Sachsen-Anhalt Stendal: Ehemaligem Stadtmusikdirektor wird nach Unfalltod Herzenswunsch erfüllt
Wie das Leben manchmal so spielt: Durch den Unfalltod des ehemaligen Stadtmusikdirektors von Stendal, Michael Hentschel, sind so viele Spenden zusammengekommen, dass jetzt sein Herzensprojekt auf sicheren finanziellen Füßen steht: die Reparatur der wertvollen Scherer-Orgel in der Stendaler Marienkirche.
Die Kulturszene in Stendal steht noch immer unter Schock: Ein tragischer Verkehrsunfall hatte vor wenigen Wochen den ehemaligen Stadtmusikdirektor Michael Hentschel und seine Frau Christine aus dem Leben gerissen. Hentschel war hoch angesehen in der Stadt, ein sehr beliebter Mann, engagiert im Glockenförderverein, der sich mittlerweile um sämtliche "Sorgenkinder" der Marienkirche zu Stendal kümmert. Er war auch Initiator der kleinen, sehr beliebten Orgelmusiken samstags in Sankt Marien und spielte die wertvolle Orgel dort regelmäßig. Deshalb wusste Hentschel auch um deren Zustand.
Michael Hentschel hatte sich zu Lebzeiten bereits für die Reparatur der Scherer-Orgel in der Stendaler Marienkirche eingesetzt.
Brandgefahr und kaputte Technik
Das Instrument stammt aus dem Jahr 1580, aus der Werkstatt des bekannten Hamburger Orgelbauers Hans Scherer dem Älteren. Im Lauf der fast 450 Jahre sind diverse Umbauten erfolgt. In den 1940er-Jahren wurde Elektrik in die Orgel eingebaut, die jetzt technisch anfällig ist und gefährlich zudem. Die Kabel sind in die Jahre gekommen. Register und andere Einstellungen funktionieren nicht mehr oder nur sporadisch. Außerdem, sagt Bärbel Hornemann, die Vorsitzende des Fördervereins, sei mittlerweile die Brandgefahr nicht zu unterschätzen.
Bärbel Hornemann, Vorsitzende des Glockenfördervereins St. Marien Stendal, weiß um den Zustand der alten Orgel.
Ein weiteres großes Problem sei die kaputte Haupt-Windlade, ergänzt Kantor Johannes Schymalla von der Evangelischen Stadtgemeinde Stendal. Der Defekt erwirke einen anhaltenden Pfeifton, den das Publikum deutlich registriere. Außerdem stünden Pfeifen so dicht beieinander, dass sie nicht oder nur schwerlich gestimmt werden können.
Restauration der Orgel kostet 160.000 Euro
Alles in allem: Die Orgel muss in einen bespielbaren Zustand gebracht werden. Das kostet mehr als 160.000 Euro. Der Förderverein muss dafür einen Eigenanteil von 48.000 Euro stemmen. Mit Konzerten und Aufrufen versuchte auch Michael Hentschel Geld zu sammeln. Nun hat ausgerechnet sein tragischer Tod bewirkt, dass die Summe binnen weniger Tage zusammengekommen ist.
Hentschels Kinder hatten gebeten, zur Trauerfeier auf Kränze und Blumen zu verzichten und stattdessen Geld für die Orgel zu spenden, für das Herzensprojekt ihrer Eltern. Mehr als 24.000 Euro gingen daraufhin auf dem Konto des Fördervereins ein, dazu mehrere Großspenden. Auch eine mit Hentschels befreundete Musikerin aus den USA, Louisa Buchanan, beteiligte sich – mit 10.000 Euro.
Bald soll die Orgel in der Marienkirche wieder in einen bespielbaren Zustand gebracht werden.
Mehr Spenden eingegangen als benötigt
Die Gesamtsumme an Spenden übersteigt nun die angezeigten Kosten um mehr als 14.000 Euro. Damit sind die Arbeiten an der Orgel gesichert; selbst auf etwaige Mehrkosten kann der Verein reagieren.
Die Spenden zeigten, wie beliebt Michael Hentschel in Stendal gewesen sei und wie sehr seine Arbeit, sein Engagement, seine Liebe zur Scherer-Orgel und zu Sankt Marien geschätzt würden, sagt Bärbel Hornemann gerührt. Für die Kinder, die hinterbliebene Familie sei das Spendenaufkommen ein Trost.
MDR (Katharina Häckl, Marius Rudolph)