Ein älterer Mann steht vor einer Bücherwand.

Sachsen-Anhalt Wie ein Stendaler Ehepaar zu viel Geld kam und damit Bildung fördert

Stand: 12.07.2024 18:24 Uhr

In Stendal kommt im Bereich Bildung und Kultur kaum jemand an der Kaschade-Stiftung vorbei, sei es für eine kleine Anschubfinanzierung oder für ein neues Schlagzeug für die Big Band der Musik- und Kunstschule. Hauptziel der Stiftung ist die Förderung von Internationalität, vor allem für Studierende. Gerade erst wurde die Kooperation mit der Hochschule Magdeburg-Stendal erneuert.

Von Aud Merkel, MDR SACHSEN-ANHALT

Hans-Jürgen Kaschade ist ein bescheidener Mann. Als gelernter Tischler hat er bei der Renovierung eines alten Fachwerkhauses in Stendal selbst Hand angelegt. Das Haus ist Stiftungssitz der H. u. H. Kaschade Stiftung. Hinter den Buchstaben verbergen sich die Vornamen von Hans-Jürgen und seiner Frau Hermine. Beide hatten zunächst einen Handwerksberuf gelernt, er Tischler, sie Schneiderin. Später studierten sie im sozialen Bereich.

Aufstieg durch Fleiß und Offenheit

Als Hans-Jürgen Kaschade, heute 83 Jahre alt, zum Professor und Rektor der Hochschule Braunschweig/Wolfenbüttel aufgestiegen war, berief man ihn als sogenannten Leihbeamten in den Osten. In Magdeburg und später Stendal sollte er einen neuen Hochschulstandort aufbauen.

Von Anfang an war dem Professor dabei der internationale Austausch wichtig. "Es ist aus meiner Sicht wichtig, dass junge Menschen möglichst früh einen anderen Blick auf die Welt bekommen, um sich ein Urteil zu bilden und nicht ein Vorurteil zu haben."

Ein älterer Mann steht vor einer Bücherwand.

Hans-Jürgen Kaschade ist gelernter Tischler.

Deutsche Bücher für alle Welt

Hans-Jürgen Kaschade holte Lehrkräfte aus dem Ausland, aus den USA, aus Holland, Kanada, China und Indien. Etwa zehn Prozent der Studierenden kamen aus anderen Ländern. Der internationale Austausch lief aber auch über Bücher. Kaschade sagt: "Der Globus ist rund und wir müssen auch die Kontakte in den Osten pflegen."

Die DDR hatte Mitte der 1950er-Jahre aufgehört, Bücher in den Osten zu schicken. Deswegen sammelte Kaschade Bücher zum Deutschlernen, später auch deutschsprachige Fachbücher, und sendete sie erst in das östliche Ausland, später in die ganze Welt. Inzwischen wurden durch das Kaschade-Literaturhilfswerk über 200.000 Bücher verschickt.

Die Grundidee, Vermögen zu vererben, halte ich für nicht so gut. Hans-Jürgen Kaschade |

Um der Hochschule unkompliziert mit Geldspenden helfen zu können, gründete Hans-Jürgen Kaschade 1995 mit seiner Frau Hermine die H. und H. Kaschade Stiftung. Als ostpreußisches Flüchtlingskind hatte er zu Beginn seiner Laufbahn nichts. "Die Grundidee, Vermögen zu vererben, halte ich für nicht so gut. Kinder müssen die Chance haben, eine vernünftige Bildung zu bekommen. Was sie dann daraus machen, sollte man nicht an die Kinder vererben, sondern ihnen bewusst machen, dass ihr Vermögen nur geliehen ist und dass man das dann wieder gemeinwohlmäßig einsetzt."

Der Stendaler Stiftungssitz der H. u. H. Kaschade-Stiftung

Der Stiftungssitz der H. u. H. Kaschade Stiftung ist ein altes Fachwerkhaus in Stendal.

Vermögen mit Sparsamkeit aufgebaut

Die Stiftung startete mit 100.000 Euro aus der Zulage, die Westbeamte, die in den 1990er-Jahren aus dem Westen in den Osten zogen, bekamen. Zu Unrecht, findet Kaschade noch heute. Inzwischen beträgt das Stiftungsvermögen 3,2 Millionen Euro.

Man muss immer mehr Geld verdienen, als man ausgibt. Hans-Jürgen Kaschade |

Bei der Frage, wie man so ein Vermögen aufbauen kann, schmunzelt Kaschade. "Das ist eine Frage der Zielstrebigkeit und was man sich vornimmt. Man muss immer mehr Geld verdienen, als man ausgibt. Wenn Sie aufwachsen in so armen Verhältnissen, dann können Sie sich entweder zum Verschwender entwickeln oder Sie haben kapiert, dass man Vieles nicht braucht." Zudem habe er sich schon als junger Mann für Aktien und Wertpapiere interessiert.

Ein weiterer Beleg für die Zielstrebigkeit? Nach seinem vorzeitigen Ruhestand gründete der gelernte Tischler mit einem alten Freund die Fensterbaufirma FensterART. Mit sechs Leuten haben sie angefangen. Mittlerweile sind es 70 Mitarbeitende.

Förderung von Bildung und Kultur

Heute unterstützt die Kaschade-Stiftung Studierende aus aller Welt mit Aufenthaltsstipendien. Immer wieder wird die Stiftung für lokale Projekte angefragt oder regt selbst Ideen an. Neben der Tausch-Bibliothek im Fachwerkhaus in der Stendaler Weberstraße fördert die Kaschade-Stiftung die Stendaler Lichttage, die Osterburger Literaturtage, das Stendaler Kunststipendium, die Konzertreihe Post4Jazz und viele andere Projekte im Bereich Bildung und Kultur.

Das jüngste sichtbare Engagement ist die Figurengruppe zum 500. Jahrestag der Aufstellung des Stendaler Rolands. Das kleine Bronze-Ensemble steht vor dem Altmärkischen Museum und lädt viele Stendaler und Touristen zum Verweilen und Nachdenken ein.

Kaschade fördert die neue Stendaler Konzertreihe "Post4Jazz"

Kaschade unterstützt viele Kulturprojekte in Stendal – etwa die Konzertreihe "Post4Jazz".

Von Peru ins Stendaler Fachwerkhaus

Derzeit wohnt und lernt Carmen Calienes Peralta im Haus der Kaschade-Stiftung. Sie hält seit vielen Jahren die Hochschulkontakte zwischen Stendal und der Universität "Alas Peruanas" in Peru aufrecht. Um ihr Deutsch zu verbessern, macht sie gerade mit Unterstützung der Kaschade-Stiftung einen Deutschkurs. Mit der Stendaler Inlingua-Sprachschule gibt es immer wieder gemeinsame internationale Bildungsprojekte. So kommt die Welt nach Stendal.

Ein Mann und eine Frau sitzen an einem kleinen Tisch.

Derzeit lernt die Peruanerin Carmen Calienes Peralta im Stiftungssitz Deutsch.

MDR (Aud Merkel, Oliver Leiste), zuerst veröffentlicht am 11.07.2024