Ugaas Ziad, Praktikant bei der Firma «Kühner Wärmetauscher», arbeitet am 21.08.2017 in Korntal-Münchingen (Baden-Württemberg) in der Produktion der Firma an einem Wärmetauscher. Ugaas ist Flüchtling und kam aus Somalia nach Deutschland.

Sachsen-Anhalt Wie Asylbewerber in Sachsen-Anhalt einen Job finden – und was die Hürden sind

Stand: 16.07.2024 15:54 Uhr

In Sachsen-Anhalt leben nach aktuelle Daten der Arbeitsagentur 58.000 Asylbewerber und Geflüchtete, die im arbeitsfähigen Alter sind. Weniger als die Hälfte von ihnen arbeitet in regulären Jobs – obwohl viele Firmen Mitarbeiter suchen. Der Weg aus dem Niedriglohnsektor ist oft schwer. Doch es gibt Unterstützungs-Angebote, die ihn leichter machen sollen. Eines ist das "Coffee to Stay" in Bernburg.

Von Uli Wittstock, MDR SACHSEN-ANHALT

Housam Alden Altabbaa ist in Damaskus geboren, studierte dort Textilchemie, doch infolge des Bürgerkrieges verschlug es ihn 2016 nach Bernburg. Der junge Mann kommt aus einer gebildeten Familie und konnte sich zunächst auf Englisch verständigen. Sein erstes Ziel war es, Deutsch zu lernen, sein zweites Ziel, einen Job zu finden.

Integration in den Arbeitsmarkt braucht mehrere Jahre

Zunächst arbeitete Housam Alden Altabbaa als Restaurant-Helfer, dann in einer Leiharbeitsfirma. Es folgten ein Integrationskurs, ein Jahr Bundesfreiwilligendienst und dann eine Einstiegs-Qualifizierung im Serumwerk Bernburg.

Ein Mann mit Bart und Brille steht in einer Straße

Housam Alden Altabbaa denkt, die Integration in den Arbeitsmarkt wäre einfacher, wenn der Sprachkurs parallel zu Praktika in Betrieben stattfinden würde.

Danach entschied sich Altabbaa für eine Berufsausbildung zum Chemiekanten, die immerhin 3,5 Jahre dauerte. Seit Januar arbeitet er nun als Fachkraft im Serumwerk. Insgesamt dauerte es acht Jahre, bis Housam Alden Altabbaa in den deutschen Arbeitsmarkt integriert war. Unterstützt wurde er dabei vom Team aus dem "Coffee to Stay" in Bernburg. Der Begegnungsort wurde 2017 gegründet, nachdem die Flüchtlings-Zahlen so stark angestiegen waren. Aber auch mit dieser Unterstützung war es nicht leicht.

Unterstützung durch Freiwillige – auch beim "Coffee to Stay" in Bernburg

Susi Möbbeck (SPD) ist Sachsen-Anhalts Ausländerbeauftragte und zugleich als Staatssekretärin für den Arbeitsmarkt zuständig. Sie räumt ein, dass es nach wie vor schwierig ist, im deutschen Arbeitsmarkt anzukommen.

Dabei gebe es eigentlich schon viel Beratung: "Man kann in Sachsen-Anhalt Leute finden, die einem bei der Anerkennung von beruflichen Abschlüssen helfen oder beim Deutsch lernen. Es gibt Unterstützung bei Behördengängen oder der Wohnungssuche." Viele dieser Angebote sind ehrenamtlich. Das Bernburger "Coffee to Stay" ist ein gutes Beispiel für ein solches Engagement.

Fünf Personen stehen vor einem Schaufenster

Das "Coffee to Stay" in Bernburg unterstützt Geflüchtete und Asylbewerber auch dabei, einen Job zu finden.

Jobpiloten sollen in Sachsen-Anhalt den Einstieg erleichtern

Während die Integration in den Alltag derzeit schon ganz gut funktioniere, sei derzeit die größte Herausforderung die Integration am Arbeitsplatz, sagt Möbbeck. Deshalb soll es ab Herbst in Sachsen-Anhalt sogenannte Jobpiloten geben: "Wir haben diese Erfahrung ganz konkret im Landkreis Wittenberg gemacht, mit jungen Menschen aus El Salvador. Die wurden zu Pflegekräften ausgebildet. Durch die zusätzliche Betreuung haben alle den Abschluss geschafft und sie sind heute noch vor Ort."

Das betont Susi Möbbeck nicht zufällig, denn oftmals ist die Erfahrung, dass Zugewanderte schnell weiterziehen in Großstädte, wo sie sich bessere Chancen erhoffen.

Susi Möbbeck, Staatssekretärin im Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung.

