Ein Krankenpfleger öffnet die Tür zu einem Haftraum im neuen Haftkrankenhaus in der Justizvollzugsanstalt Leipzig.

Sachsen-Anhalt Seltener Einblick: Wie die neue Ärztin in der JVA Halle arbeitet

Stand: 10.07.2024 12:47 Uhr

Gefängnisse sind eine eigene Welt. Doch auch die Menschen, die hier einsitzen, haben Bluthochdruck, Diabetes oder Nasenbluten und brauchen manchmal einen Arzt. In der halleschen JVA in der Frohen Zukunft kommen sie dann in die Sprechstunde von Susanne Bode. Sie ist die neue Anstaltsärztin. Und macht auch "Hausbesuche".

Von Andrea Iffert, MDR SACHSEN-ANHALT

Susanne Bodes Händedruck ist fest. An ihrer linken Seite trägt sie einen großen Schlüsselbund. Die Ärztin hat ihren Traumjob hinter Gittern gefunden, in der Justizvollzugsanstalt an der Wilhelm-Busch-Straße in Halle. Und sie will nie wieder weg von diesem speziellen Arbeitsplatz. Da, wo ihre Patienten nicht besonders zimperlich sind und wo der Umgangston manchmal ganz schön rau ist.

Es sei eben nicht die Aida und sie hier keine kreuzfahrtbegleitende Ärztin, sagt sie. Das müsse man sich klarmachen, bevor man einen solchen Job antritt. Deshalb habe sie vorsichtshalber erst einmal einen Hospitationstag im Gefängnis eingelegt, bevor sie ihre Bewerbung losschickte.

Eine Frau mit kurzem Haar und schwarzer Bluse

Susanne Bode ist Orthopädin und Unfallchirurgin.

Krankenversorgung in Sachsen-Anhalts Gefängnissen

Grundsätzlich erfolgt die medizinische Behandlung von Gefangenen in der jeweiligen Justizvollzugseinrichtung. Die ambulante medizinische Versorgung wird in Sprechstunden durch hauptamtliche Anstaltsärzte sichergestellt. Alle Haftanstalten in Sachsen-Anhalt verfügen über angestellte Ärzte, die von medizinischem Fachpersonal unterstützt werden.

Jede Justizvollzugseinrichtung verfügt über einen medizinischen Bereich, der neben der allgemeinärztlichen Sprechstunde auch fachärztliche Sprechstunden (z. B. Augenarzt, Zahnarzt, Chirurgie, HNO) ermöglicht. Die medizinischen Leistungen im Justizvollzug entsprechen grundsätzlich den Leistungen für gesetzlich Krankenversicherte.

Ein eigenes Justizvollzugskrankenhaus wird im Justizvollzug Land Sachsen-Anhalt nicht vorgehalten, jedoch eine Krankenabteilung in der Justizvollzugsanstalt Burg, die im Bedarfsfall auch von den anderen Justizvollzugseinrichtungen im Land in Anspruch genommen werden kann. Ferner kann ein Gefangener bei Bedarf einer stationären Heilbehandlung auf der Grundlage einer gemeinsamen Verwaltungsvereinbarung mit dem Freistaat Sachsen und dem Freistaat Thüringen in das Justizvollzugskrankenhaus Leipzig verlegt werden.

Quelle: Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz

Sehnsucht: Raus aus dem Klinikbetrieb

Ihren Weg dorthin hat Susanne Bode vor einem halben Jahr zufällig gefunden. Sie ist Orthopädin und Unfallchirurgin, hat in Halle Medizin studiert, viele Jahre hier und im Erzgebirge in Krankenhäusern gearbeitet. Sie wollte raus aus dem Klinikbetrieb, sehnte sich nach geregelten Arbeitszeiten. Dann hat sie eine Auszeit genommen und ist dabei über die Stellenanzeige gestolpert, in der ein Anstaltsarzt gesucht wurde.

JVA Halle von außen

In der JVA Frohe Zukunft gibt es eine neue Gefängnis-Ärztin. (Archivbild)

Jetzt ist es "zu einem Traumjob geworden", bilanziert sie nach gut einem halben Jahr Arbeit in der JVA. Sie habe die Entscheidung letztlich "ein Stück weit aus dem Bauch heraus" getroffen. Und: "Ich habe sie nicht bereut."

In der JVA-Nebenstelle führt die Hallenserin mit ihrem Team von vier Schwestern eine Art Hausarztpraxis mit Sprechstunden und auch mit "Hausbesuchen" in den Zellen, den Hafträumen. Die "Hausbesuche" stehen in Akutsituationen an, wenn ein Häftling Schmerzen hat, eine Panikattacke oder andere medizinische Akutprobleme. "Dann mache ich die Hausbesuche vor Ort".

Nicht alle akzeptieren eine Ärztin

Rund 320 Männer sitzen in der JVA ein. Nicht alle akzeptieren die freundlich-zugewandte blonde Ärztin, verlangten schon mal nach einem "richtigen" Arzt. Susanne Bode nimmt es gelassen und bleibt bestimmt. Letztlich, sagt die 45-Jährige, sei sie hier die Ärztin. "Und da führt kein Weg dran vorbei".

Wie sie sich bei der Arbeit auf ihre Patienten fokussieren kann, so gut kann sie nach dem Dienst abschalten, sagt die Hallenserin mit Verweis auf ihren großen Schlüsselbund. Denn der öffnet ihr auch, wie sie sagt, die "Tür des Vergessens", wenn sie nach dem Dienst die Anstaltstür hinter sich schließt, die Schlüssel abgibt und die Arbeit hinter sich lassen kann.

Blick durch ein Türluke in einen Haftraum im neuen Haftkrankenhaus in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Leipzig.
Ärzte in der Justiz

Direkt beim Justizvollzug Sachsen-Anhalt sind aktuell sechs Anstaltsärztinnen bzw. Anstaltsärzte beschäftigt. Davon sind fünf Fachärztinnen bzw. Fachärzte für Allgemeinmedizin, eine Medizinerin ist Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie. Von den fünf Fachärzten für Allgemeinmedizin ist außerdem eine Ärztin zusätzlich Psychiaterin. Im Jahr 2024 wurde für die Justizvollzugsanstalt Halle eine Zahnärztin fest angestellt. Für das zweite Quartal dieses Jahres ist zudem die Neueinstellung einer Zahnärztin für die Jugendanstalt (JA) Raßnitz vorgesehen. Quelle: Justizministerium LSA

MDR (Andrea Iffert, Oliver Leiste)