Marine-Schiffe liegen am Marinestützpunkt Kiel-Wik.

Schleswig-Holstein Spionageverdacht in Kiel: Sicherheit der Kasernen prüfen

Stand: 20.12.2024 15:52 Uhr

In Kiel wurde ein Chinese dabei ertappt, wie er in einem Stützpunkt der Marine Aufnahmen gemacht haben soll. Sicherheitsexperten sprechen von hybrider Kriegsführung. Der Bundeswehrverband fordert Überprüfungen der Kasernensicherheit.

Das Landeskriminalamt Schleswig-Holstein ermittelt wegen eines Spionageverdachts am Marinestützpunkt Kiel. Bereits am 9. Dezember soll sich ein Mann mit chinesischer Staatsbürgerschaft nach WDR-Informationen Zugang zum Militärstützpunkt im Kieler Hafen verschafft und Fotoaufnahmen gemacht haben.

Oberstaatsanwalt Winterfeldt: Mann wieder auf freiem Fuß

Flensburgs Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt hielt sich im Interview mit NDR Schleswig-Holstein am Donnerstagvormittag bedeckt. Nur so viel: "Die Staatsanwaltschaft Flensburg hat ein Ermittlungsverfahren gegen einen chinesischen Staatsbürger wegen mutmaßlicher Spionagetätigkeit eingeleitet." Konkret gehe es um den Tatbestand aus dem Strafgesetzbuch des sicherheitsgefährdenden Abbildens im Bereich einer militärischen Einrichtung. "Da es sich aber um staatsschutzrelevante Ermittlungen handelt, möchte ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine weiteren Angaben machen. Ich kann zusätzlich noch bestätigen, dass sich der Beschuldigte derzeit auf freiem Fuß befindet."

Flensburgs Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt

Flensburgs Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt bestätigt, dass der Chinese freigelassen wurde.

WDR: Ermittler werten Handy des Chinesen aus

Aufgegriffen hatte ihn den Angaben zufolge zunächst das Wachpersonal, das den Mann schließlich an die Polizei übergab. Der Mann sei zunächst vorläufig festgenommen worden und saß nach der Recherche des WDR in Untersuchungshaft. Laut WDR werten Ermittler das Mobiltelefon und weitere Gegenstände des Mannes aus. Auch das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (MAD) soll an den Ermittlungen beteiligt sein.

China reagiert auf Spionage-Ermittlungen

Am Freitag schaltete sich das chinesische Außenministerium in den Fall um die mögliche Spionage bei der Kieler Marine ein. Ein Sprecher sagte, China habe von seinen Bürgern im Ausland immer verlangt, dass sie die lokalen Gesetze und Vorschriften einhalten. Peking sei sich des konkreten Falls nicht bewusst. Das Außenministerium warnte die deutschen Behörden aber auch: "Wir hoffen, dass die deutsche Seite sich auf die Fakten stützt und aufhört, sogenannte Spionagefälle für Manipulation und Verleumdung zu nutzen". Der Sprecher forderte die Bundesregierung auf, sie müsse die legitimen Rechte und Interessen der chinesischen Bürger in Deutschland schützen.

Sorge vor chinesischer Spionage in Kiel wächst

Die Sorge vor chinesischer Spionage ist in Kiel seit einiger Zeit groß. In der Region befinden sich neben bedeutenden Liegenschaften von Bundeswehr und Marine auch Unternehmen der Rüstungsindustrie. Die Werft von ThyssenKrupp Marine Systems etwa baut in Kiel hochmoderne U-Boote. Und auch die NATO ist in der Hafenstadt vertreten.

Im vergangenen Jahr war die Angst vor möglicher chinesischer Spionage an der Ostsee so groß, dass eine eigentlich bereits vereinbarte Städtepartnerschaft zwischen Kiel und Qingdao kurzfristig abgesagt wurde.

Innenministerin: Sicherheitsbehörden stärken

Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) sagte, es handele sich um eine Gefahr, vor der die Sicherheitsbehörden schon seit vielen Jahren warnen. "Gerade hier in Kiel ist es natürlich wegen des Militärstandortes und des Wirtschaftsstandortes auch ganz wichtig, dass man da besonders aufpasst." Die schleswig-holsteinische Landesregierung ist der Ministerin zufolge seit Jahren dabei, die Sicherheitsbehörden zu stärken. "Wir haben jetzt gerade mit unserem Sicherheitspaket unsere Sicherheitsbehörden massiv gestärkt - personell, die IT und aber auch die rechtlichen Befugnisse werden wir ausbauen."

Bundeswehrverband: Sicherheitskonzept muss überprüft werden

Marco Thiele vom Bundeswehrverband mahnte an, grundsätzlich dürfe in militärischen Liegenschaften niemand sein, der da nichts zu suchen habe. Jetzt müsse überprüft werden, wie das passieren konnte. "Die Sicherheitskonzepte müssen einmal komplett überprüft werden." Man müsse künftig viel aufmerksamer sein. Ein weiteres Problem laut dem Marine-Experten: Es gibt nicht genügend Soldaten, die sicherstellen können, dass Stützpunkte überwacht werden. Deshalb werde auf private Sicherheitsdienste gesetzt.

Kieler Sicherheitsexperte: Spionage und Sabotage an der Tagesordnung

Spionage und Sabotage - diese Fälle passieren im Norden nicht zum ersten Mal: die Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines, bei dem der Urheber noch unbekannt ist, beschädigte Unterwasserkabel in der Ostsee und Drohnen über dem Industriepark "ChemCoast" in Brunsbüttel (Kreis Dithmarschen). Sebastian Bruns vom Institut für Sicherheitspolitik in Kiel empfiehlt, die Situation sehr ernst zu nehmen. Er sagte NDR Schleswig-Holstein: "Wir befinden uns tatsächlich in einem hybriden Kriegszustand mit Russland und China. Und dort sind Spionage und Sabotage an der Tagesordnung." Deutschland sei aus maritimer Sicht hier sehr anfällig. Es gehe China und Russland offenbar darum, Schwachstellen auszuforschen. Und es gehe um Verunsicherung der deutschen Bevölkerung.

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 19.12.2024 | 17:00 Uhr