Susi Möbbeck ist seit 2007 Integrationsbeauftragte der Landesregierung Sachsen-Anhalt.

Begegnungs-Café in Bernburg ist wichtiger Anker-Punkt

Housam Alden Altabbaa kommt zwar aus der Großstadt Damaskus, möchte aber dennoch in Bernburg bleiben. "Ich fühle mich hier wohl", sagt er. "Hier gibt es alles, was man braucht. Hier gibt es viele Orte, wo man Hilfe kriegen kann, aber auch Hilfe weitergeben kann." Er habe das Gefühl von Zugehörigkeit.

Hier gibt es viele Orte, wo man Hilfe kriegen kann, aber auch Hilfe weitergeben kann. Housam Alden Altabbaa über Bernburg |

Das "Coffee to Stay" ist ein wichtiger Anlaufpunkt für ihn. Es liegt in zentraler Lage in Bernburg und die Räumlichkeiten wurden von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft zur Verfügung gestellt. Das Begegnungs-Café ist ein Anker-Punkt geworden, denn wer sich hier trifft, der findet Unterstützung und Beratung. Es gibt Deutschkurse, Hilfe bei Behördengängen und bei der Suche nach Arbeit. Solche Zentren können dazu beitragen, dass die Zugewanderten wirklich bleiben und nicht nur auf Durchreise sind.

Viele Menschen in einem Raum mit gedecktem Tisch

Ein wichtiger Anlaufpunkt in Bernburg: Das "Coffee to Stay" soll auch dafür sorgen, dass Zugewanderte in der Stadt bleiben.

Viele Asylbewerber suchen Stelle auf Helfer-Niveau

Allerdings ist Housam Alden Altabbaa ein eher seltenes Beispiel für eine gelungene Integration in den Arbeitsmarkt. Blickt man auf die aktuelle Statistik der Arbeitsagentur, dann fällt auf, dass etwa zwei Drittel der Asylbewerber in Sachsen-Anhalt eine Stelle auf Helfer-Niveau suchen. Nur 18 Prozent sind demnach auf der Suche nach einer qualifizierten Tätigkeit. Konkret heißt das für Sachsen-Anhalt, dass derzeit rund 8.400 Asylbewerber Jobs als Produktions-Helfer suchen.

Einer von ihnen ist der Magdeburger Adil. Seine Erwerbsbiografie klingt wie eine Reise durch die Niedriglohnsektoren der Region: "Erst war ich bei Amazon, dann bei Hermes, später bei DHL und dann wieder bei Amazon. Danach war ich in einem Restaurant, da habe ich kein Geld bekommen. Dann war ich bei Hello Fresh und jetzt bin ich bei IFA Haldensleben", berichtet er. Zeitverträge, Leiharbeit und kaum die Chance auf berufliche Perspektive, das ist für einen großen Teil der Asylbewerber die Kehrseite des Begriffs "Arbeitskräftemangel".

Chancen-Aufenthaltsrecht bietet dauerhafte Perspektive

Fehlende Arbeitskräfte gelten derzeit in Deutschland als größtes wirtschaftliches Risiko. Das führt zu politischen Ideen, die im Sommerloch besonders starke Schlagzeilen produzieren, wie etwa der Vorschlag, ausländische Fachkräfte durch niedrigere Steuern anzulocken.

Neben solchen Ideen gibt es aber auch Entscheidungen, die weniger aufgeregt debattiert werden, zum Beispiel das Chancen-Aufenthaltsrecht. Wer als abgelehnter Asylbewerber bis Ende Oktober 2022 mindestens fünf Jahre lang in Deutschland mit einer Duldung gelebt hat, hat damit 18 Monate Zeit, einen Job oder eine Ausbildung zu finden – vorausgesetzt, er wurde bislang nicht straffällig.

Wunsch: Praktika und Sprachkurs sollten einander ergänzen

Von rund 2.400 entsprechenden Anträgen in Sachsen-Anhalt wurden bislang 1.400 von den Behörden genehmigt. Ausländerbeauftragte Susi Möbbeck sieht darin eine große Chance: "Das sind Menschen, die hier schon lange leben, teilweise auch zur Schule gegangen sind. Und wenn sie es schaffen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, dann können sie nach den 18 Monaten auch perspektivisch in Deutschland bleiben."

Housam Alden Altabbaa hat übrigens auch einen Ratschlag, wie es mit der Integration in den Arbeitsmarkt besser laufen könnte: "Parallel zum Sprachkurs sollte es gleich Praktika in Betrieben geben, damit man das Gelernte gleich anwenden kann."

MDR (Uli Wittstock, Maren Wilczek)