Mehrere Jugendlich mit weißen T-Shirts und ein Erwachsener stehen mit Blumen vor dem Schauwerk.

Sachsen-Anhalt Streit um Finanzierung: Kulturprojekt in Magdeburg droht das finanzielle Aus

Stand: 19.07.2024 04:52 Uhr

Dem studentischen Freiraum-Projekt "schauwerk" der Hochschule Magdeburg-Stendal droht das Ende. AfD und CDU wollen es nicht weiter finanzieren – aus unterschiedlichen Gründen. Das "schauwerk" ist damit nicht allein.

Von Roland Jäger und Katharina Gebauer; MDR SACHSEN-ANHALT
  • Das Projekt "schauwerk" in Magdeburg von Studierenden der Hochschule Magdeburg-Stendal kämpft ums Überleben.
  • Damit ist das "schauwerk" nicht allein, weitere Kulturprojekte sind bedroht. Stadträtin Kornelia Keune sieht darin eine Strategie der AfD.
  • Perspektiven des "schauwerks": Die SPD-Stadtratsfraktion will weiter für das Projekt kämpfen, die CDU ist gesprächsbereit.

Das Studierendenprojekt "schauwerk" der Hochschule Magdeburg-Stendal droht das Aus. Der Freiraum in einer Ladenfläche auf dem Breiten Weg zeigt Ausstellungen, es finden regelmäßig Lesungen, Filmabende und Workshops sowie Kunst- und Kulturveranstaltungen statt. Damit will es die Studierendenschaft näher in das Stadtleben rücken.

Das Projekt kämpfe um sein Überleben, so Prof. Dominik Schumacher, der Leiter des Projekts. In dieser Woche stellten Industrie-Design-Studierenden ihre Abschlussarbeiten aus und machten auf die Herausforderungen des Projekts aufmerksam. "Um langfristig existieren zu können, braucht das "schauwerk" letztendlich eine politische Unterstützung, und zwar auch von der konservativen Seite", sagt Schumacher.

Zwei Studentinnen vor einem Tablet

Studierende bei der Vernissage des Abschlussarbeiten im schauwerk.

Finanziert wird das Projekt von der Hochschule Magdeburg-Stendal und durch die Stadt Magdeburg. In diesem Jahr unterstützte sie mit 15.000 Euro aus der Stadtkasse, von der Hochschule kamen 20.000 Euro dazu. Damit würden laut "schauwerk" vor allem die Projekt- und Nebenkosten über das Jahr hinweg bezahlt. Doch das könnte sich mit den neuen Mehrheitsverhältnissen im Stadtrat künftig ändern.

Die AfD hat deutlich zugewinnen können und kann so mehr Druck auf Kulturprojekte ausüben. Ohne planbare Zusage der Stadt und das jährliche Ringen um finanzielle Mittel müsse Schumacher bereits im Oktober anfangen, das "schauwerk" zu räumen. Das wirke sich auch auf das Modul der Studierenden aus.

Schauwerk in Mithaftung genommen

Die AfD-Fraktion versucht seit 2022 dem Projekt die Mittel zu streichen. Ronny Kumpf, AfD-Stadtrat und Fraktionsvorsitzender, teilte schriftlich mit, die Stadt Magdeburg habe keinerlei Verantwortung gegenüber dem "schauwerk", das studentische Projekt komme seiner Verantwortung gegenüber der Kommune nicht nach. Sollte sich für die leeren Ladenflächen in der Innenstadt sonst keiner finden, würde er dort gerne ein AfD-Bürgerbüro eröffnen, so Kumpf.

Dabei ging es der AfD in ihren Anträgen für die Streichung der finanziellen Mittel vor allem um das "in:takt", ein ähnliches studentisches Projekt der Otto-von-Guericke-Universität. Das unterstütze laut AfD "mutwillig kriminelle Netzwerke". Gemeint ist damit die Klimagruppe "Letze Generation", die im vergangenen Jahr vor durch ihre Proteste, vor allem das Festkleben auf Straßen, bekannt wurde. Die Gruppe führte 2022 mehrere Veranstaltungen im "in:takt" durch, nicht aber im "schauwerk". Im Stadtrat wird die Finanzierung beider Projekte zusammen diskutiert.

Hoffnung für das Projekt

Kornelia Keune von der Fraktion SPD/Tierschutzallianz/Volt sieht darin eine Strategie der AfD. "Es ist schon ersichtlich, alles, was nicht in ihr Portfolio, in ihren Habitus, in ihr Denken passt, versucht sie zu streichen und klein zu machen", sagte sie MDR SACHSEN-ANHALT. Bislang gelang es ihrer Fraktion gemeinsam mit der Linken und den Grünen eine jährliche Förderung des "schauwerks" durch den Stadtrat zu bekommen. Keune will auch für den Haushalt 2025 erneut versuchen, das Projekt weiter zu finanzieren.

Es ist schon ersichtlich, alles, was nicht in ihr Portfolio, in ihren Habitus, in ihr Denken passt, versucht sie zu streichen und klein zu machen" Kornelia Keune (SPD) |

Doch dafür müsste auch die CDU-Fraktion überzeugt werden, damit das Projekt eine Zukunft hat. Die CDU sieht das Projekt in der Pflicht, sich vom Land oder Hochschule weiter finanzieren zu lassen. "Die Haushaltkrise lässt es nicht zu, das Projekt weiter zu fördern", sagt CDU-Fraktionsvorsitzender Tim Rohne im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. Bisher sei dies eine freiwillige Ausgabe der Stadt gewesen. Die Fraktion sei aber offen für Diskussionen rund um das Projekt, sollte es sich weitere Fördermittelgeber suchen.

Ein Mehrwert für Magdeburg

Die Studierenden sind sich einig, dass nicht nur sie vom "schauwerk" profitieren, sondern auch die gesamte Stadt: "Man trifft auch die unterschiedlichsten Leute, wenn man an seinem eigenen Zeug arbeitet und die Leute von der Straße reinkommen, auch ein guter Ort um neue Leute kennenzulernen", sagt einer der Gäste auf der Vernissage vergangene Woche.

Das schauwerk steht vor der Herausforderung, dass es [...] um sein Überleben kämpft." Prof. Dominik Schumann, Leiter des "schauwerks" |

Nicht nur dem "schauwerk" droht das Aus, es könnten weiteren Kulturprojekten die Mittel entzogen werden, sollten sich dafür im kommenden Haushalt genug Stimmen finden. Besonders viele Anträge für eine Streichung des Geldes gibt es bei der AfD. Darunter leiden besonders selbstorganisierte, nicht kommerzielle Projekte – bislang neben dem "in:takt" auch der Lokalsender Offenen Kanal oder das städtische Projekt "Stadtschreiber".

Die Beigeordnete für Kultur, Regina-Dolores Stieler-Hinz, wirbt für einen pragmatischen Umgang in der Kulturpolitik mit der AfD: "Mir ist es wichtig, dass wir miteinander diskutieren können, gemeinsam herausfinden können, was wichtig ist für das Kulturleben hier in unserer Stadt. Und das sollte, wenn möglich, nicht von Parteiinteressen geprägt sein", sagt sie im Interview. Stieler-Hinz will nun gemeinsam mit dem "schauwerk" versuchen, EU-Fördermittel einzuwerben. Der Haushalt für 2025 werde voraussichtlich Anfang 2025 im Stadtrat beschlossen.

MDR (Roland Jäger, Katharina Gebauer)