal am Tangermünder Tor mit seiner Staatslimousine eingetroffen.

Bei strahlendem Sonnenschein war das Staatsoberhaupt an jenem Sonntag Ende August einige Minuten früher als geplant um kurz vor 13 Uhr in Stendal am Tangermünder Tor mit seiner Staatslimousine eingetroffen. Kurz zuvor war mit ihm noch im benachbarten Jerichow das ZDF-Sommer-Interview aufgezeichnet worden. Steinmeier stand beim Eintreffen in Stendal aber auch noch unter dem Eindruck eines mutmaßlichen islamistischen Anschlags auf ein Stadtfest in Solingen, bei dem zwei Tage zuvor drei Menschen ums Leben gekommen waren.

Stendal wird drei Tage zum Arbeitsort

Entgegen des Protokolls war Frank Walter Steinmeier nach dem Aussteigen aus dem Auto und der Begrüßung des Oberbürgermeisters gleich losmarschiert und schüttelte auf dem Weg zum Dom zahlreiche Hände und stand auch für spontane Selfies zur Verfügung. Maximale Anspannung fürs Sicherheitspersonal.

Im Übrigen war der Bundespräsident ohne seine Ehefrau Elke Büdenbender in Stendal, die ansonsten sehr wohl bei offiziellen Terminen oft dabei ist. Aber in Stendal sollte es ja ein dreitägiger Arbeitsbesuch sein. Standesgemäß eröffnete der Bundespräsident unter Blitzlichtergewitter in seinem Vorübergehend-Domizil im "Schwarzen Adler" gleich auch sein Arbeitsbüro.

Noch am Sonntag stützte sich Frank Walter Steinmeier in die Arbeit. Eintrag ins Goldene Buch, Gespräch mit Lokalpolitikern, Hintergrundgespräch mit Pressevertretern und ein Besuch eines "Hildegard-Knef-Abend" im Theater der Altmark mit einem Gespräch der Theaterleute.

Bundespräsident Frank-Walter-Steinmeier war in Stendal zu Besuch.

Menschen aus Stendal lassen sich mit Frank-Walter Steinmeier fotografieren.

Obstbauer blickt mit gemischten Gefühlen zurück

Vier Monate nach dem Besuch des Bundespräsidenten blickt Obstbauer André Stallbaum mit gemischten Gefühlen auf den Besuch zurück. Franz Walter Steinmeier hatte seine Obstplantage und den Direktvermarktungsbetrieb besucht und über die zahlreichen vor allem bürokratischen Hürden für Landwirte gesprochen. "Zumindest haben seine Leute fleißig mitgeschrieben", sagt der 36-jährige Obstbauer.

– Der junge Landwirt vor seinem Hofladen in Stendal. Hier verkauft er das, was „hinterm Haus“ wächst. Äpfel, Kirschen, Spargel und Getreide gehen aber auch an die Händler in der Region.

Obstbauer André Stallbaum blickt mit gemischten Gefühlen auf den Besuch zurück.

Stallbaum ist auch Vorsitzender des Kreisbauernverbandes und sitzt für die Landwirte im Kreistag. "Ich gehe nicht davon aus, dass jetzt die große Wende kommt, und dass da viel in der Regierung ankommt – welche es auch immer sein mag." André Stallbaum hatte Anfang 2024 wochenlang zusammen mit anderen Landwirten gegen die Agrarpolitik in Berlin und Brüssel demonstriert.

Ich gehe nicht davon aus, dass jetzt die große Wende kommt, und dass da viel in der Regierung ankommt – welche es auch immer sein mag. André Stallbaum | Obstbauer

Zusammen mit Oberbürgermeister Bastian Sieler war Stallbaum im November noch einmal vom Bundespräsidenten zu einem Symposium ins Schloss Bellevue eingeladen worden. Dort sollte mit anderen Vertretern der "Ortszeiten" darüber gesprochen werden, wie die Demokratie bewahrt werden kann. "Eine kritische Frage von mir haben die sich dort noch angehört, eine Antwort habe ich nicht bekommen", sagt der Stendaler Landwirt.

Besuch im Plattenbauviertel

Etwas positiver sieht Marion Zosel-Mohr den Besuch des Bundespräsidenten in Stendal. Sie gehört zum kooperativ geführten Verein Freiwilligenagentur. Zosel-Mohr unterstützt nicht nur ehrenamtliche Arbeit in Stendal, sondern vernetzt die Arbeit auch überregional über die Vereinigung "Engagierte Städte". "Wir konnten für das Netzwerk werben", sagt Zosel-Mohr.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (M) wird in der Freiwilligen-Agentur Altmark von einer Gesprächsteilnehmerin begrüßt.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (M) wird in der Freiwilligen-Agentur Altmark von einer Gesprächsteilnehmerin begrüßt.

Sie wünscht sich eine institutionalisierte Förderung der Arbeit. "Der Bundespräsident hat sich insbesondere auch für unser Projekt gegen Einsamkeit interessiert", sagt sie. Nur wenige Woche nach dem Besuch in Stendal war Marion Zosel-Mohr auch beim Sommerfest des Bundespräsidenten eingeladen. "Da konnten wir unser Netzwerk nochmals erläutern", sagt sie.

Auch der Stendaler Oberbürgermeister Bastian Sieler will die Auswirkungen des Besuchs vom Bundespräsidenten nicht zu hoch bewerten. "Wir konnten auf einige für Stendal typische Probleme wie Leerstand, demografischer Wandel und fehlende finanzielle Ressourcen aufmerksam machen", sagt er. Ein Besuch im Plattenbauviertel Stendal-Stadtsee gab dazu Einblicke.

Wir konnten auf einige für Stendal typische Probleme wie Leerstand, demografischer Wandel und fehlende finanzielle Ressourcen aufmerksam machen. Bastian Sieler | Oberbürgermeister
Bundespräsident Frank-Walter-Steinmeier war in Stendal zu Besuch.

Stendaler sehen den Besuch mit gemischten Gefühlen.

Obstbauer André Stallbaum hat indes die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, an den bundespolitischen Stellschrauben zu drehen. "Ich habe Herrn Merz persönlich zu unserem Bauerntag eingeladen", sagt er. Außerdem habe er Robert Harbeck (Grüne) beim Wort aus seiner Videobotschaft genommen, und diesen an seinen Küchentisch eingeladen. "Ich teile denen immer wieder gerne mit, welchem Wahnsinn wir uns hier jeden Tag aussetzen."

MDR (Bernd-Volker Brahms)